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Neues von der Bläschen-Fusion

Physik. – Die Kernfusion im Wasserglas oder auch auf dem Labortisch ist ein heiß umstrittenes Thema in der Physik. Nun sind erneut experimentelle Ergebnisse veröffentlicht worden, die zeigen, dass die Kernfusion auch im viel kleineren Maßstab funktionieren könnte.

15.07.2005
    Wenn sich eine Schiffsschraube im Wasser dreht, kann lokaler Unterdruck zur Bildung von Dampfblasen führen. Wenn diese an der Oberfläche des Metalls implodieren, entstehen derart hohe Temperaturen und Drücke, dass das Metall beschädigt werden kann. Dieses Phänomen ist als Kavitation bekannt. 2002 behauptete erstmals ein internationales Team, durch Kavitation Kernfusion in einem Behälter mit flüssigem Aceton herbeiführen zu können. Die Behauptung führte zu einer bis heute anhaltenden wissenschaftlichen Kontroverse. Nun sind die Ergebnisse durch Yiban Xu und Adam Butt von der amerikanischen Purdue-Universität erstmals unabhängig bestätigt worden. Wie im zu überprüfenden Experiment wird die Kavitation durch Ultraschall herbeigeführt. Xu berichtet:

    "Theoretisch kann man in unserer Flüssigkeit nicht so leicht Bläschen erzeugen. Deswegen beschießen wir sie zusätzlich mit Neutronen, die die molekularen Bindungen sprengen. Die Gasbläschen, die wir derart erzeugen, wachsen enorm an und nehmen dadurch Energie auf. Wenn sie wieder implodieren, wird diese Energie wieder freigesetzt und erzeugt hohe Drücke und Temperaturen. Wenn man dann die richtigen Atome in den Bläschen hat, kann es dabei zur Kernfusion kommen, in unserem Fall zur Verschmelzung von Deuteriumatomen."

    Bislang wird mit großem Aufwand versucht, Kernfusion in riesigen Experimentalreaktoren herbeizuführen. Es wäre also eine ziemliche Sensation, wenn es auch in einem kleinen Tischexperiment ginge. Wer entsprechende Ergebnisse publiziert, sollte sich seiner Sache also sehr sicher sein. Im Experiment ist Deuterium verwendet worden, also schwerer Wasserstoff mit einem Neutron im Kern. Nur für den Fall, dass solche Deuteriumatome tatsächlich verschmelzen, werden Neutronen frei und es entsteht Tritium. Xu und Butt messen diese Fusionsprodukte. Da sie Neutronen allerdings auch zur Einleitung der Kavitation benutzen, war hier große Sorgfalt beim Messen geboten. Xu:

    "Wir haben dem mit einem Kontrollexperiment Rechnung getragen. Dabei haben wir alle Aufbauten und Bedingungen beibehalten und nur das mit Deuterium versetzte Aceton durch normales ersetzt. Dann haben wir Messergebnisse jeweils mit und ohne Kavitation aufgezeichnet. Die Differenz ist dann die Anzahl der Neutronen, die durch die Kavitation der Flüssigkeit entstanden sein müssen. Eine Zunahme von Neutronen während des Prozesses haben wir nur bei deuteriertem Aceton gemessen. Wenn die detektierten Neutronen von der Neutronenquelle stammen würden, hätten wir sie auch bei normalem Aceton gemessen. Statistisch sind wir zu 99,99 Prozent sicher, dass es wirklich zur Kernfusion gekommen ist."

    Die jungen Physiker - Xus Kollege Butt arbeitet gerade an seiner Master-Arbeit - haben ihre Ergebnisse im Journal "Nuclear Engineering and Design" veröffentlicht. Dessen Chefredakteur Professor Günther Lohnert leitet das Institut für Kernenergetik und Energiesysteme an der Universität Stuttgart. Er hat die Veröffentlichung begutachtet und kommt zu einem eindeutigen Schluss:

    "Ja, mit diesem Experiment ist die Fusion bewiesen. Das heißt, zum ersten Mal, ich würde sagen, in der Geschichte der Menschheit, hat man mit einem simplen mechanistischen Energiemechanismus gezeigt, dass man Temperaturen kriegen kann, die, sagen wir mal, weit über die Millionen Grad liegen können - oder liegen müssen!"

    Stellt sich die Frage, ob die Bläschen-Fusion auch zur Energiegewinnung verwendet werden kann. Lohnert will dieses genau wie seine amerikanischen Kollegen keineswegs ausschließen. Er möchte jedoch nicht, dass die Bläschen-Fusion in Konkurrenz zum zukünftigen Fusionsreaktor ITER tritt:

    "Das ist ein ganz anderes Thema. Wenn man nichts macht, wird man nichts finden. Aber es gibt offensichtlich einen Bedarf in der Physik, diese Sachen ein bisschen näher unter die Lupe zu nehmen und da eben auch Geld reinzustecken, um einfach die Physik besser zu verstehen."

    Lohnert jedenfalls will das Experiment nun auch an seinem Institut durchführen:

    "Und jetzt genau diesen Versuch, ich würde mal sagen, eins zu eins abzukupfern, aufzubauen wird nicht sehr viel Geld kosten - und das ist gerade die Sensation - und hoffentlich werden wir dann die gleichen Sachen rauskriegen."