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Neuschwanstein im Schnee

Die älteste Ferienstraße Deutschlands, die Romantische Straße, hat ihren Ausgangspunkt in Füssen. Werbeträchtiges Symbol ist das Schloss Neuschwanstein. Eine Wanderung auf den Spuren des Bayerischen Märchenkönigs Ludwig II und auf einer alten Römer-Straße.

Von Eva Firzlaff | 02.01.2011
    Urs Langenbacher stimmt eine Laute, die er selbst gebaut hat. Er sieht sich in der Tradition der vielen Lautenbauer, die einst in Füssen ihre Werkstätten hatten. Füssen war die Lauten- und Geigenbau-Hochburg. Das mag daran gelegen haben ...

    "... dass Füssen über 30 mal die Sommerresidenz von Kaiser Maximilian war. Dadurch natürlich auch ein kultureller Aufschwung stattgefunden hat. Und gleichzeitig war Füssen zu der Zeit, als die Laute in Mode kam, - noch - eine wichtige Drehscheibe im Handel zwischen Norditalien und Deutschland. Damals vor allem über den Saumtier- und Wagentransport über die Alpen. Und hier war der Hafen für die Flöße, mit denen man dann Holz und Tuch und auch Instrumente Richtung Augsburg flussabwärts geschickt hat. "

    Füssen lag zwar an wichtigen Handelsstraßen, blieb aber beschaulich mit einer kleinen romantischen Altstadt. Denn es lag im Schatten von Bischofssitz und Kloster, vermutet Stadtführerin Erih Gößler:

    "Der Bischof, der über uns saß, der hat einen großen Teil der Einnahmen für sich beansprucht. Zum Beispiel den Lech-Zoll, den die Flößer zahlen mussten, den Wegezoll, den Brückenzoll, das Eintrittsgeld in die Stadt. Die Stadt hatte halt Gewerbeeinnahmen, dass das natürlich nicht ausreichte, um so eine Stadt zu vergrößern, dass sich mehr Menschen ansiedeln, liegt auf der Hand. Andererseits ist es so, dass viele aus Füssen ausgewandert sind. "

    So wie Lauten- und Geigenbauer. Die Zunft regelte die Konkurrenz. Wer, wenn er ausgelernt hatte, keine bestehende Werkstatt übernehmen konnte, durfte keine neue gründen, sondern zog in die Welt.

    "Es sind eine Unmenge Füssener nach Norditalien gezogen. Viele die Donau abwärts nach Regensburg, Passau, Wien bis nach Budapest. In Prag gibt es Füssener, nachgewiesen in Lyon, in Paris. Der Begründer des englischen Geigenbaus, die Familie Fendt, hat eigentlich Füssener Wurzeln."

    Die verwinkelten Straßen stammen aus dem Mittelalter. Die Häuser tragen Jahreszahlen um 1600. Und auf einem Felsen direkt an der Altstadt thront das Hohe Schloss, hier saß kein Landesherr, sondern der Bischof. Und die prächtigen Portale und schnörkeligen Fenstergewände sind nur zum Teil wirklich aus Sandstein, und die aufwendig verzierten Erker, die wir sehen, sind gar nicht da. "

    "Nein, das ist Illusionsmalerei. Interessant deshalb, weil es die sehr frühe Illusionsmalerei ist. Der Bischof war so begeistert von dieser neuen Technik, er wollte eigentlich nichts anderes als angeben. Er hat das also in einer Vielzahl malen lassen von einer Kaufbeurer Malerwerkstatt. Die haben so leckere Dinge verarbeitet wir Ochsengalle, Urin und Blut. Das hat sich in den Kalkputz hinein gefressen. Deswegen halten sich die Farben so gut."

    Lange vor dem Schloss war hier ein Römer-Kastell. Zum Schutz der Fernstraße Via Claudia Augusta, die verband Venedig und Augsburg. Im Lechtal kam sie runter vom Alpenübergang. Direkt an die Stadt grenzt der Forggensee. Im Sommer fährt hier ein Ausflugsdampfer, im Winter fließt nur der Lech, der eigentliche See ist weg. Denn der Stausee wird abgelassen, um Platz zu schaffen für die Schneeschmelze. Und Magnus Peresson lädt ein zur Wanderung auf der alten Römerstraße. Wo der Stausee schmal und tief ist, verläuft die Straße am Hang.

    "Die Römer haben die Talniederungen deshalb gescheut, weil die stets hochwassergefährdet waren. Das ist ja der Lech, zwar aufgestaut, aber es ist ja der Fluss. Und in den Nordalpen kommt hinzu, die sind bei uns immer auf der Sonnenseite gefahren. Wegen der Vereisung oder deshalb, weil die Zugtiere, wenn sie warme Luft einschnaufen, mehr Leistung bringen, als wenn sie in kalter Luft ziehen müssen."

