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New Sound New York

Ich bezeichne mich als bildenden Künstler, der mit dem Medium Klang arbeitet. Ich lasse Klangbilder entstehen aus interessanten Naturklängen, die im Gegensatz zu der städtischen Umgebung steht, die wir sehen. Wenn man in meinem ‚sonic forest’ kommt, sagen dir deine Augen, dass du in der Stadt bist, aber deine Ohren sagen dir, dass es eine Naturlandschaft ist. Daraus entsteht ein ganz einzigartiger Raum. Ich möchte in der Stadt eine Oase schaffen, in der sich Menschen erholen können, wenn sie da hindurch gehen. Insofern haben Klangraum-Kompositionen auch eine soziale Komponente. Meine Installationen sind immer an einen bestimmten Ort gebunden.

Von Johannes S. Sistermanns |
    Ortsspezifisch und Klangspezifisch ist die Klanginstallation von Christopher Janney auf dem Union Square mitten in Manhattan. Durch einen Parcour interaktiver und Blaulicht blinkender ‚elektronischer Bäume’ in Form geflexter Aluminiumrohre spaziert der zufällig vorbeikommende Passant und der gezielte Besucher gleichermaßen.

    Der soziale, lebendige Stadtraum wird als sprudelnder akustischer Lebensraum komponiert und gehört. Die Soundartisten sind u.a. Architekten, Poeten, Maler, Skulpteure, Instrumentalisten, Komponisten. Sie haben den Konzertsaal längst verlassen, haben sich enttäuscht von kalkuliertem Konzertgedudel hin zu Stadtraum, Galerieraum und dreidimensionalem Hörraum gewandt. Räume, die ihnen noch als Überraschungs- und Ereignisort urbanen Lebens gelten. Und der New Yorker Union Square ist perfekt hierfür: dort oben singt einer Karaoke auf einem billigen portablen Verstärker, 10 m weiter improvisiert eine Frau auf einem E-Baß, an der nächsten Ecke rappen Breakdancer mit ihrem Getthoblaster. Für Christopher Janney ein richtiges urbanes Spektakel. Er ist stolz Teil davon zu sein. Seiner Meinung nach macht dies Städte einzigartig, bringt sie zum schwingen. Eine Energie, die du nicht auf dem Land, nicht in der Natur bekommst.

    Die Klanginstallation Blue Moon ist vor dem World Financial Center, unweit vom ehemaligen World Trade Center aufgebaut. In 3 U-förmige PVC-Installationsrohre fallen die Klänge der z. B. ca. 400 Helikopterflüge in drei Stunden hier in Lower Manhatten, Sportboote auf dem Hudson River und Berufsschiffart. Ohne technische Manipulation werden die in die gestimmten PVC-Rohre einfallenden Klänge in blaue Zementwürfel übertragen. Diese 5 Würfel stehen weitverteilt auf der Plaza des World Financial Centers und mischen sich sanft, fast unmerklich in den Ortsklang mit ein. Sam Auginger und Bruce Odland wollen mit dieser Klangtransformation einen Diskussionsbeitrag leisten zum Thema akustischer Umweltgestaltung und diesem chaotisch klingenden Ort eine formale Struktur gegenübersetzen.

    Hier, wo jedes visuelle Detail bis ins Kleinste gestaltet ist, hat man die akustischen Reflexionen an den verspiegelten Außenwänden der drei Hochhäuser des World Financial Centers und der bis zu 4 Millionen Dollar für 80qm2 kostenden Privatwohnungen niemals bedacht und somit einen Ort im Battery Park geschaffen, der weder zur Entspannung noch zu einer Kommunikation in jeder Hinsicht einlädt. In welcher akustischen Welt wollen wir leben? Wie lange noch nehmen wir das flatternde Donnern der vorbeirauschenden Helikopter in Kauf? Das Ohr ist gleichermaßen unser Zugang zur Welt wie das Auge. Produkt- und Sounddesign am Staubsauger, am Auto wie am Kühlschrank registriert ein zunehmendes Interesse bei Herstellern. Soundart thematisiert die psychoakustischen Belastungen des normalen und scheinbar beiläufigen Alltags.

