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Nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt

Fischer brauchen Fische zum Fischen - so schlicht und eingängig diese Botschaft auch ist, sie verhallt oft ungehört. Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast soll im vergangenen Dezember auf der Tagung der EU-Fischereiminister die Sitzung mit Tränen in den Augen und geballten Fäusten verlassen haben, weil damals zwar nach langem Ringen ein mehrjähriger Bewirtschaftungsplan beschlossen wurde, die eigentliche Botschaft dabei aber - bis auf Einzelaspekte - nicht berücksichtigt wurde. Wie beurteilt die deutsche Fischwirtschaft die Situation? Was will und kann sie - neben den vagen Vorgaben der Politik - tun, um das Einkommen der Fischer und gleichzeitig die Grundlagen der Fischerei zu retten? Dazu fand in der Agrarfakultät der Universität Kiel eine Veranstaltung statt.

Von Annette Eversberg |
    Der Fischfang hat auch weltweit ständig zugenommen. Heute liegt er bei 132 Millionen Tonnen. Wenn man das Wachstum genauer betrachtet, stellt man jedoch fest, dass der Zuwachs nicht aus dem so genannten Wildfang kommt. Gestiegen ist nur die Produktion in der Aquakultur. Die Wildfischerei stagniert bereits seit mehr als 12 Jahren bei 93 Millionen Tonnen. Der Grund: Die Meere sind stark überfischt. Und die Bestände einiger Fischarten, wie die des Kabeljaus vor Neufundland haben sich nicht wieder erholt. Das spürt auch die Fischindustrie, die deshalb für ein bestandserhaltendes Fischereimanagement plädiert. Volker Kunztsch, Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels:

    Wir haben unser eigenes Bewertungssystem aufgestellt. Das umfasst 5 Elemente. Einmal die Forschung: Es muss sichergestellt werden, dass wir wissen, was eigentlich im Meer vorkommt. Zum Zweiten müssen Quotensysteme angewendet, so dass jeder weiß, was er wirklich aus dem Meer nehmen darf. Dann muss es so genannte Werkzeuge geben, die das Fischereimanagement unterstützen, wie z.B. Maschenweiten, Tage, die man auf See verbringen darf. Dann muss es natürlich Kontrollen geben, die sicherstellen, dass die Quoten, die vergeben wurden, auch wirklich eingehalten werden. Und dann muss das Ganze einem langfristigen Plan unterliegen, der sagt, wo die Ziele sind, wie hoch die Quoten sein dürfen, um dieses Ziel zu erreichen.

    Entwickelt wurden diese Kriterien vom Marine Stewardship Council, der 1996 vom WWF und dem Unilever-Konzern gegründet wurde. Inzwischen sind darin auch andere Umweltgruppen, Fischfangunternehmen, Verbraucherorganisationen und Regierungsmitglieder vertreten. Denn die Quoten haben z.B. nicht dazu geführt, dass der Fang von Fischen zur Herstellung von Fischöl und Futtermitteln weniger geworden ist. Im Gegenteil. Das Niveau ist so hoch wie eh und je. Außerdem hat die Fischindustrie auch mit dem Quotensystem der Europäischen Union keine guten Erfahrungen gemacht. Der Kabeljaubestand in der Ostsee ist – so Volker Kuntzsch – viel zu niedrig angesetzt:

    Hier werden die Quoten nicht unbedingt den wissenschaftlichen Empfehlungen nach empfunden, sondern oftmals aufgrund der Nationalitäten, die wir in der EU vertreten haben, höher angesetzt, um dafür zu sorgen, dass die Fischer nach wie vor Arbeit haben. Diese Quoten werden leider nicht immer so kontrolliert, wie wir uns das wünschen. Und außerdem werden die Quoten so verteilt, dass Länder ihre Quoten haben und nicht Unternehmen.

    Das hat den Nachteil, dass die Quoten schnell abgefischt werden. Verteilt man die Fischerei nach Quoten auf ein ganzes Jahr, wie es in den USA geschieht, dann lässt sich die Ausbeute sogar steigern, weil durch ein richtiges Management eher größere Fische ins Netz gehen. Wichtig ist auch, dass der Beifang so gering wie möglich ist. Denn Beifang von Jungfischen kann sogar ganze Bestände zusammenbrechen lassen. Wie es in einem Jahr beim Schellfisch passiert ist. Deshalb sieht Volker Kunztsch, der auch Zoologe ist, die rasante Entwicklung der Aquakultur, vor allem in Vietnam und China, durchaus mit gemischten Gefühlen:

    Wir müssen darauf achten, dass ökologisch alles einwandfrei bleibt. Dass die Wildfischerei in Zukunft nicht nur betrieben wird, um als Futtermittel für die Aquakultur zu dienen. Habitate dürfen nicht zerstört werden, und es sollen auch keine Zuchtfische in die Ökosysteme dieser Welt gelangen können. Darauf muss man stark achten.

    Um nicht nur vom nachhaltigem Ressourcenmanagement in den Meeren zu reden, sondern dies auch zu dokumentieren – dafür hat das Marine Stewardship Council ein Logo entwickelt, mit dem die bestandserhaltende Fischerei zertifiziert wird. Mit dem Logo ausgezeichnet wurden bereits die Fischerei des Alaska-Seelachses in den USA, die Westaustralische Langustenfischerei oder die Heringsfischerei in der Themse. Das Label prangt dann auch auf den Packungen im Laden. Christine Steinbauer vom Fisch-Informationszentrum Hamburg sieht dies als positives Signal für den Verbraucher:

    Da die Bestandserhaltung immer mehr in den Vordergrund rückt, sind solche Label auch wichtig, um den Verbraucher an der Theke darauf aufmerksam zu machen, dass da was getan wird.