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Neues Museum in Madrid
Ein Mini-Prado im Palacio de Liria

Die spanischen Herzöge von Alba haben künftig ein Museum im eigenen Haus. Mitten in Madrid steht der imposante neoklassizistische Palast, der Werke von Tizian, Velázquez, Rubens, Goya und El Greco aus Familienbesitz beherbergt. Jetzt dürfen auch Besucher die Privatsammlung bestaunen.

Von Gregor Ziolkowski | 22.09.2019
Die Fassade des Liria-Palasts (Palacio de Liria), entworfen von A. Guilbert und Ventura Rodriguez (1762-1783), in Madrid, Spanien
Die Fassade des Liria-Palasts (Palacio de Liria) in Madrid (imago / Gerhard Hagen / Bildarchiv Monheim)
Die Strategie ist Überwältigung. Egal, woran sich der Blick des Betrachters in einem der vierzehn überaus voll behängten und zusätzlich mit imposanten Möbeln und Dekorstücken gefüllten Säle des Palacio de Liria festsaugt, er wird auf einem Prachtstück landen. Die Gemälde und Wandteppiche sind das eine, aus Silber geschmiedete Teller, Dosen oder Zigarrenetuis oder feinste Porzellanminiaturen, die überall verteilt sind, bilden ebenso einen Blickfang. Der Gesamteindruck ist bei solcher Fülle und Üppigkeit beträchtlich.
Von außen wirkt das Gebäude wie ein üppig geratenes Stadtpalais. Zurückgesetzt von einer der lauten Hauptstraßen Madrids und überdies von einem Gartenpark geschützt, erweist es sich drinnen als ein kleines Schloss. Ab 1770 errichtet, ist es heute ein komplett rekonstruierter Bau.
"Der Palacio de Liria wurde während des Spanischen Bürgerkriegs angegriffen und dabei praktisch vollständig zerstört", erklärt Álvaro Romero, der künstlerische Direktor des Museums. "Der Wiederaufbau, es standen lediglich noch die Fassaden, begann 1948, wurde 1956 im Prinzip beendet, aber es dauerte bis in die 80er Jahre, dass der Bau wieder voll hergestellt war. Eine gewaltige Aufgabe, die ohne jegliche Hilfe des Staates geleistet wurde."
Kunst in Franco-Zeit gerettet
Es war im Übrigen die von Hitler an Franco "ausgeliehene" Legion Condor, die seinerzeit die Bombardements exekutierte. Die Kunst konnte durch rechtzeitige Auslagerung fast vollständig gerettet werden. Und so steht der Besucher heute in der größten und bedeutsamsten privaten Kunstsammlung Spaniens, angehäuft über rund fünf Jahrhunderte. Das Faszinierende dieser Sammlung besteht tatsächlich im Element des Privaten. Sie erzählt große Geschichte, durchaus streift sie deutsche Kulturgeschichte dabei, wie anhand zweier Porträts von Fernando Álvarez de Toledo y Pimentel, des dritten Herzogs von Alba, deutlich wird. Eines dieser Porträts ist - ganz nebenher - eine Tizian-Kopie von Rubens. Dazu Álvaro Romero, der künstlerische Direktor des Museums:
"Während wir links ein höfisches oder diplomatisches Porträt sehen, haben wir hier ein militärisches. Das ist eine der wesentlichen Facetten dieses Herzogs von Alba. Er hat fünfzig Jahre lang Karl V. und Philipp II. gedient und hatte hohe militärische Posten inne. Darum erscheint er hier in Rüstung, mit roter Schärpe und einem Marschallsstab. Er war der Statthalter Philipps II. der Niederlande in einem komplizierten Moment. Es gab diesen Aufstand, den er unterdrücken sollte, und er setzte eine überaus repressive Politik um. In Belgien war eine übliche Redewendung für Kinder: 'Schlaf jetzt, sonst kommt der Herzog von Alba.' Noch rund zweihundert Jahre später war der Stoff interessant für Goethe und Beethoven, die mit dem 'Egmont' die Enthauptung des gleichnamigen Grafen in Brüssel auf Befehl des Herzogs von Alba zum Thema machten."
Bilder ganz zuhause
Die Bilder und Objekte entfalten eine Strahlkraft und rufen geradezu nach ihrer Geschichte, etwas, das sie im nüchternen Umfeld "normaler" Museen nicht so leicht erreichen. Hier sind sie in gewisser Weise an ihrem Originalschauplatz zu betrachten, und man sieht Goyas berühmtes Gemälde von 1795, "Die Herzogin von Alba in Weiß", im Saal, in dem weitere Goyas hängen, mit anderen Augen. Auf einmal wirkt es viel plausibler, dass sie die langjährige Muse des Malers war.
Zum Museum gehört die in Funktion befindliche Bibliothek mit ihren rund 20.000 Bänden, darunter sind unschätzbar wertvolle Stücke wie die Erstausgabe des "Don Quijote", die erste handgeschriebene Bibel in spanischer Sprache, Handschriften von Christoph Kolumbus. Vielleicht ist es eine kühne Behauptung, aber dieses relativ kleine Museum dürfte zu einem Schwergewicht in der spanischen Kulturlandschaft avancieren.