Archiv


New Labour im Zeichen immer neuer Skandale

Die Skandale und Skandälchen nehmen kein Ende - und die Umfragewerte zeigen steil nach unten: New Labour sieht immer älter aus und Tony Blair muss sich immer öfter fragen lassen, wie es um seine politische Zukunft bestellt ist. Eine Testwahl steht ins Haus, die möglicherweise eine Antwort geben wird: Die Kommunalwahlen am kommenden Donnerstag. Martin Zagatta berichtet aus London.

    Auf dem Spielplatz tollen fast nur dunkelhäutige Kinder umher - und nicht gerade freundlich beäugt von ihren Nachbarn hier in Barking. Der Stadtteil im Osten von London ist wegen Auseinadersetzungen um die Ansiedlung von Immigranten in die Schlagzeilen geraten und davon, so heißt es, könnte bei den Kommunalwahlen jetzt die die rechtsextreme BNP profitieren.

    Überall hier bekämen Ausländer die Häuser während sie selbst kämpfen müssten, um eine Wohnung zu erhalten. So bestätigt ein junger Mann den Unmut, der die etablierten Parteien aufgeschreckt hat. Jeder Vierte in Barking könnte diesmal BNP wählen, befürchtet die Labour-Partei, die bisher über eine deutliche Mehrheit im Rat des Stadtviertesls verfügt. Die Verärgerung darüber, dass in den letzten Jahren tausende Sozialwohnungen an Immigranten vergeben wurden, sei doch sehr groß. Und der Ärger kommt auch der Straße neben dem Spielplatz ganz offen zum Ausdruck, wo Passanten ohne Scheu mitteilen , diesmal vielleicht BNP zu wählen, weil "diese verdammte Labour-Partei" nichts, aber auch gar nichts für sie getan habe.

    Der BNP, die für einen sofortigen Immigrationsstopp eintritt, spielt noch ein handfester Politskandal in die Hände. Wenige Tage vor dem Urnengang ist bekannt geworden, dass mehr als 1000 ausländische Straftäter nach ihrer Freilassung nicht abgeschoben wurden, darunter Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder. Die Mehrheit der Briten ist dafür, Innenminister Clarke sofort zu entlassen, geht aus Umfragen vom Wochenende hervor. Und den Labourpolitikern, die jetzt für die über 4000 Stadt- und Kreistagsmandate in England kandidieren, wird das frühere Versprechen von Tony Blair um die Ohren gehauen, "konsequent und hart gegen Verbrecher vorzugehen".

    Der Regierungspartei Denkzettel zu verpassen, hat Tradition bei Kommunalwahlen. Diesmal allerdings ist scheinen Tony Blair und seine Ministerriege in einem Sumpf von Skandalen zu versinken. keine Abschiebung von ausländischen Verbrechern, eine außereheliche Affäre des stellvertretenden Premierministers - deshalb so peinlich, weil der auf Flugblättern gemeinsam mit der Gattin noch für familiäre Werte geworben hat. Tony Blairs Kulturministerin kann den hat den Verdacht nicht ausräumen, bei zwielichtigen Finanztransaktionen ihres Mannes mitgeholfen zu haben. Und ein Parteispendenskandal, Gönnern wurde ein Sitz im Oberhaus samt Lordtitel angeboten, belastet den Regierungschef höchstpersönlich. Tony Blair, inzwischen schon als "Nixon aus der Downing-Street" verhöhnt, sollte sein politisches Schicksal von dem Ausgang der Gemeindewahlen abhängig machen, fordern selbst Abgeordnete wie Graham Stringer aus Manchester.

    " Wenn wir schlecht abschneiden, dann wird Tony Blair unter Druck kommen zu gehen, schnell zurückzutreten - und das sollte er auch machen. Das wäre gut für die Labour-Partei, um sich über ihre künftige Politik klar zu werden und dann jemanden an der Spitze zu haben, der die Partei auch in die nächste Unterhauswahl führt. "

    Gemeint ist Schatzkanzler Gordon Brown, der schon lange als Rivale des Premierministers gehandelt wird. Der Schotte steht als designierter Nachfolger bereit, erst recht seit Tony Blair angekündigt hat, keine vierte Amtszeit anzustreben. Aber Brown wird sich wohl noch gedulden müssen. Innenminister Clarke und einige seiner Kollegen sind zwar kaum noch zu halten, eine Kabinettsumbildung ist abzusehen, aber Tony Blair scheint keineswegs gewillt, das Feld sehr schnell zu räumen. Und zugute kommen kann ihm, dass Labour bei den Kommunalwahlen vor zwei Jahren schon auf den dritten Platz abgerutscht ist - hinter den Tories und den Liberaldemokraten, mit nur noch 26 Prozent der Ratssitze. Sehr viel schlimmer für Blair kann es eigentlich kaum noch kommen.