    Wir laufen auch auf dem Seegrund. Der Boden ist gefroren, mal etwas pampig.

    "Die haben dicke Steine sozusagen als Fundamt gelegt. Dann kommt dünnerer Kies. Oben drauf war Sand und das hat man mit Wasser gebunden und gestampft. Links und rechts diese dunklen Bereiche - das sind die alten Materialgruben, aus denen raus man das Material geholt hat. Und in der Mitte der Damm, der auf Füssen zu läuft. Und Sie sehen, die Bäume, die auf der Via Claudia gewachsen sind zu einer Zeit, als man die Straße nicht mehr benutzt hat, die halten den Damm noch zusammen. Das ist mit das schönste Stück, das man von der Via Claudia noch finden kann. Hier hat man es nicht umgepflügt, hier ist es nicht verwachsen, sondern hier hat man es im Original."

    Allerdings nur im Winter. Meist schon im April liegt die Römerstraße wieder unter Wasser. Bei Füssen stößt flaches Land direkt an Zweitausender-Gipfel, ohne hügeligen Übergang. Von der Salober Alm in 1.150 Metern Höhe genießen wir den Blick ins Land. Und der junge Hütten-Wirt macht Musik. Diese Berge waren auch Sommerfrische der Bayernkönige.

    "Sie hatten allerdings auch mehrere Schlösschen und Aufenthalte, aber hier war die Königin Marie, die Mutter vom König Ludwig am liebsten, weil sie die Berge auch so geliebt hat, als so scheint es typische Berlinerin. Sie sagte beim ersten Anblick der Berge: Von den Bergen bin ich ganz wech!"

    Königin Marie ist viel gewandert, sogar geklettert in den Bergen. Ihr Sohn Ludwig II. lieber geritten. Seine vielen Reitwege sind jetzt Wanderwege. So führt der Alpenrosenweg von Füssen zum Schloss Hohenschwangau. Kurz vor dem Schloss sehen wir unter uns den Alpsee. Weil der sehr tief ist, friert er nur selten zu und bezaubert durch sein türkis-blaues Wasser.

    "König Ludwig hatte den besten Schwimmlehrer aus der Region. Er ist den Alpsee durchschwommen, quer durch den Alpsee, das sind wohl eineinhalb Kilometer, in 20 Minuten. Das ist wohl rekordverdächtig. Hier unten ist das Bootshaus der königlichen Familie. Vor hier sind sie über den See gerudert worden."

    Nun noch die Zufahrt hoch und wir sind im Schloss Hohenschwangau. Dort steht am Fenster ein Fernrohr.

    "Ludwig II. hat diese Etage bewohnt, nachdem sein Vater gestorben war. Er hat ja dann 1869 den Auftrag für den Bau von Schloss Neuschwanstein gegeben. Wenn er hier in Hohenschwangau war, hat er durch das Fernrohr den Fortschritt des Baues oben beobachten können. "

    Von einem Schloss zum anderen kann man mit dem Pferdewagen fahren oder wieder wandern. Und nur zu Fuß kommt man zur Brücke über die 90 Meter tiefe Pöllatschlucht. Von der Brücke sehen wir vor uns Neuschwanstein wie auf dem Präsentierteller. Als Vorbild soll ja die Wartburg gedient haben, doch ähnlich sind sich die beiden nicht.

    "Was den König Ludwig an der Wartburg am meisten beeindruckt hat, das war der Sängersaal, auch wegen der Geschichte - Sängerkrieg -, und weil es eine echte Burg ist aus dem 12. Jahrhundert. Und er hat die Gebäude praktisch kopiert, die diese Burg hat, also Torbau, Ritterbau, Kemenate für die Frauen und den Pallas. Das sind Bauteile, die eine echte mittelalterliche Burg braucht. So, und da hören eigentlich schon die Gemeinsamkeiten auf."

    Den Sängersaal der Wartburg ließ er extra ausmessen, um ihn zu kopieren.

    "Er wollte hier aber keine großen Fete abhalten. Er wollte hier Wagner-Opern aufführen. Nicht auf der Bühne, die ist viel zu klein. Er wollte oben sitzen über dem Eingang und hier unten sollte dann die Oper gespielt werden. Aber dieser Saal ist 1884 fertig geworden und König Ludwig hat hier kein Konzert erlebt."

    Dafür finden jetzt immer im September Schlosskonzerte statt.