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Neues vom Ozonloch

Umwelt. - Jeder Spielplatz in Australien und Neuseeland ist mit großen Sonnen-Segeln abgeschirmt und zu jeder Schuluniform gehört der obligatorische Sonnenhut dazu. Denn beide Länder sind besonders stark betroffen von dem Ozonloch über der Antarktis. Heute stellten Forscher auf der Generalversammlung der Europäischen Geowissenschaften in Wien einen neuen Zustandsbericht zu eben jenem Ozonloch vor.

Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Monika Seynsche | 20.04.2009
    Monika Seynsche: Wie geht es denn dem Ozonloch?

    Dagmar Röhrlich: Es mag sich ironisch anhören, aber die gute Nachricht ist, dass es der Ozonschicht nicht schlechter geht als vor 10 Jahren, so jedenfalls wurde es heute verkündet.

    Seynsche: Wie entsteht denn überhaupt so ein Ozonloch?

    Röhrlich: Die Voraussetzungen dafür werden in der Winternacht gelegt, wenn ein halbes Jahr über dem Südpol keine Sonne scheint. Dann wird es dort extrem kalt und es entsteht ein sehr kalter Luftwirbel, der wie eine Glocke über dem Südpol liegt und ihn sozusagen gegenüber dem Rest der Welt abschottet. Wenn in dieser Glocke hoch oben in der Stratosphäre dann die Temperaturen unter minus 78 Grad Celsius fallen, dann beginnen zunächst einmal dort oben stratosphärische Eiswolken zu entstehen. Und an deren Oberfläche laufen dann ziemlich unheilvolle Reaktionen ab, die dazu führen, dass das Chlor und das Brom, das sich von den Fluorchlorkohlenwasserstoffen und anderen Stoffen, die wir Menschen herstellen, zu aggressiven Substanzen mutieren kann. Noch passiert aber nichts, sondern wenn dann im antarktischen Frühling die Sonne wieder gerade über den Horizont kommt, dann geht es los, dann beginnt ein rapider Abbau des Ozons. Innerhalb von einem Monat ist das Ozon verschwunden. Man hat jetzt gemerkt, dass dieser Abbau nicht immer nach dem gleichen Muster abläuft, sondern dass es große Schwankungen gibt. Aber das Ergebnis ist eigentlich fast immer dasselbe, nach kurzer Zeit ist das ganze Ozon weg aus der Ozonschicht.

    Seynsche: Im Jahr 2002 hieß es ja schon einmal, das Ozonloch würde sich jetzt immer schneller schließen und wäre bald kein großes Problem mehr. Dann wurde es plötzlich wieder sehr still darum und jetzt scheint es das immer noch zu geben. Warum ist das so ein großes Problem?

    Röhrlich: Weil die Stratosphäre kein Monolith ist, auch nicht über der Antarktis. Es gibt dort immer Schwankungen, ein Winter ist wärmer, ein Winter ist kälter. Und 2002 war so, dass es dort extrem warm war, und dadurch zerbrach das Ozonloch sozusagen in zwei Teile und löste sich sehr schnell auf. Das schien so zu sein, als hätte man das Schlimmste hinter sich, aber im nächsten Jahr war eigentlich alles wieder beim alten. Und 2006 war beispielsweise das tiefste Ozonloch aller Zeiten, so schnell haben wir das Ozon dort oben in der Stratosphäre über dem Südpol noch nie verloren. Wenn man das auf einer Skala von null bis 10 einstuft, dann waren wir da bei 10. Und die anderen Ozonlöcher seitdem waren bei neun. Es ist also nicht wirklich besser geworden, sondern hatte nur ein Jahr ungewöhnliche Verhältnisse.

    Seynsche: Haben denn die Forscher heute neue Prognosen geäußert, wann das Ozonloch sich wirklich wieder schließen könnte?

    Röhrlich: Wenn es jetzt so ist, dass der Winter in der Antarktis immer gleich kalt bleibt und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe nicht auf magische Art aus der Atmosphäre verschwinden, dann gehen sie davon aus, dass so ab 2025 das Schlimmste überstanden ist und es dem Patienten Ozonschicht über der Antarktis wieder besser geht. Dann sinkt die Zerstörungrate, weil man merkt, dass weniger von den bösen Radikalen in der Luft ist. Man rechnet damit, dass so etwa um 2065 wieder Werte erreicht sein werden, wie sie 1980 waren. Damals wurde die Ozonschicht zwar schon abgebaut, aber es entstand noch kein Ozonloch, sprich, dann hat man wieder einen Zustand erreicht, der sozusagen erträglich ist.

    Seynsche: Wirkt sich dieses Ozonloch eigentlich, ob offen oder geschlossen, auf den Eispanzer darunter aus?

    Röhrlich: Dazu gibt es jetzt Vermutungen, und zwar ist Ozon ja auch ein Treibhausgas, das die Stratosphäre aufheizt. Wenn es jetzt über ein paar Wochen im Jahr, denn es dauert relativ lange, ehe das Ozonloch, wenn sich erst einmal gebildet hat, wieder gefüllt worden ist, wenn es über diese Zeit fehlt als Treibhausgas, dann wird die Stratosphäre natürlich kälter als sie normalerweise ist. Das wird in dem Moment, wo wir das Ozonloch heilen, anders sein. Die Forscher gehen davon aus, dass die Abkühlung, die wir derzeit haben, dass die bei minus 9 Grad Celsius liegt. Und wenn das Ozonloch gefüllt ist, haben wir diese Abkühlung von minus 9 Grad nicht mehr und dann soll die Luft sich erwärmen und dadurch Luftströmungen sich ändern. Der Wind wird sich ändern, und man denkt, dass dann in der Antarktis wärmere Luft leichter vordringen kann. Das stellt man sich dann so vor, wie es heute auf der antarktischen Halbinsel ist. Die ragt so ein bisschen wie ein Anhängsel aus dem polaren Wirbel heraus. Dort wird es sehr schnell wärmer, über der Antarktis stellt man nur eine sehr leichte Erwärmung fest. Und man vermutet, dass dann die schnellere Erwärmung die gesamte Antarktis erfasst und das wäre natürlich sehr schlecht für den Meeresspiegel, denn dann werden die Gletscher schneller schmelzen als gedacht. Und diese Effekte müsste man unter Umständen in Simulationsberechnungen zum Anstieg der Meeresspiegel einarbeiten. Zurzeit sind sie noch nicht enthalten.