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Neuwahlen in Portugal am 5. Juni

Der portugiesische Staatspräsident Cavaco Silva hat am Donnerstag das Parlament aufgelöst und für den 5. Juni Neuwahlen angesetzt. An der katastrophalen Haushaltssituation ändert das nichts: Nach neuen Zahlen des Statistikamts für das Defizit von 2010 lag die Verschuldung Portugals bei 8,6 Prozent - also weit über den von der Regierung erwarteten 6,9 Prozent.

Von Tilo Wagner |
    Die neuen Rekordzinssätze für portugiesische Staatsanleihen werden in Portugals Medien so regelmäßig wiedergegeben, dass selbst finanzunkundige Portugiesen mittlerweile wissen, welchen Aufschlag der Staat etwa für Kredite mit fünfjähriger Laufzeit zahlen muss. Die politische Krise hat die Lage auf den internationalen Finanzmärkten zugespitzt. Nach dem Rücktritt von Premierminister José Sócrates in der vergangenen Woche hat sich keine Parlamentsmehrheit für eine neue Regierung gefunden. Führende Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit des Landes heruntergestuft und mit neuen Konsequenzen gedroht, sollte Portugal nicht Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm und vom Internationalen Währungsfonds annehmen. Aber kann ein zurückgetretener Premierminister überhaupt einen Schritt mit so weitreichenden Konsequenzen einleiten? Der 20-jährige Psychologiestudent Tiago Oliveira spricht aus, was viele Portugiesen denken:

    "Ich glaube, die Politiker sollten bis nach den Neuwahlen warten. Denn eine geschäftsführende Regierung ist ja eigentlich längst entlassen. Nach den Wahlen kann eine neue Regierung dann über die Hilfen entscheiden."

    Ob der portugiesische Staat jedoch bis Ende Juni Zeit hat, bis eine neue Regierung frühestens im Amt wäre, bleibt fraglich. In den kommenden drei Monaten muss Portugal mehr als neun Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen. Sollten die Zinsen weiter steigen, droht dem Land die Zahlungsunfähigkeit.

    Doch auch die zurückgetretene Regierung glaubt, dass ein Hilfsantrag nicht verfassungskonform ist. Der Minister im Amt des Premierministers, Pedro Silva Pereira, erklärte gestern:

    "Einen Antrag auf Finanzhilfen zu stellen, heißt gleichzeitig, die Bedingungen für die externe Hilfe auszuhandeln. Es muss ein Programm mit einer Reihe von Sparmaßnahmen verabschiedet werden. Eine geschäftsführende Regierung hat hierfür keine Legitimität."

    Laut Verfassung ist der Handlungsspielraum der geschäftsführenden Regierung darauf beschränkt, das Notwendige zu tun, um einen reibungslosen Ablauf der öffentlichen Finanzen zu garantieren. Die Regierung könnte mögliche erste Verhandlungen mit der EU und dem IWF noch führen. Doch Luis Pereira Coutinho, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Lissabon, gibt der Regierung Recht. Bei der Umsetzung der ausgehandelten Sparprogramme wären der geschäftsführenden Regierung die Hände gebunden:

    "Ein Hilfspaket der EU und des IWF beinhaltet konkrete Maßnahmen, zum Beispiel Steuererhöhungen. Da die Maßnahmen aber garantiert den portugiesischen Bürger treffen werden, müssen sie vom Parlament abgesegnet werden."

    Das heißt, die Umsetzung eines möglichen Hilfspaketes könnte erst das neu gewählte portugiesische Parlament beschließen.

    Ähnlich verhält es sich mit dem Sparprogramm, das in der vergangenen Woche am Widerstand der Opposition gescheitert war. Führende Politiker aus den Euro-Staaten haben in den vergangenen Tagen immer wieder darauf bestanden, dass Portugal trotz der politischen Krise an den im Sparpaket definierten Haushaltszielen festhält. Auch hier, so der Verfassungsrechtler Coutinho, sind der geschäftsführenden Regierung Grenzen gesetzt, etwa beim Thema Rentenkürzungen oder bei den Privatisierungen von Staatsbetrieben:

    "Die geschäftsführende Regierung kann ausschließlich Maßnahmen umsetzen, die im Sparpaket nur vage angegeben wurden, wie zum Beispiel Einsparungen bei den laufenden Kosten in der Verwaltung. Die Umsetzung aller anderen Maßnahmen aus dem Sparpaket ist nach der Ablehnung im Parlament im politischen wie im verfassungsrechtlichen Sinne unmöglich."

    Ein neues Sparprogramm für Portugal könnte also erst von einer neu gewählten Regierung angegangen werden. Ideen hierfür werden von der konservativen PSD, die nach jüngsten Umfragewerten bei Neuwahlen eine absolute Mehrheit nur knapp verpassen würde, bereits diskutiert. Die Portugiesen müssen sich demnach auf eine erneute Mehrwertsteuererhöhung einstellen.