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Neun plus neun

Neun deutsche und neun chinesische Spitzenuniversitäten nehmen derzeit am 2. Chinesisch-Deutschen Präsidententreffen in Berlin teil. Auf besonderes Interesse bei den Gästen aus Fernost stießen in Berlin die Ausführungen zum deutschen Exzellenzwettbewerb. Denn auch China plant, aus den Hochschulen des Landes einige Spitzenuniversitäten gesondert zu fördern.

Von Markus Rimmele | 05.10.2007
    Ein Zahlengewitter geht auf das Publikum nieder. Eine Tabelle nach der anderen leuchtet auf der weißen Wand vorn neben dem Rednerpult. Es sind chinesische Zahlen, und die künden alle vom Wachstum. Der chinesische Referent schwelgt im Zehnjahresvergleich: Das Gebäudevolumen der Hochschulen fast verdreifacht, die Studentenzahl versechsfacht, ebenso die Zahl der Fakultätsmitglieder mit Doktortitel. Da sind wir sehr stolz drauf, sagt der Vortragende. Mit Recht, sagt Armin Krawisch vom Chinesisch-Deutschen Zentrum für Wissenschaftsförderung in Peking:

    " 2020 strebt man an, eine der führenden Wissenschaftsnationen weltweit zu sein. Und ich denke, auf dem Weg ist China auch, und ich könnte mir gut vorstellen, dass China das auch erreichen würde. Ich glaube, da ist es extrem wichtig, dass eben Deutschland sich entsprechend frühzeitig positioniert, um eben mit diesem voraussichtlich sehr starken weltweiten Partner gute Beziehungen von vorneherein aufzubauen. Die Kontakte, die entstehen, sind, denke ich, durchaus langfristig. "

    Das Pekinger Zentrum ist ein gemeinsames Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der chinesischen Partnerorganisation. Krawisch und seine Kollegen haben das Treffen der Universitätspräsidenten mit organisiert. Neun deutsche und neun chinesische Universitäten sind vertreten, die als die jeweils besten des Landes gelten. Auf deutscher Seite sind das zweimal Berlin, zweimal München, Aachen, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe und Tübingen. Zwei Tage lang diskutieren die Präsidenten miteinander, hören Vorträge und arbeiten in Workshops. Es geht um Themen wie Universitätsmanagement, Hochschulfinanzierung, Qualitätsmessung, Doktorandenausbildung und in erster Linie um Exzellenz. Mit großer Aufmerksamkeit folgen die chinesischen Gäste den Ausführungen zum deutschen Exzellenzwettbewerb. Und die Deutschen lernen: Auch in China gibt es eine Exzellenzinitiative, zwei sogar, mit den Namen "211" und "985". Han Jianguo von der Nationalen Stiftung für Naturwissenschaften.

    " Die 211- und 985-Initiative haben das Ziel, die begrenzten Mittel, die wir zur Verfügung haben, auf ein paar wenige Spitzenuniversitäten zu verteilen, um deren Qualität in Lehre und Forschung zu verbessern. Diese Initiativen werden die Entwicklung der chinesischen Universitäten stark voranbringen. "

    Bis 2020, so das Ziel, werde China über etwa ein Dutzend Spitzen-Unis verfügen, die zu den besten der Welt gehören sollen. Die 211-Initiative soll zunächst einmal 107 Universitäten miteinander vernetzen und auf internationales Niveau bringen. Aus dieser Gruppe sollen dann mit gezielter Förderung durch das 985-Programm die wenigen Top-Unis hervorgehen. So manchem deutschen Universitätsangehörigen im Publikum wird offensichtlich angst und bange bei der Vorstellung. Einer raunt ins Journalistenohr, das neuste chinesische Sprichwort gehe so: Die Deutschen schenken uns den Strick, an dem wir sie später aufhängen. Gemeint sind wohl Kooperationsveranstaltungen wie das Präsidententreffen. Für überzogen hält das der Präsident der Humboldt-Universität Christoph Markschies:

    " In gewissem Sinne stabilisiert alle Kooperation Auch ein Stück weit die Konkurrenz. Das muss man, glaube ich, sehr nüchtern sehen. Aber zu der Globalisierung gehört, dass Partner erwachsen, die gleichzeitig auch Konkurrenten sind. Das ist, glaube ich, etwas, woran sich alle Universitäten gewöhnen müssen, diesen schwierigen Mittelweg zwischen Kooperation und Konkurrenz zu gehen. Aber wir wissen zum Teil so wenig von den chinesischen Universitäten, dass wir lange vor der Gestaltung dieses Mittelwegs stehen. "

    Die Deutschen könnten außerdem durchaus auch von den Chinesen lernen. Es gebe ähnliche Probleme, etwa das Spannungsverhältnis zwischen Zentralstaat und Provinzregierung, die jeweils andere Universitäten wollten. Und nicht nur das.

    " Ich habe mich mit den chinesischen Kollegen darüber unterhalten, dass wir beide, die deutschen wie die chinesischen Universitätspräsidenten und Rektoren unzufrieden sind mit dieser ständigen Messung nach Impact-Faktoren, also Zitier-Häufigkeiten und so weiter und so fort und beide unzufrieden sind mit unseren Qualitätsmessungen, weil die sehr stark quantitativ orientiert sind. Da ist es interessant zu sehen, was die Chinesen an der Stelle machen. "

    Viel Konkretes wird wohl nicht herauskommen beim zweiten deutsch-chinesischen Präsidententreffen. Immerhin, so Markschies, wolle er mit der Peking Universität eine Zusammenarbeit und ein Austauschabkommen verabreden im Bereich der chinesischen Medizin. Starten soll es damit zum zweihundertjährigen Bestehen der HU im Jahr 2010.