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Neues Modebewusstsein

Die Sowjetzeit hat in Lettland die stärksten Spuren in den baltischen Ländern hinterlassen: Etwa ein Drittel der 2,4 Millionen Einwohner sind russischer Abstammung, in der Hauptstadt Riga sind die Letten sogar in der Minderheit. Doch seit der Unabhängigkeitserklärung Anfang der 90er Jahre arbeitet die Regierung an der Rehabilitierung der wiedererweckten Nationalsprache. Die Schulen steigern den Anteil des Unterrichts auf Lettisch schrittweise und auch im Fernsehen darf nur ein gewisser Teil auf ausländischen Sprachen ausgestrahlt werden. Auch im Printbereich werden neue Titel aufgelegt, die sich an ein lettischsprachiges Publikum wenden.

Von Agnes Bührig |
    Wir schreiben über Mode und Schönheit, Partnerschaft und Karriere. Diese Bereiche müssen in jedem Heft abgedeckt werden. Wir beschäftigen uns mit Themen, die wichtig sind für junge lettische Frauen. Zum Beispiel, wie sie den Berufseinstieg schaffen und Erfolg im Beruf haben. Alle Frauen, die hier angestellt sind, haben eigene Erfahrungen in der Berufswelt gemacht. Wir schreiben über die Themen, die uns selbst interessieren.

    Die Themenplanung wird Monat für Monat von der Zentrale in New York abgesegnet. Darüber hinaus haben die Herausgeber Eva und Victor Tombak aus Litauen ein Wörtchen mitzureden. Sie halten neben der litauischen auch die Lizenz für die lettische Cosmopolitan.
    40.000 Exemplaren werden jeden Monat gedruckt, über 90 Prozent davon vor allem in der Hauptstadt verkauft, macht einen Umsatz von umgerechnet knapp 981 000 Euro im vergangenen Jahr.
    Äußerlich unterscheidet sich das Frauenjounal kaum von seinen Schwestern in Deutschland oder Schweden. Auf dem Titelbild der Aprilausgabe blickt eine brasilianische Schönheit mit kurzem Rock und wallenden Haaren forsch in die Kamera. Weiter hinten im Heft können sich die modebewussten Lettinnen dem Thema Karriereplanung widmen:

    Im April haben wir einen Artikel im Heft mit Tipps, wie man ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch führt. Wie man sich verhalten muss, was man sagen sollte. Wir berichten über ein internationales Traineeprogramm, mit dem man in der Welt herumkommt und haben Frauen interviewt, die da mitgemacht haben. Und hier auf der Seite gibt es Fragen und Antworten, zum Beispiel: Wie werde ich eine bessere Chefin.

    Um auch in Zukunft Chefin bleiben zu können, muss sich Stengrevica gegen die Konkurrenz durchsetzen. Acht Frauenmagazine erscheinen monatlich in Riga, zwei wöchentlich. Aus dem lettischen Verlagshaus Journal Santa kommen die Titel "Santa" und "IEVA". Letztere kostet mit umgerechnet 66 Cent etwas mehr als ein Viertel der Cosmopolitan und wird in einer Auflage von 71 000 Exemplaren pro Woche gedruckt.

    Daneben warten die beiden großen Tageszeitungen an den Kiosken auf Käufer. Marktführer ist die lettischsprachige Diena, die sich unabhängig liberal nennt. Sie bringt es auf eine Auflage von rund 60.000 Exemplaren. Ihr Verlagshaus, AS Diena, ist im Besitz lettischer Investoren und dem schwedische Verlagshaus Bonniers. Und nicht nur im Printbereich sind die Schweden aktiv. Auch der private Fernsehsender TV3 gehört zur einer schwedischen Mediengruppe. Die Modern Times Group strahlt ihr Programm darüber hinaus in die anderen baltischen Staaten ab. In Lettland durchaus erfolgreich: mit 16 Prozent Marktanteil landete der Privatsender auf dem zweiten Platz in der Zuschauergunst.

    Ob sich mit dem EU-Beitritt mehr europäische Anbieter auf den lettischen Markt wagen, bleibt abzuwarten. Bei der amerikanisch geprägten Cosmopolitan jedenfalls hat die bevorstehende Mitgliedschaft in der EU bisher keine Spuren hinterlassen, auch, wenn das Leben europäischer Frauen immer schon ein Vorbild für die Macherinnen in Riga war, erzählt Chefredakteurin Elina Stengrevica:

    Wir haben von Anfang an über das Leben westlicher Frauen geschrieben, in den USA oder in der EU. Da gibt es keine Unterschiede, denn die Probleme sind die gleichen für junge Frauen. In Lettland versuchen wir, unsere eigenen Ziele zu erreichen und nicht so hart wie unsere Mütter zu arbeiten. Wir haben mehr Selbstvertrauen, sehen nicht nur schwarz und weiß, sondern auch andere Farben.