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Facebook-Pläne sorgen für Skepsis

Nicht mehr nur ein Algorithmus soll künftig entscheiden, welche Inhalte User sehen können: Im neuen Angebot "Facebook News" stellen Journalisten Artikel ausgewählter Partner zusammen. So will der US-Konzern für mehr Meinungsvielfalt sorgen. Deutsche Medienmacher sehen das Vorhaben dennoch kritisch.

Von Annika Schneider | 28.10.2019
Ein Mann geht über einen leeren Bahnsteig, im Hintergrund Werbung von Facebook.
"Für jeden gibt es eine Facebook Gruppe" - so wirbt das US-Unternehmen aktuell für sich in Deutschland. (picture alliance/Andreas Arnold/dpa)
In Zukunft hat seriöser Journalismus in der Facebook-App einen eigenen Platz. Die Funktion "Facebook News" soll aktuelle Artikel übersichtlich bündeln. Jesper Doub verantwortet bei dem Konzern die Zusammenarbeit mit europäischen Verlegern. Er erklärte vergangene Woche, worum es bei dem neuen Angebot geht. "Dort wird es ausschließlich Newsangebote geben von Partnern, die sich ausweisen können als akkreditierte journalistische Organisationen. Wir wollen zwei Dinge damit adressieren: Einmal eine aktuelle News-Versorgung anzubieten, weil User das tatsächlich gerne wollen. Das Zweite ist, und das ist nicht minder wichtig: Ganz gezielt professionellen, verlässlichen Journalismus von allem anderen Content signifikant abzutrennen."
Unter Journalismus versteht Facebook lokale und überregionale Nachrichten, aber auch Magazintexte. Die Artikel würden anders sortiert, als Posts in der klassischen Timeline, stellte Doub klar. "Das ist ein anderer Algorithmus, weil er nach Aktualität sortiert und den Quellen, die entsprechend vorhanden sind, und nicht so sehr darauf, wie es der Newsfeed tut, was der User Nachfrage hat. Weil das ist das Element, das den Journalismus deutlich unterscheidet: Es geht eben nicht nur darum, was ein Leser, ein User gerne sehen würde, sondern es geht vor allem darum, was die Medienunternehmen denken, das solltet ihr wissen."
Testlauf in den USA
Facebook reagiert darauf, dass viele Nutzer vor allem Beiträge sehen, die mit ihren politischen Ansichten übereinstimmen – und kaum noch alternativen Deutungsmustern begegnen. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, setzt der Konzern auch auf ein Journalistenteam. Es soll täglich relevante Themen nach festgelegten Kriterien auswählen – und das redaktionell unabhängig.
Noch befindet sich Facebook News im Testlauf: Seit Freitag können erste US-Nutzer das Feature sehen. Ob und wann die Funktion nach Deutschland kommt, ist unklar. Wenn das Tool gut funktioniere, sei man auch anderen Märkten gegenüber offen, sagte Jesper Doub.
USA, San Jose: Der Vorstandsvorsitzende von Facebook, Mark Zuckerberg, spricht auf der Entwicklerkonferenz F8 im McEnery Convention Center. 
Facebook-Chef Mark Zuckerberg: "Facebook News" soll Medienberichten zufolge durch die New York Times, das Wall Street Journal, die Washington Post, BuzzFeed, Breitbart und andere Medien gespeist werden. (Andrej Sokolow/dpa)
Warnung vor wachsender Abhängigkeit
Aber sind die deutschen Medien auch offen für Facebook News? Sie müssten schließlich ihre Inhalte bereitstellen. Marco Fenske ist Chefredakteur des Redaktionsnetzwerks Deutschlands, das Inhalte für 62 Zeitungen liefert. Er sieht den jüngsten Vorstoß von Mark Zuckerberg kritisch. "Facebook möchte zunehmend darüber entscheiden, wo und wie Leser journalistische Angebote präsentiert bekommen. Das sehen wir natürlich sehr, sehr skeptisch. Denn durch diese Monopolstellung, die dadurch entsteht, wird der Wettbewerb systematisch ausgeschaltet und dadurch wird am Ende die journalistische Vielfalt reduziert."
Schon jetzt seien die Verlage von Facebook abhängig, wenn sie mit ihren Inhalten im Netz präsent sein wollten – und das US-Unternehmen wolle diese Abhängigkeit immer weiter ausbauen. "Aber wir Verlage und wir Medien müssen natürlich schauen, dass wir unsere Produkte dort verteidigen und uns eben nicht komplett in die Fänge von Facebook begeben. Denn wenn Marc Zuckerberg dann mal wieder eine Algorithmus-Umstellung plant, dann spürt man das direkt."
Kritik wegen Zusammenarbeit mit Breitbart
Die Verlage haben damit schlechte Erfahrungen gemacht: Letztes Jahr hatte Zuckerberg angekündigt, privaten Inhalten auf der Timeline mehr Platz einzuräumen als professionellen. So gesehen scheint "Facebook News" ein Friedensangebot zu sein. Einzelne US-Medienhäuser bekommen von Facebook sogar mehrere Millionen Dollar, damit sie ihre Inhalte bereitstellen, zum Beispiel die "Washington Post". Conrad Albert, stellvertretender Vorstandsvorsitzender bei ProSieben.Sat1, ist trotzdem skeptisch.
"Natürlich müsste sich dann auch die Rolle von Facebook zu einem Medienunternehmen oder zu einem echten Medium ändern – mit all den Konsequenzen, die damit zusammenhängen. Angefangen damit, dass sich dann auch eine Plattform wie Facebook an all die Regularien, die Medienregulierung, die Gesetze, die Beschränkungen auch in der Monetarisierung zu halten hätte, die für klassische Medien gelten."
Facebook ist nicht das einzige Unternehmen im Silicon Valley, das Journalismus finanziell unterstützt. Google fördert journalistische Projekte schon länger mit Millionen. Viele deutsche Verleger haben diese Subventionen gerne angenommen. Sollte Mark Zuckerberg auch in Deutschland Geld in die Hand nehmen, um Inhalte für Facebook News zu lizenzieren, könnte so manches Medienhaus es auf einen Versuch ankommen lassen. In den USA erntete Mark Zuckerberg am Wochenende hingegen heftige Kritik: Grund war die Entscheidung, auch das ultrarechte Newsportal Breitbart als Quelle für Facebook News aufzunehmen.