Thomas Voigt: Das wage ich zu bezweifeln. Es ist sicherlich ein stärkeres Problem für die Pop-Musik geworden. Für die Klassik spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Wir beschäftigen uns ja vor allem mit klassischer Musik. Da haben wir eben auch das Phänomen, dass Klassik im öffentlichen Bewusstsein immer weniger eine Rolle spielt. Das fängt mit dem Musikunterricht an. Das hört mit der Platzierung von Sendungen auf. Man brauchte sich nur das diesjährige Weihnachtsprogramm anzugucken. Dann wusste man, wo die klassische Musik eigentlich ist. Das dritte Problem ist die zunehmende Ignoranz von Leuten, die Führungspositionen in der Klassikbranche bekleiden und die eigentlich vielleicht vom Marketing kommen und Wirtschaftsleute sind, aber wenig Ahnung von den Inhalten haben.
Schossig: Da müssten wir gleich noch mal drüber sprechen. Aber kommen wir zunächst noch mal zum Kopierschutz. Da müsste sich ja rechtlich etwas bewegen.
Voigt: Die sollte so sein, vor allem, was das Internet betrifft. Was das Privatkopieren von CDs über den eigenen Computer und Brenner betrifft, stellt sich die Frage, wie Sie das kontrollieren wollen. Da hat jeder ein Recht, sich Privatkopien zu machen. Aber das massenhafte Kopieren von Internetdaten ist sicherlich reformbedürftig.
Schossig: Denken wir noch weiter darüber nach, was die Gründe für den Absatzrückgang sind. Nun hat sich die nicht mehr ganz neue CD ja mittlerweile auch als ein qualitativ sehr gutes und auch langlebiges Speichermedium erwiesen. Das konnte man vor 20 oder 25 Jahren ja noch gar nicht wissen. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass nicht mehr so viel gekauft wird. Oder ist da kein Grund?
Voigt: Sicherlich, irgendwann ist die LP-Sammlung ersetzt. All diese knisternden Vinyl-Scheiben hat man dann, wenn man Glück hat, in einer guten CD-Remastering-Form und muss sich dann nicht mehr um die Zukunft kümmern. Manche CDs halten auch nicht länger als 20 Jahre. Ich habe auch welche zu Hause, die spielen nicht mehr. Aber die Langlebigkeit spielt sicherlich mit hinein.
Schossig: Ein weiteres, eher hilflos klingendes Argument der Klassik-Musik-Produzenten: Die Jugend interessiere sich nicht mehr für Beethoven, Bach oder Brahms. Ist da was dran?
Voigt: Ja, die interessiert sich eigentlich viel mehr als zu meinen Zeiten, nur es ist gemischter. Als ich 15 oder 16 war, war man als Klassikliebhaber ein Outsider. Das ist ganz klar. Da war man ganz außen vor. Während sich heute ein 15jähriger vielleicht neben Pop- und Rockplatten auch mal eine Callas oder einen Karajan in das Regal und hat da Freude dran. Das ist eine ganz andere Selbstverständlichkeit, mit der heute CDs gekauft werden. Man ist nicht mehr so ein Untervogel. Die ganz reinen Klassikfreaks, die nehmen in der Anzahl ab. Die Mischungen, die es heute mehr gibt, führen auch dazu, dass es nicht mehr so eine starke Neugier gibt, jetzt aus allen Bereichen alles zu hören oder von einem Lieblingsstück sämtliche 20 Aufnahmen, die es auf dem Markt gibt, zu kaufen. Diese Verrücktheit hat abgenommen, aber das Interesse nicht.
Schossig: Deutschland gehört immer noch zu den am stärksten entwickeltsten breiten Musikkulturländern. Im Mainstream-Medium Fernsehen bildet sich das überhaupt nicht mehr ab. Da wird hohe Musik, Oper, Konzert in 3Sat, in Arte abgedrängt. Liegt in dieser Entwicklung vielleicht auch eine der Ursachen für die angebliche Klassikkrise.
Voigt: Ich bin mir da ganz sicher. Denn wie soll jemand, der noch nie von klassischer Musik gehört hat, damit konfrontiert werden, wenn nicht in der Schule, im Elternhaus, wo ja gar keine Hausmusik mehr gemacht wird, und nicht mehr im Fernsehen. Wo soll er das denn mitbekommen? Weihnachten liefen Opern um 3 Uhr nachts. Wer, außer mir und ein paar wenigen anderen, schaut sich das an?
Schossig: Also da müssen sich die Musikmanager etwas anderes einfallen lassen. Warum tun sie das nicht?
Voigt: Das ist eine Art der Gettoisierung, die wirklich auch zum Out der klassischen Musik führt. Sie benutzten gerade den Begriff 'hohe Kultur'. Das ist vielleicht auch ein Grund. Man soll es nicht als Luxusartikel, wie irgendeinen erlesenen Wein oder einen Rolls Royce betrachten. Sondern Klassik sollte das tägliche Seelenbrot sein. Meine große Hoffnung ist, dass es in Zukunft bei der Behandlung von Krankheiten, von Depressionen und von Zivilisationskrankheiten eine größere Rolle spielt. Klassische Musik sollte wenigstens therapeutisch wieder einen allgemeinen Stellenwert bekommen.
