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NGOs auf dem Mittelmeer
Rechte Kritik an Flüchtlingsrettern

Sie versuchen, mit ihren Schiffen an der Küste Nordafrikas Migranten vor dem Ertrinken zu retten: Hilfsorganisationen wie SOS Méditerranée. Nun stehen sie zunehmend in der Kritik, die vor allem von rechtsextremen Bewegungen kommt. Experten sehen darin einen Versuch, die Arbeit der Helfer zu kriminalisieren.

Von Jan-Christoph Kitzler |
    Ein Schlauchboot mit Flüchtlingen ist in der Entfernung im aufgewühlten Mittelmeer zu sehen
    Sind auf Hilfsorganisationen angewiesen, die sie aus Seenot retten: Flüchtlinge auf dem Mittelmeer (picture alliance / dpa / Opielok Offshore Carriers)
    Der Ton ist martialisch – es laufe gerade eine Invasion Europas, heißt es, unser Lebensstil sei in Gefahr, es laufe ein Angriff auf unsere Zukunft: Das behaupten junge Rechtsextreme aus mehreren europäischen Ländern. Lorenzo Fiato aus Mailand ist dabei oder Martin Sellner aus Österreich. Gemeinsam sind die Vertreter der sogenannten Identitären Bewegung vor kurzem nach Sizilien gefahren, haben ein kleines Schlauchboot gemietet und ein Werbevideo gedreht mit dem Titel "Defend Europe". Ihre Gegner sind die Migranten, die über das Mittelmeer kommen – und die Nichtregierungsorganisationen, die mit ihren Schiffen die meisten von ihnen vor der Küste Nordafrikas vor dem Ertrinken retten. "Wir wollen die sogenannten humanitären NGOs bloßstellen. Sie kooperieren mit Menschenschleusern, die vom Elend von Menschen leben," heißt es in dem Video.
    Verena Papke war dabei, als die jungen Rechtsradikalen das Schiff von SOS Méditerranée im Hafen von Catania medienwirksam am Auslaufen hindern wollten: "Für uns sind das einfach Menschen, die nicht verstanden haben, dass Europa zu verteidigen heißt, zu allererst mal die Grundwerte von Solidarität und Menschlichkeit in Wert zu setzen, und das Verteidigen eben nicht heißt, Mauern hochzuziehen. Es sind einfach Menschen, die sich weigern anzuerkennen, dass Flucht und Migration deutlich komplexer Phänomene sind, als diese Personen vielleicht wahrhaben wollen."
    Vorwurf: NGOs erleichtern Schleusern das Geschäft
    Die Vorwürfe gegen Organisationen wie SOS Méditerranée sind gewaltig – und sie kommen nicht nur von den Rechtsextremen, sondern zum Teil auch von Organisationen wie der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex: Die NGOs würden durch ihre Präsenz immer mehr Migranten nach Europa locken, sie erleichterten den Schleusern das Geschäft und seien somit verantwortlich für mehr Tote auf dem Mittelmeer.
    Charles Heller von der University of London hat diese Vorwürfe mit anderen in einer Studie empirisch widerlegt. So gab es schon einen Anstieg der Zahlen, bevor die meisten der NGOs aktiv wurden. Stattdessen, so sagt er, habe es Europa versäumt, das Thema grundlegend anzugehen:
    "Europa hat es bislang abgelehnt, Migration zu organisieren. Und wenn du die Wanderungsbewegungen nicht organisierst, organisieren das andere für dich. Wenn du Migranten und Flüchtlinge nicht umsiedelst, dann machen sie das selbst. Aber statt sicheren und legalen Wegen, die man organisieren und kontrollieren könnte, werden sie gezwungen, Grenzen illegal zu überwinden und ihr Leben zu riskieren. Und das hat in der EU für tiefe, politische Krisen gesorgt."
    Kampagne, um NGOs zu kriminalisieren?
    Seiner Meinung nach laufe gegen die Organisationen und ihre Schiffe gerade eine Kampagne, deren radikalster Ausdruck die Aktionen der Rechtsextremen sind. Während sich gleichzeitig die Staaten zurückziehen und Europa seine Südgrenze zunehmend von der libyschen Küstenwache verteidigen zu lassen versucht:
    "Es gibt ein ernsthaftes Risiko, dass die Delegitimierung und Kriminalisierung von NGOs auf dem Mittelmeer sie dazu zwingen könnte, sich zurück zu ziehen. Und dass würde in der jetzigen Situation zu einem exponentiellen Anstieg der Toten auf See führen."
    Über 7.000 Migranten in diesem Jahr ertrunken
    Über 7.000 Migranten sind allein dieses Jahr schon ertrunken. Bei SOS Méditerranée versuchen sie, gelassen zu bleiben, und weiter möglichst viele Menschen zu retten. Man solle nicht Ursache und Wirkung verwechseln, sagt Verena Papke, die wochenlang auf dem Mittelmeer unterwegs war:
    "Wir sind nicht das Problem, sondern die Antwort darauf, dass Menschen im Mittelmeer sterben. Diese Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage, und das wissen wir mittlerweile und ich finde es einfach schwer bedenklich, mit Gruppierungen mich auseinander zu setzen, die sich nicht auf Fakten berufen, sondern auf eine Verdrehung der Tatsachen."
    Leider aber gibt es auch bei diesem Thema allzu viele, die dafür empfänglich sind. Obwohl die Fakten etwas Anderes sagen.