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Neumann: Baubeginn des Mahnmals für ermordete Sinti und Roma noch 2006 möglich

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, hat sich zuversichtlich gezeigt, dass bald mit dem Bau des Denkmals für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma begonnen werden kann. Wenn die inhaltliche Diskussion bald abgeschlossen werden könne, sei es möglich, in diesem Jahr mit dem Bau zu beginnen, sagte Neumann.

    Rainer Berthold Schossig: In den 30er und 40er Jahren wurden von der NS-Mordmaschinerie weit über 100.000 Sinti und Roma systematisch vernichtet - neben dem Holocaust an den Juden Europas der zweite nationalsozialistische Völkermord. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit registrierte dies nur sehr zögernd. 1982 räumte der damalige Kanzler Helmut Schmidt ein, dass die Verbrechen der NS-Diktatur an den Sinti und Roma den "Tatbestand des Völkermordes erfüllten". Und Bundespräsident Roman Herzog stellte 1997 fest, dass dieser Völkermord "aus dem gleichen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und Willen zur planmäßigen und endgültigen Vernichtung durchgeführt wurde wie der an den Juden." Beide Zitate sollen in Zukunft auf einem zentralen Mahnmal in Berlin zu lesen sein. Der jahrelange Streit um die Inschriften auf diesem Denkmal scheint beigelegt. Bundesregierung und Zentralrat der Sinti und Roma haben sich gestern Abend auf die Gestaltung eines zentralen Mahnmals geeinigt. Der Vorsitzende des Dachverbandes, Romani Rose, nannte die Übereinkunft einen "wichtigen Schritt".
    Herr Neumann, Sie haben die Verhandlungen geleitet; auf welche Denkmalgestalt haben Sie sich gestern geeinigt?

    Bernd Neumann: Zum einen das eigentliche Denkmal, welches ja einen Brunnen darstellt, mit keiner zentralen Inschrift versehen wird, sondern am Brunnenrand und gegebenenfalls auch an den diesen Brunnenrand umgebenden Fußbodenplatten, die wichtigsten Vernichtungsorte aufgeführt werden. Also Treblinka, Auschwitz, Dachau und so weiter. Dann werden darüber hinaus Informationstafeln angebracht mit einer zentralen Botschaft, die den Texte enthält, auf den wir uns gestern geeinigt haben, "Wir gedenken aller Roma, die im nationalsozialistisch besetzten Europa dem planmäßigen Völkermord zum Opfer gefallen sind", und auf einer weiteren, oder vielleicht zwei weiteren Tafeln wird dann eine Chronologie des Völkermordes mit den wichtigsten Ereignissen, Daten gegebenenfalls auch Bildern festgehalten, am Ende die entscheidenden Zitate zu diesen Völkermorden, zum einen von Helmut Schmidt und dann ein anderes Zitat von Roman Herzog. Nicht als zentrale Botschaft, wie das ursprünglich einmal bezogen auf das Herzog-Zitat geplant war, sondern im Rahmen dieser Chronologie.

    Schossig: Zu dieser Dokumentation gab es ja eine Reihe von Differenzen vor allem mit der Sinti-Allianz, die eine Formulierung vorschlug, wie etwa "von der NS-Diktatur betroffene Zigeunergruppen". Hat sich diese Lösung jetzt durchgesetzt auch im Einverständnis mit dieser Gruppe?

    Neumann: Ich kann keine Meinung absolut setzen, dann gibt es kein Denkmal. Sondern jeder der Beteiligten muss ein Stück entgegen kommen. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass der Begriff Zigeuner bei dem stärksten Verband, dem Zentralverband Sinti und Roma, nicht akzeptabel war.

    Schossig: Weil es nicht politisch korrekt sozusagen eingestuft wird?

    Neumann: Sie fassen die Bezeichnung, weil auch von den Nazis so gemeint, als diffamierend auf, dem kann ich sogar etwas abgewinnen. Und dann kam der Wunsch von der Sinti-Allianz, nun sich nicht nur zu beziehen auf Sinti und Roma, ist alles ein bisschen eigenartig, Sinti und Roma, sondern weitere verwandte Volksgruppen dort aufzuführen, was wiederum von der anderen Seite auch mit nachvollziehbaren Begründungen nicht akzeptiert wurde. Wenn es jetzt gelungen ist, auch ein Entgegenkommen der Vertreter der Sinti und Roma zu bekommen, eben auf den Begriff Sinti zu verzichten, und wir uns bei der Kennzeichnung des Denkmals, bei dieser Art Inschrift, auf den Begriff Roma beschränken, der unstreitbar für den ganzen Bereich des Begriffes Zigeuner steht, das ist also der Oberbegriff, das ist nun wirklich nachweisbar, komme ich zu der Auffassung, dass das in gewisser Weise jedem Rechnung trägt. Deswegen gehe ich davon aus, dass wir alsbald, sagen wir mal, zum Bau des eigentlichen Denkmals schreiten.

    Schossig: Sie haben gesagt, zügig, was heißt das etwa?

    Neumann: Wenn dann diese inhaltliche Diskussion alsbald abgeschlossen werden kann, dann kann das in diesem Jahr noch losgehen. Finde ich.

    Schossig: Verwirklichen soll den Entwurf der israelische Künstler Dany Karavan. Können Sie kurz beschreiben, wie das aussehen soll? Sie sprechen vorhin von einem Brunnen.

    Neumann: Ja, das soll eine Art Brunnen in ovaler Form sein und in der Mitte des Brunnens ein Obelisk und auf diesen Informationstafeln wird dann das wahrscheinlich formuliert, was ich eben zum Ausdruck gebracht habe.

    Schossig: Errichtet werden soll das Mahnmal in Berlin zwischen Reichstag und Brandenburger Tor, also auch unmittelbar in Nähe zum Holocaust-Mahnmal. Dieser Ort war wohl nicht umstritten, aber es gab Befürchtungen, dass da eine Art Kranzabwurflandschaft entsteht. Es haben sich nun aber nicht weitere Betroffenengruppen der NS-Diktatur gemeldet, die zusätzliche zentrale Mahnmale fordern?

    Neumann: Gut also, diese ganzen Denkmäler befinden sich ja in einer kritischen Situation, aber irgendwann muss man sich entscheiden. Und da der Deutsche Bundestag dies einmütig beschlossen hat, auch in Verbindung mit dem Ort, und da der Bundesrat alljährlich erneut sich dazu bekennt, sehe ich kein Problem, was den Ort und was die Gestaltung angeht, und wenn wir die inhaltlichen Fragen so klären können, wie ich sie gestern mit Romani Rose vereinbart habe, dann dürfte dem Bau eines Denkmales nichts mehr im Wege stehen.