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Neun Semester Wartezeit - trotzdem kein Studienplatz?

Die Unis sollen künftig ihre Studenten selber auswählen dürfen, die Zukunft der ZVS, der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, steht auf der Kippe, und eine kleine Gruppe von Schulabgängern betrachtet diese Entwicklung mit allergrößter Sorge. Diejenigen nämlich, die sich darauf verlassen haben, mit der entsprechenden Zahl von Wartesemestern trotz schlechterem Abi irgendwann auch einen zulassungsbeschränkten Studienplatz zu bekommen.

Moderation: Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Wie bitte geht's zum Studienplatz? Dieser Frage mussten wir hier schon öfter nachgehen und insbesondere in den letzten Wochen war da öfter die Rede vom kafkaesken Zulassungschaos und von einem undurchdringlichen Dschungel an unterschiedlichsten Bewerbungsverfahren, den sich junge Abiturienten gegenübersehen, wenn sie sich für einen Studienplatz interessieren. Jetzt sollen die Unis ihre Studenten stärker selber auswählen, und die Zukunft der ZVS, der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, steht auf der Kippe. Und eine kleine Gruppe von Schulabgängern betrachtet diese Entwicklung mit allergrößter Sorge. Diejenigen nämlich, die sich darauf verlassen haben, mit der entsprechenden Zahl von Wartesemestern irgendwann auch einen zulassungsbeschränkten Studienplatz zu ergattern, wenn der Abi-Durchschnitt dafür eigentlich nicht ausreicht. So ist das auch bei Judith Saul aus Hamburg, die ich ganz herzlich im Studio begrüße. Wie war das bei Ihnen genau, Frau Saul?

    Judith Saul: Also, ich habe halt 2004 Abi gemacht und war mir halt zum Anfang nicht so ganz sicher, was ich studieren möchte, habe halt immer mit Medizin geliebäugelt und wusste halt auch, dass man wahrscheinlich nicht gleich reinkommt, sondern erst mal eine gewisse Wartezeit in Kauf nehmen muss. Habe dann erst mal etliche Praktika gemacht in verschiedenen Krankenhäusern, um auch erst mal zu gucken, will ich jetzt dieses lange Studium wirklich in Kauf nehmen, ist es was für mich, wie sind die Bedingungen da überhaupt. Also ich wollte halt erst mal so ein bisschen reinschnuppern, was mich da überhaupt erwartet. Und war dann zwischenzeitlich auch mal im Ausland. Dann verging die Zeit, und dann habe ich halt so gemerkt, okay, die ersten anderthalb Jahre hatte ich dann rum, habe gemerkt, okay, es ist aber immer noch nicht so leicht, da reinzukommen, und stand dann halt vor der Entscheidung, so, okay, warte ich jetzt länger oder nicht? Da war halt immer noch so die Wartezeit von acht Wartesemestern angedacht. Und dann habe ich halt eine Ausbildung angefangen, wo ich dann dachte, so, super, das ist ja eigentlich eine optimale Vorbereitung auch fürs Studium. Und wenn ich dann halt fertig bin mit der Ausbildung, dann sind die acht Wartesemester rum und dann könnte ich halt auch direkt ins Studium einsteigen.

    Himmelrath: Das heißt, noch mal ganz klar, Sie haben 2004 ein Abitur gemacht, mit dem konnten Sie nicht direkt - einfach wegen des Abischnitts, der war dann sozusagen zu schlecht - konnten Sie nicht direkt ins Medizinstudium durchstarten?

    Saul: Genau, also ich hatte einen Durchschnitt von 2,1. Zu der Zeit war das, glaube ich, auch bei 1,3 so, mit Abiturnote reinzukommen. Also für mich war es dann halt einfach nicht möglich, da reinzukommen. Dann gab es immer noch dieses Losverfahren, wo man einfach zufällig gewählt wurde. Aber das war dann auch eher Glückssache.

    Himmelrath: Dann haben Sie gerechnet mit diesen acht Semester. Die acht Semester sind ja 2004 bis 2008 dann rum.

    Saul: Richtig.

    Himmelrath: Aber?

    Saul: Aber jetzt ist genau das eingetreten, was ich halt immer gehofft habe, dass es nicht eintritt, nämlich dass jetzt die Wartesemester nach oben schnellen, also dass jetzt bei mir plötzlich drauf steht, dass elf Wartesemester angedacht sind. Und ich habe jetzt natürlich jetzt die Angst, dass das noch höher geht. Also jetzt sind es quasi elf Wartesemester, und es ist nicht absehbar, da überhaupt reinzukommen.

    Himmelrath: Sie haben jetzt mittlerweile wie viel Semester zusammengesammelt an Wartezeit?

    Saul: Neun.