Schossig: Also ist es kein Unbehagen in der Kultur, sondern eher an einer ganzen Branche.
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566.html
Schossig: Da müssten wir gleich noch mal drüber sprechen. Aber kommen wir zunächst noch mal zum Kopierschutz. Da müsste sich ja rechtlich etwas bewegen.
Voigt: Die sollte so sein, vor allem, was das Internet betrifft. Was das Privatkopieren von CDs über den eigenen Computer und Brenner betrifft, stellt sich die Frage, wie Sie das kontrollieren wollen. Da hat jeder ein Recht, sich Privatkopien zu machen. Aber das massenhafte Kopieren von Internetdaten ist sicherlich reformbedürftig.
Schossig: Denken wir noch weiter darüber nach, was die Gründe für den Absatzrückgang sind. Nun hat sich die nicht mehr ganz neue CD ja mittlerweile auch als ein qualitativ sehr gutes und auch langlebiges Speichermedium erwiesen. Das konnte man vor 20 oder 25 Jahren ja noch gar nicht wissen. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass nicht mehr so viel gekauft wird. Oder ist da kein Grund?
Voigt: Sicherlich, irgendwann ist die LP-Sammlung ersetzt. All diese knisternden Vinyl-Scheiben hat man dann, wenn man Glück hat, in einer guten CD-Remastering-Form und muss sich dann nicht mehr um die Zukunft kümmern. Manche CDs halten auch nicht länger als 20 Jahre. Ich habe auch welche zu Hause, die spielen nicht mehr. Aber die Langlebigkeit spielt sicherlich mit hinein.
Schossig: Ein weiteres, eher hilflos klingendes Argument der Klassik-Musik-Produzenten: Die Jugend interessiere sich nicht mehr für Beethoven, Bach oder Brahms. Ist da was dran?
Voigt: Ja, die interessiert sich eigentlich viel mehr als zu meinen Zeiten, nur es ist gemischter. Als ich 15 oder 16 war, war man als Klassikliebhaber ein Outsider. Das ist ganz klar. Da war man ganz außen vor. Während sich heute ein 15jähriger vielleicht neben Pop- und Rockplatten auch mal eine Callas oder einen Karajan in das Regal und hat da Freude dran. Das ist eine ganz andere Selbstverständlichkeit, mit der heute CDs gekauft werden. Man ist nicht mehr so ein Untervogel. Die ganz reinen Klassikfreaks, die nehmen in der Anzahl ab. Die Mischungen, die es heute mehr gibt, führen auch dazu, dass es nicht mehr so eine starke Neugier gibt, jetzt aus allen Bereichen alles zu hören oder von einem Lieblingsstück sämtliche 20 Aufnahmen, die es auf dem Markt gibt, zu kaufen. Diese Verrücktheit hat abgenommen, aber das Interesse nicht.
Schossig: Deutschland gehört immer noch zu den am stärksten entwickeltsten breiten Musikkulturländern. Im Mainstream-Medium Fernsehen bildet sich das überhaupt nicht mehr ab. Da wird hohe Musik, Oper, Konzert in 3Sat, in Arte abgedrängt. Liegt in dieser Entwicklung vielleicht auch eine der Ursachen für die angebliche Klassikkrise.
Voigt: Ich bin mir da ganz sicher. Denn wie soll jemand, der noch nie von klassischer Musik gehört hat, damit konfrontiert werden, wenn nicht in der Schule, im Elternhaus, wo ja gar keine Hausmusik mehr gemacht wird, und nicht mehr im Fernsehen. Wo soll er das denn mitbekommen? Weihnachten liefen Opern um 3 Uhr nachts. Wer, außer mir und ein paar wenigen anderen, schaut sich das an?
Schossig: Also da müssen sich die Musikmanager etwas anderes einfallen lassen. Warum tun sie das nicht?
Voigt: Das ist eine Art der Gettoisierung, die wirklich auch zum Out der klassischen Musik führt. Sie benutzten gerade den Begriff 'hohe Kultur'. Das ist vielleicht auch ein Grund. Man soll es nicht als Luxusartikel, wie irgendeinen erlesenen Wein oder einen Rolls Royce betrachten. Sondern Klassik sollte das tägliche Seelenbrot sein. Meine große Hoffnung ist, dass es in Zukunft bei der Behandlung von Krankheiten, von Depressionen und von Zivilisationskrankheiten eine größere Rolle spielt. Klassische Musik sollte wenigstens therapeutisch wieder einen allgemeinen Stellenwert bekommen.
Schossig: Also ist es kein Unbehagen in der Kultur, sondern eher an einer ganzen Branche.
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