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Niall Ferguson: "Türme und Plätze"
Netzwerke, Hierarchien und der Kampf um die globale Macht

In seinem neuen Buch warnt der britische Historiker Niall Ferguson vor der ungebrochenen Macht sozialer Netzwerke - und illustriert seine Thesen mit einem packenden Parforceritt durch die Weltgeschichte.

Von Dagmar Röhrlich | 17.06.2018
    Die Bank Monte dei Paschi di Siena
    Die Bank Monte dei Paschi in Siena: Die Türme und Plätze der toskanischen Stadt inspirierten Niall Ferguson (dpa/picture alliance)
    In Siena liegen die Türme der fürstlichen Palazzi an der Piazza, in der der Handel lief und wo sich die Menschen trafen. Und wegen dieses Miteinanders wählte der britische Historiker Niall Ferguson Türme und Plätze als Metapher, um das Konkurrenzverhältnis zu beleuchten zwischen der vertikalen Hierarchie in einer Gesellschaft und den horizontalen Beziehungsnetzwerken, die Menschen normalerweise miteinander verbinden.
    Historische Analyse mittels Netzwerktheorie
    Mit Hilfe der Netzwerktheorie beleuchtet Ferguson über ein halbes Jahrtausend hinweg, wie Erfindungen und neue Ideen auf diese Hierarchien und Netzwerke wirkten. Danach gibt es zwei Phasen, in denen machtvolle Netzwerke die dominante Hierarchie in Frage stellten. Die erste Phase umfasst Renaissance, Reformation und Aufklärung, in der zweiten leben wir seit den 1970er Jahren.
    In beiden Fällen verleihen neue Technologien den Netzwerken Durchschlagskraft: Im 15. Jahrhundert war es der Buchdruck, heute ist es das Internet. Nach der ersten Netzwerkphase konnten die Hierarchien wieder erstarken und auch der momentane Netzwerk-Hype muss nicht in der allgemeinen "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" enden, warnt der Autor.
    Soziale Netzwerke - eine Gefahr für die Demokratie?
    Heute dominieren Google und Facebook den öffentlichen Raum, besitzen und verkaufen die Daten ihrer Nutzer. Sie spalten und polarisieren, sie manipulieren und verstärken Konflikte - und können desaströs wirken für den Fortbestand der Demokratie.
    In seiner Pointierung führt der Historiker die Bedeutung der Netzwerke in menschlichen Gesellschaften vor Augen: Sie sind wichtiger als die in den Geschichtsbüchern normalerweise alles überstrahlenden Hierarchien. Eine Erkenntnis, die zum Nachdenken anregt. Und da das Buch ein echter Ferguson ist, macht der mit Anekdoten und Bonmots gewürzte Parforceritt durch die Weltgeschichte richtig Spaß.
    Türme und Plätze
    Netzwerke, Hierarchien und der Kampf um die globale Macht

    Von Niall Ferguson, Übersetzung Helmut Reuter
    Propyläen Verlag, 640 Seiten, 32,00 Euro