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Neues Schulfach
Sachsens Gymnasiasten für die Berufswahl fitmachen

In Sachsen lernen Schüler auch an Gymnasien seit diesem Schuljahr, wie sie ihre Berufswahl treffen können. "Wege ins Berufsleben" heißt das Schulfach, das an acht sächsischen Gymnasien eingeführt wurde. Lehrer sehen eine große Chance, die Schüler zu stärken und selbstbewusster zu machen.

Von Bastian Brandau | 25.01.2018
    Blick in ein Klassenzimmer in Cottbus, Schüler sitzen an Tischen
    Blick in ein Klassenzimmer: An acht Gymnasien in Sachsen kann das Schulfach "Wege ins Berufsleben" gewählt werden. (dpa / Patrick Pleuel)
    "Und da würde ich heute gern in die Arbeitsgruppen gehen, es müssten sich erstmal Arbeitsgruppen bilden, und dann geht es darum, dass das Portfolio letztlich für jeden einzelnen eine Relevanz haben soll."
    Fünfte Stunde am Pestalozzi-Gymnasium in Heidenau. In einem Raum im ersten Stock - helle Wandfarben, der Blick geht auf die Hauptstraße - begrüßt Marion Szymanski die Kursteilnehmer des Fachs "Wege ins Berufsleben", kurz WIB. Elf sind es in diesem Kurs, es gibt noch einen weiteren, insgesamt hat rund ein Drittel des 11. Jahrgangs in Heidenau das neue Fach gewählt. Erst kürzlich waren einige von ihnen auf einer Berufsmesse in Dresden, nun geht es um die Frage, wie sie Ergebnisse der zwei Unterrichtsjahre WIB in einem Portfolio festhalten können.
    "Wie schätzt denn ihr das im Moment eigentlich ein, wenn wir mal schauen, 11-1 ist jetzt fast durch. Wie gut könnt ihr mittlerweile dieses erste halbe Jahr für Euch reflektieren?"
    Viele Freiheiten bei der Unterrichtsgestaltung
    Einige zeigen sich auf. Offen berichten die Schüler von ihrer Selbstwahrnehmung als Vorstufe zur Berufswahl und auch wie ihr Umfeld sie erlebt. Einer ist zufrieden, es sei besser gelaufen als gedacht. Er hat für sich festgestellt, dass er vor allem ein Motivationsproblem habe. Eine Schülerin berichtet, sie sei erstaunt, dass ihre Mutter finde, sie mache zu viel für die Schule. Sie selbst habe eher das Gegenteil empfunden, gönnt sich jetzt aber mehr Freizeit.
    Auch für Lehrerin Szymanski ist es das erste Schulhalbjahr, das Heidenauer Gymnasium ist eines von nur acht in Sachsen, an denen WIB auf dem Stundenplan steht. Es gibt einen Lehrplan und regelmäßige Fortbildungen, sie habe aber bei der Ausgestaltung des Unterrichts viele Freiheiten, sagt Deutschlehrerin Szymanski, die in Heidenau auch Beratungslehrerin ist. Neben Informationen zu Ausbildung und Studium waren Selbstreflektion, Eigen- und Fremdwahrnehmung als Vorbereitung auf die spätere Berufswahl Inhalte in den ersten sechs Monaten. Ebenso die Frage, welche Einflüsse die Berufswahl bestimmen.
    "Und da denke ich, liegt eine große Chance, dass man die jungen Leute stärken kann, dass man sie auch richtig selbstbewusster machen kann. Dass sie den Außeneinflüssen auch ein Stückweit trotzen. Und dass sie dann Argumente haben, weil sie dann auch beweisen können, dass sie sich intensiv mit sich beschäftigt haben. Da sind große Chancen gegeben."
    Zu wenig Einschätzung von Eltern und Mitschülern
    Chancen für Gymnasiasten, sich intensiv mit der Berufswahl auseinanderzusetzen, wie es in Sachsen bisher vor allem an Oberschulen der Fall war. Deswegen habe er WIB gewählt, sagt Schüler Enrico Meine, der sich für Informatik als duales Studium interessiert. Er findet, dass WIB auch ein Pflichtfach sein könnte.
    "Das Berufsleben war mir vorher ein bisschen verschlossen. Und jetzt ist meine Erkenntnis, dass es viele Dinge gibt, die man machen kann. Man muss halt die Chancen nutzen, zu den Leuten gehen, sich irgendwo für ein Praktikum bewerben, sowas."
    Ein riesiger Prozess sei es, den richtigen Beruf zu finden, sagt Mitschülerin Frieda Scherber, die Lehramt studieren möchte. Ein Prozess, der auch benotet wird: "Ich finde das sehr wichtig, dass das benotet wird, weil manche schätzen sich zu wenig ein. Die können ihre eigene Persönlichkeit nicht nachvollziehen. Sie haben zu wenig Einschätzung auch von ihren Eltern oder anderen Mitschülern. Es ist halt sehr abhängig von der Lebenssituation. Und da finde ich es sehr wichtig, dass sie auch mal einen Anstoß bekommen."
    Am besten keine Noten vergeben
    Lehrerin Marion Szymanski hingegen fände es am besten, wenn sie keine Noten vergeben müsste: "Wenn ich mich mit mir selber auseinandersetze und meiner Zukunftsperspektive, dann möchte ich das vielleicht auch nicht immer an eine Bewertung binden. Also ich könnte mir vorstellen, dass man da noch tatsächlich viel freier arbeiten kann, nicht immer mit diesem 'da steckt jetzt eine Note dahinter.'"
    Als Mappe, Präsentation oder als Blog: Bei der Präsentation der Portfolios zeigen sich die unterschiedlichen Arbeitsweisen, Ansätze und Ideen der Schülerinnen und Schüler. Ein Trend zu einem Fach oder einer Berufswahl habe sich im ersten Halbjahr nicht ergeben, sagen sowohl die Jugendlichen als auch Lehrerin Szymanski. Eher einer zu einer Lebensentscheidung: Nach dem Abi erstmal ein Jahr im Ausland zu verbringen.