    Shirazeh Hourashya hat mit ihrer Arbeit Breath einen Turm aus sich windenden weissen Ziegelsteinen gebaut, durch dessen Zwischenräume jüdische, christliche, buddhistische und islamische Ritualgesänge mit einer zusätzlichen tiefen Bassschwingung klingen. Ein Hinweis auf die ethnische Vielfalt New Yorks und den Atem, aus dem alle Religionen entstanden sind. Und, selten habe ich soviel über Entspannung und relaxen, Körperlichkeit und Sinnlichkeit in Zusammenhang mit Musik gehört. Während in der Musik Anfang vorigen Jahrhunderts bei der Erweiterung von der Tonalität zur Atonalität noch wütendes Publikum die Konzertsäle verließ, Türen knallte, Komponisten beschimpft wurden, geht diese Veränderung in der Musik auf Tuchfühlung mit dem Passanten, geneigten Galeriebesucher einiger Klanginstallationen und dem ‚Listening Room’ in der einzigen Klanggalerie New York, ‚Diapason’. Hier kommt man hin, um sich in abgedunkeltem, in sanftem Licht getauchten Raum hinzulegen auf vorbereiteten Kissen, nach dem man vorher am Eingang die Schuhe ausgezogen hat. Das Stück dauert so lange, bis man wieder geht.

    Die Kompositionen selbst sind Loops, am Computern bearbeitet und komponiert. Wiederholungen von größeren Musikteilen werden nicht als minimal art verstanden, sondern als etwas, das sich erst über diese körperlich-sinnliche Wahrnehmungsart aufschließt, und, da der Wahrnehmungsprozeß als solcher selbst ja auch nie abgeschlossen ist, hört man in ständiger Wahrnehmungsveränderung nun auch wieder gleiche Klänge anders. Der New Yorker Komponist Stephen Vitiello:

    Die große Mehrheit der am Festival beteiligten Künstler will das Publikum zum Hören animieren auf viele verschiedene Weise. Meine persönliche Ansicht ist: Ausstellungen mit bildender Kunst sprechen meist deinen Intellekt an, du kannst um das Bild herumgehen, es ansehen, es mit deinem Kopf verarbeiten bevor du es emotional erfasst. Aber besonders Klänge, die von Bildern abgeleitet sind, haben eine unglaubliche emotionale kraft, die uns körperlich berührt, bevor sie unser Bewusstsein erreicht. Und das auf eine Weise wie es das Betrachten eines Bildes nie könnte. Das heißt nicht, dass das eine besser ist als das andere, sie funktionieren nur unterschiedlich. Es ist einfach, zeitgenössische Kunst zu überintellektualisieren und Soundart gibt uns die Möglichkeit erst zu empfinden und dann nachzudenken.

    Mit Charlie Morrow und seinem dreidimensionalen Soundcube und Ron Kuivila’s Rock’s Role – After Ryona-ji sind zwei Klanginstallationen im Festival New Sound New York, die für mich die intensivste und sinnlichste Herausforderung bedeuteten. Im Sounddcube mit 16 Lautsprechern werden 360 Grad Klang um mich herum komponiert und ‚Rock’s Role’ nimmt den japanischen Steingarten im Ryonaji-Kloster zum Vorbild. Wo sonst Steine stehen, hat Ron Kuivila Lautsprecher aufgestellt, die Kieselsteine werden jetzt von weißem Styropor-Verpackungsmaterial dargestellt. Eine Arbeit, die sich in inspirierender Ruhe mit reibenden, rauschenden und punktuellen Klängen entwickelt. Ein Raum zum Verweilen und Sein.