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Neues Polizeigesetz in Russland

Korrupt, gewalttätig oder faul, der Ruf der russischen Miliz ist schlecht, das weiß auch der Kreml. Ein neues Polizeigesetz soll nun das Image der Truppe verbessern.

Von Robert Baag |
    Geht es strikt nach den Buchstaben des neuen, seit heute 0:00 Uhr geltenden Polizeigesetzes, müssten solche Szenen künftig der Vergangenheit angehören: Ein Demonstrant im Schwitzkasten, die Arme auf den Rücken verdreht, ruft beharrlich und verzweifelt: "Nennen Sie mir Ihren Namen, bitte, nennen Sie Ihren Namen." Grinsendes Schweigen der bulligen OMON-Sondermilizionäre. - "Ganz schlecht", würde jetzt wohl Zhanna Ominina sagen, Oberst¬leutnant und Ausbilderin bei der OMON, die ab jetzt OPON heißt, also: "Polizei-Abteilung für besondere Aufgaben" und nicht mehr "Miliz-Abteilung für besondere Aufgaben". Schließlich, lächelt Ominina freundlich in die Fernsehka¬meras, gelte jetzt: Immer anzugeben seien Funktion, Dienstgrad und Nachname. Und wenn der Bürger es wünsche, müsse man sich ausweisen - denn, so betont Ominina, beim Dienstausweis handele es nicht um ein Geheimdokument.

    Ob TV-Schauveranstaltungen wie diese ausreichen werden, das weitverbreitete Negativimage der jetzt ehemaligen "Ge¬nossen Milizionäre" zu ändern und aus ihnen respektierte "Damen und Herren Polizisten" zu machen? - Selbst dieser ausgiebig diskutierte Namenswechsel stößt vor allem bei älteren Russen bestenfalls auf ein ironisches Lächeln. "Policaj" nannten sich nämlich während der deutschen Be¬satzung im Zweiten Weltkrieg ausgerechnet jene Kollabora¬teure, die mit der Feldgendarmerie, der SS und der Gestapo zusammengearbeitet, viele ihrer russischen Landsleute an sie verraten und ausgeliefert hatten.

    Die Riesenzahl der rund 1,4 Millionen Polizisten soll bis zum nächsten Jahr um 20 Prozent abnehmen. Hauptkritikpunkt ist vor allem der Op¬position und der Menschenrechtler, aber bleibt, dass sich trotz aller von Präsident Medvedev vollmundig verkündeten Reformversprechen an der Struktur und damit auch an der immer wieder kritisierten Korruptionsanfälligkeit der rus¬sischen Sicherheitsorgane nichts geändert habe, ihr sogar noch mehr Befugnisse zugestanden worden seien.

    Eine öf¬fentliche Kontrolle des Polizeiapparates - davon ist auch weiterhin keine Rede. Boris Nemcov, prominenter Opposi¬tionspolitiker und im Dauerclinch mit dem Führungstandem Putin/Medvedev ahnt deshalb im Sender "Echo Moskvy" für die Wahljahre 2011 und ’12 schon voraus:

    "Die Miliz wird weiter Demonstrationen und Treffen der Re¬gierungsgegner auseinanderjagen, wird im Fremdauftrag Fir¬men besetzen, wird kriminelles Business, Prostitution und Drogenhandel decken. Wenn es weniger Polizisten geben sollte, na gut: Dann wird’s auch weniger Erpressungsversu¬che durch sie geben, weniger Willkür. Die Kriminalitäts¬rate wird dadurch jedenfalls nicht ansteigen."

    94 Jahre alt ist sie geworden - die Miliz, gegründet 1917, sofort nach dem Oktober-Umsturz von Lenins Bolsheviki. Doch schon in der Sowjetunion hatten die Milizionäre ein Problem mit ihrem Ruf, wurden unzählige Witze auf ihre Kosten gerissen, sodass sich das damalige Staatsfernsehen bemüßigt sah, die Comicfigur des gutmütigen Milizionärs "Onkel Stjopa" zu erfinden - bei einer Episode gab es da¬bei fast schon subversiven Humor:

    "Haben Sie denn wirklich keine bessere Arbeit finden kön¬nen?", fragt vorwitzig in dem Zeichentrickfilm ein kleines blondes Mädchen. Darauf Onkel Stjopa gravitätisch und mit erhobenem Zeigefinger:

    "Lasst mich euch ein Geheimnis verraten: Ich diene in der Miliz, weil ich diese Betäti¬gung sehr wichtig finde!"

    Amok laufende, brutal folternde, im Dienst betrunkene, psychisch instabile, korrupte Milizionäre: Viele Russen sagen schon lange, sie hätten inzwischen mehr Angst vor ihren so genannten Ordnungshütern als vor den Kriminellen.

    "Unser Dienst ist schwer und gefährlich", schmalzt rührse¬lig ein der Miliz gewidmetes Lied, wohl auch aus den Sieb¬zigern. Der ungerührte Kommentar der jungen Reporterin aus dem Off:

    "Seit heute Mitternacht gibt es keine Miliz mehr. Doch nicht alle sind bereit, daran zu glauben. Es könnte sein wie bei ihrem Vater: Uljanov - Lenin. Der hatte sich auch mal einen neuen Namen zugelegt - und ist so lebendig wie eh und je!"