    Himmelrath: Neun, und brauchen elf. Jetzt könnte es ja sein, dass die ZVS, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, irgendwann in einem halben und einem Jahr vielleicht abgeschafft wird. Was wäre dann mit Ihrem Fall?

    Saul: Das wäre dann für mich die Katastrophe schlechthin, weil ich dann einfach gar keine Möglichkeit mehr sehe, in dieses Studium reinzukommen. Weil ich davon ausgehe, dass die Universitäten definitiv nicht mehr mit Wartezeit hantieren, sondern ihre direkten Auswahlverfahren machen, wie sie es ja jetzt zum Teil auch schon tun, und dann quasi eine Zeit umsonst gewartet wurde. Und das wäre natürlich eine Katastrophe, weil eigentlich die Idee halt war, acht Wartesemester in Kauf zu nehmen, dann halt die Zeit sinnvoll zu nutzen und sich optimal drauf vorzubereiten und dann halt natürlich loszulegen. Und dann, tja, keine Ahnung, da muss man halt irgendwie noch mal umsatteln. Und ich finde halt 2,1 auch einfach nicht schlecht genug, um zu sagen, du bist nicht fähig, jetzt Medizin zu studieren.

    Himmelrath: Wenn das nun vom Verfahren her immer alles so schwierig ist, haben Sie mal daran gedacht, sich möglicherweise auf einen Studienplatz einzuklagen?

    Saul: Ja, auch diese Möglichkeit habe ich für mich in Erwägung gezogen, mittlerweile. Ich muss dazu sagen, dass ich zum Anfang absolut dagegen war, meinen Studienplatz einzuklagen, weil man ja einfach auch ein Anrecht auf diesen Studienplatz hat. Und ich hatte mich da auch schon schlau gemacht. Es ist eine sehr teure Angelegenheit unter anderem, und es ist natürlich einfach nicht optimal. Also die Möglichkeit ist in meinem Kopf drin, aber ich weiß noch nicht, ob ich es wirklich angehe. Also es ist eine schwierige Sache, weil es einfach auch eine Kostenfrage ist, denke ich.

    Himmelrath: Was erhoffen Sie sich von der Bildungspolitik, was könnten die tun, um solche Übergangsfälle wie den Ihren jetzt bei dieser Debatte um die ZVS-Zukunft so ein bisschen abzufedern?

    Saul: Die Vorstellung, die ich jetzt habe, ist natürlich erst mal, dass die ZVS nicht in einem halben Jahr abgeschafft wird, einfach, dass ich noch die Möglichkeit habe, reinzukommen. Jetzt ist es ja so, dass halt die zwölften Klassen Abitur machen und die 13. Klassen, das ist noch mal eine ordentliche Schwemme von Abiturienten, wo ich einfach davon ausgehe, dass wahrscheinlich im nächsten Jahr die Wartesemester noch mehr hochschnellen, einfach der Meinung bin, dass man da vielleicht auch den Durchschnitt so ein bisschen runterschrauben sollte. Dass die halt sagen, okay, du hast jetzt einen Durchschnitt von 2,3, musst soundso viel Wartesemester in Kauf nehmen. Somit würden sie einfach auch schon so ein paar Studenten, ich sag mal raussieben, aber die Masse würde einfach geringer werden. Und wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich zum Beispiel zwölf Wartesemester in Kauf nehmen muss, dann hätte ich vielleicht auch wirklich das alles anders geplant.

    Himmelrath: An welchem Punkt ist denn für Sie die persönliche Schmerzgrenze erreicht, wann sagen Sie, okay, das war es, ich sattel um, den Traum muss ich leider begraben?

    Saul: Ja, das ist eine gute Frage. Also ehrlich gesagt, habe ich die noch nicht gefunden, die Schmerzgrenze. Also meine größte Angst ist, dass es jetzt 14 Wartesemester werden. Also ich bin schon bereit, jetzt noch ein Jahr zu warten, aber das ist hart. Also ich warte dann so lange, wie ich eigentlich studieren würde. Ich habe die Schmerzgrenze für mich noch nicht erreicht, aber ich bin jetzt natürlich ordentlich am Überlegen, kann es der Weg sein, einfach weil das Studium auch sehr lange dauert. Es wäre natürlich für mich selbst einfach eine totale Katastrophe, wenn ich jetzt noch mal umsatteln müsste, weil der ganze Lebenslauf ja jetzt in Richtung Medizin geht.

    Himmelrath: Judith Saur war das, aus Hamburg. Hoffnungsträgerin, was ein Medizinstudium angeht. Und sie hat viereinhalb Jahre schon an Wartezeit investiert. Aber ob sie einen Platz kriegt, das ist immer noch nicht klar. Herzlichen Dank, dass Sie im Studio waren!