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"Nicht alle mögen uns, aber alle lesen uns"

Im zentralasiatische Kasachstan regiert seit über 20 Jahren Präsident Nursultan Nasarbajew mit seiner Einheitspartei "Strahlendes Vaterland" regieren zu können. Kritik ist unzulässig. Im Dezember lies Nasarbajew unbequeme Medien verbieten. Einen TV-Konzern und zwei Zeitungen.

Von Johannes Nichelmann | 20.04.2013
    "Es stresst mich sehr. Ich bin äußerst unzufrieden! Bei dem Verhältnis zwischen Kasachstan und dem reichen Westen geht es darum, dass man Demokratie gegen Rohstoffe eintauscht. Deutschland, Frankreich - sie reden von Demokratie und machen bei uns eine Ausnahme. Und das ist dann schwierig, wenn man weiß, dass die einzige Hoffnung für Demokratie bei uns noch darin besteht, die Öffentlichkeit in Europa zu bekommen."

    Erzählt der Journalist Igor Winjawski. Der Präsident von Kasachstan, Nursultan Nasarbajew, hält beste Kontakte zum Westen. Sein Land ist außerordentlich reich an Rohstoffen. Ende 2011 streikten Ölarbeiter. Die Regierung ließ die Aufstände brutal niederschlagen. Kritik kam von einigen wenigen Medienvertreten, so auch von Igor Winjawski. Mit der Begründung, er habe zum Sturz der Regierung aufgerufen, kommt er im letzten Jahr schließlich für zwei Monate ins Gefängnis. Er war der Chefredakteur der kasachischen Wochenzeitung "Wsgljad" - "Der Blick". Die hat Nasarbajew, neben einem TV-Anbieter und der Zeitung "Respublika" - "Die Republik" - dann im vergangenen Dezember verbieten lassen. Der Vorwurf: Extremismus. "Respublika" erscheint weiterhin, als PDF-Datei und Online-Ausgabe. Produziert wird in Moskau. Chefredakteurin Irina Petruschowa.

    "Unsere Redaktion in Kasachstan darf nicht mehr arbeiten. Das hat ein Gericht beschlossen. Uns wurde verboten weiter journalistisch tätig zu sein. Deswegen machen wir unser Blatt jetzt von Moskau aus. Diesen Standort haben wir gewählt, weil es hier für uns weniger gefährlich ist. Die zentralasiatischen Themen sind für die russische Regierung nicht so interessant. Aber klar, gegen Putin dürfen wir nichts schreiben. Da hätten wir wieder ein neues Problem."

    Das neue Online-Portal hat wöchentlich um die 100.000 Leser, sagt Petruschowa. Die PDF-Datei wird an 20.000 Menschen verschickt, mit dem Wissen, dass sie in Kasachstan noch weiter verbreitet wird. Für die Chefredakteurin persönlich ist Russland nicht sicher. Von London aus leitet sie die Geschicke ihrer Redaktion. Und die steht weiter unter dem Druck der autoritären Führung, erzählt sie.

    "Vor drei Wochen wurden unsere Mitarbeiter in der kasachischen Redaktion vom Geheimdienst besucht. Ihnen wurde angeboten, dass sie bei uns kündigen. Sonst könnte ihren Familienmitgliedern - Eheleuten, Kindern - etwas zustoßen. Einer Kollegin wurde gesagt, dass wenn sie weiter arbeitet, ihrem Mann Drogen untergeschoben würden. Insgesamt gab es gerade sieben solcher Fälle."

    Auch Igor Winjawski, ehemaliger "Wsgljad"-Chefredakteur, steht noch immer unter Beobachtung, leidet unter den Repressalien der Regierung. Zwar existiert sein Blatt nicht mehr, aber er engagiert sich im Ausland. Winjawski hat Kasachstan verlassen, lebt jetzt in Warschau.

    "Ich habe angefangen mich mit Vertretern des deutschen Bundestags und des EU-Parlaments zu treffen. Zu Hause sagten sie dann über mich, dass ich von der US-Regierung unterstützt und bezahlt werde. Und, dass ich Pornofilme machen würde, bei denen meine Frau und ich vor der Kamera stehen. Außerdem würden wir Kinder missbrauchen, einen Swinger-Club betreiben und schließlich am Ende schlechte Informationen über Kasachstan verbreiten."

    Wer das am Ende glaubt, weiß er auch nicht, sagt Igor Winjawski, zuckt mit den Schultern. Die Opposition im Land sei winzig und erfahre wenig Unterstützung aus der breiten Masse. In Kasachstan fehle die Mittelschicht und das mache es dem Machthaber so einfach. Und dann gibt es da noch diese Statistik, die alles so gut aussehen lässt. 2.500 Medien für gerade einmal 16 Millionen Einwohner.

    "Ja, man spricht immer von diesen 2.500 Medien. In dieser Statistik wird ja aber alles erfasst. Also auch Zeitungen mit Kreuzworträtseln oder Magazine mit Witzen. Wirklich unabhängig sind jetzt noch, ein paar Regionalblätter mit einbezogen, vielleicht so ein Dutzend der Medien."

    Irgendwann, hofft "Respublika2-Chefin Irina Petruschowa, löst die Natur das Problem mit dem über 70 Jahre alten Präsidenten Nasarbajew. Dann erst, so glaubt sie, gäbe es die Chance auf für sie positive Veränderungen in Kasachstan. Mit ihrer Arbeit aus dem Ausland will sie weitermachen. Zumindest solange, wie sie das irgendwie finanzieren können.

    "Wissen Sie, als 2002 die ersten Verfolgungen angefangen haben, hat unsere Redaktion sich eine Devise zugelegt: Nicht alle mögen uns, aber alle lesen uns."#