Es gibt immer zwei Arten von Menschen: die Normalen und die Unnormalen. Je abweichender einer von der Norm ist, desto interessanter wird er für die Normalen. Je monströser, desto mehr Schauobjekt. Alle Plätze im Münchner "Metropoltheater" sind besetzt. Erwartungsvoll blickt die Menschenmasse auf die Bühne, wohin gleich der Besitzer der "Freakshow" aus ihren Reihen springen und wie ein Zirkusdirektor agieren wird. Das verspricht Sensationelles, auch wenn vom "Elefantenmenschen" bei seiner marktschreierischen Ankündigung noch nichts zu sehen ist. Hereinspaziert!
(Die wahre Geschichte aus dem viktorianischen England zu Ende des 19.Jahrhunderts ist bekannt und hat nicht zuletzt durch die 1980 preisgekrönte Verfilmung von David Lynch für wiederholten
Diskussionsstoff gesorgt: Wie geht die Gesellschaft mit ihresgleichen um, die nicht der Norm entsprechen?) Der Chirurg und Anatomiedozent Frederick Treves entdeckt auf dem Jahrmarkt in London den durch eine seltene Krankheit grausam entstellten John Merrick, kauft ihn frei und nimmt ihn mit in sein Hospital, wo er jedoch - nun im Ambiente von Wissenschaft und High Society - genauso Objekt der Begierde wird. Die Neugier wird angeheizt durch Zeitungsberichte, und das Mitleid entblößt sich als Arroganz der Makellosen gegenüber dem Makel.
So nah dran saß man im "Metropoltheater" noch nie an der Gosse. Mit der Fußspitze kann man in der ersten Reihe den Gulli berühren, in den das dreckige Badewasser des Elefantenmenschen gegossen wird, das ihn der "guten" oder wenigstens modisch gekleideten, gut riechenden und mit akkuraten Umgangsformen ausgestatteten Gesellschaft nahe bringen soll. Wunderbar "normal" spielt Konstantin Moreth das "Monster", das mit seiner menschlichen Würde so gar nicht in das Konzept der anderen passt. Unauffällig vollzieht er die äußere Wandlung von der verhängten, amorphen, grauen Filz-Masse über den blubbernden Nackten mit der schrecklichen Maske zum dem endlich sich offenbarenden, eigenen Gesicht, in dem der Mund verzerrt und die Stimme verquält klingt. Wie doppeldeutig das alles gemeint und von Regisseur Gil Mehmert inszeniert ist, zeigt sich besonders in den Dialogen zwischen dem "Elefantenmenschen" und der von ihm verehrten Schauspielerin Mrs. Kendal.
Regisseur Gil Mehmert, der mit seiner Theaterversion des Kaurimääki-Films "I hired a Contract Killer" einen spektakulären Erfolg verzeichnen konnte, versucht beim "Elefantenmenschen" wiederum, in einer Mischung aus leiser Poesie und musikalisch berstender Spielfreude die innere Verlorenheit der Protagonisten und die Zerrissenheit der bürgerlichen Gesellschaft auszuloten.
Tatsächlich bleibt er mit dieser Inszenierung an einem Fallbeispiel. Es gibt auch hier – originelle Einfälle und manch berührende Momente, aber: Noch soviel Doppeldeutigkeit in den Dialogen, der Schauplätze auf der doppelten Bühnenkulisse, der derben Balladen und Zirkussongs der "Tiger Lillis", der Kostüme kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regie sich zu sehr in der Zeit von 1890 aufgehalten hat, statt sich hineinzuspielen ins Hier und Jetzt. Zum "Thema abhaken" ist kein Anlass.
(Die wahre Geschichte aus dem viktorianischen England zu Ende des 19.Jahrhunderts ist bekannt und hat nicht zuletzt durch die 1980 preisgekrönte Verfilmung von David Lynch für wiederholten
Diskussionsstoff gesorgt: Wie geht die Gesellschaft mit ihresgleichen um, die nicht der Norm entsprechen?) Der Chirurg und Anatomiedozent Frederick Treves entdeckt auf dem Jahrmarkt in London den durch eine seltene Krankheit grausam entstellten John Merrick, kauft ihn frei und nimmt ihn mit in sein Hospital, wo er jedoch - nun im Ambiente von Wissenschaft und High Society - genauso Objekt der Begierde wird. Die Neugier wird angeheizt durch Zeitungsberichte, und das Mitleid entblößt sich als Arroganz der Makellosen gegenüber dem Makel.
So nah dran saß man im "Metropoltheater" noch nie an der Gosse. Mit der Fußspitze kann man in der ersten Reihe den Gulli berühren, in den das dreckige Badewasser des Elefantenmenschen gegossen wird, das ihn der "guten" oder wenigstens modisch gekleideten, gut riechenden und mit akkuraten Umgangsformen ausgestatteten Gesellschaft nahe bringen soll. Wunderbar "normal" spielt Konstantin Moreth das "Monster", das mit seiner menschlichen Würde so gar nicht in das Konzept der anderen passt. Unauffällig vollzieht er die äußere Wandlung von der verhängten, amorphen, grauen Filz-Masse über den blubbernden Nackten mit der schrecklichen Maske zum dem endlich sich offenbarenden, eigenen Gesicht, in dem der Mund verzerrt und die Stimme verquält klingt. Wie doppeldeutig das alles gemeint und von Regisseur Gil Mehmert inszeniert ist, zeigt sich besonders in den Dialogen zwischen dem "Elefantenmenschen" und der von ihm verehrten Schauspielerin Mrs. Kendal.
Regisseur Gil Mehmert, der mit seiner Theaterversion des Kaurimääki-Films "I hired a Contract Killer" einen spektakulären Erfolg verzeichnen konnte, versucht beim "Elefantenmenschen" wiederum, in einer Mischung aus leiser Poesie und musikalisch berstender Spielfreude die innere Verlorenheit der Protagonisten und die Zerrissenheit der bürgerlichen Gesellschaft auszuloten.
Tatsächlich bleibt er mit dieser Inszenierung an einem Fallbeispiel. Es gibt auch hier – originelle Einfälle und manch berührende Momente, aber: Noch soviel Doppeldeutigkeit in den Dialogen, der Schauplätze auf der doppelten Bühnenkulisse, der derben Balladen und Zirkussongs der "Tiger Lillis", der Kostüme kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regie sich zu sehr in der Zeit von 1890 aufgehalten hat, statt sich hineinzuspielen ins Hier und Jetzt. Zum "Thema abhaken" ist kein Anlass.