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Nicht bloß heiße Luft

Technologie.- Die Aschewolke des Vulkans Eyjafjallajökull legte vor zwei Wochen den Flugverkehr über Europa lahm. Messdaten der Wolke unmittelbar nach dem Ausbruch liegen jetzt vor. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek erklärt im Interview mit Monika Seynsche, was diese aussagen.

27.04.2010
    Monika Seynsche: Vor fast genau zwei Wochen brach der Vulkan Eyjafjallajökull aus und stieß eine riesige Aschewolke aus. Die Folgen sind hinreichend bekannt. Heute findet ein Spitzengespräch beim Bundesverkehrsminister in Berlin statt, wo darüber diskutiert wird, wie zukünftig mit solchen Fällen umgegangen werden soll. Immer noch im Raum steht dabei die große Frage: War dieses Flugverbot überhaupt nötig? Forschungsflugzeuge haben zwar mittlerweile Messwerte geliefert, aber diese Flugzeuge sind erst viele Tage nach dem Ausbruch gestartet, als die Stauwolke schon stark verdünnt war. Daten aus den ersten Tagen, direkt nach dem Ausbruch, sind noch nicht veröffentlicht worden. Mein Kollege Volker Mrasek hat sie sich trotzdem schon anschauen können. Herr Mrasek, was sind das für Daten?

    Volker Mrasek: Das sind Daten, die kommen vom Institut für für Troposphärenforschung, das sitzt in Leipzig, in Ostdeutschland. Dort gibt es ein sogenanntes Lidar. Das ist ein sehr leistungsfähiges Laserinstrument, das einen Lichtstrahl in die Atmosphäre schießt. Der wird von Schwebstaub in der Luft gestreut, also auch von Vulkanasche. Dieses Lidar fängt das Rückstreusignal wieder auf und wenn man mit verschiedenen Wellenlängen arbeitet und das tagsüber und auch nachts tut, dann kriegt man nicht nur Informationen über Schichthöhe und Schichtdicke, sondern es ist auch möglich, die Partikelmenge und die Partikelkonzentration zumindest abzuschätzen. Allerdings mit gewissen Unsicherheiten. Der Vulkan auf Island ist ja am 14. April ausgebrochen, am 16. April um drei Uhr morgens hatte die Aschewolke Leipzig erreicht. Sie ist mit starkem Westwind um die 150 Kilometer pro Stunde schnell, im Eiltempo quasi, nach Norddeutschland hineingeweht worden. Und Leipzig war eine der ersten beiden Messstationen auf deutschem Gebiet neben Hamburg, die diese Staubwolke vermessen hat, als sie noch ziemlich jung und richtig dick war.

    Seynsche: Und was sagen diese Daten jetzt?

    Mrasek: Die Leipziger Atmosphärenforscher schreiben gerade an einem Artikel, den sie möglichst schnell bei einem Fachjournal einreichen wollen. Und nach ihren Abschätzungen hatte der Vulkanstaub, als er Norddeutschland erreichte, eine Konzentration von 600 bis 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das ist wesentlich mehr, viel, viel mehr als bei den Flugzeugmessungen Tage später ermittelt wurde. Das waren so um die maximal 100 Mikrogramm pro Kubikmeter. Das ist auch schlüssig. Die Staubwolke wird mit der Zeit immer dünner. Sie altert, so nennen das die Forscher. Das heißt, die Partikel fallen allmählich aus der Atmosphäre heraus, die größten zuerst. Und die Flugzeuge haben also gar nicht mehr das ganze Ausmaß dieser Belastung gesehen. Die war am Anfang viel größer. Und diese hohen Messwerte von schätzungsweise bis zu einem Milligramm Staub pro Kubikmeter Luft wurden in Leipzig immerhin fünf Stunden lang gemessen und die Aschewolke reichte dabei bis in sechs Kilometer Höhe. Also durchaus bis in die Flugkorridore.

    Seynsche: Sie haben gerade gesagt "schätzungsweise". Wie genau sind denn diese Messungen?

    Mrasek: Mann muss sagen, dass eine sehr genaue Bestimmung der Partikelkonzentration eigentlich nur dann möglich wäre, wenn man im Moment dieser Lidar-Messung genau wüsste, wie das Größenspektrum der Vulkanascheteilchen in der Wolke ist, die der Messstrahl trifft. Also: Wie viel feiner Staub ist da drin? Wie viel gröberer Staub? Wie viel sehr feiner Staub? Das ist aber nicht der Fall. Und deswegen ist es ein bisschen schwierig, diese Rückstreusignale, die das Gerät einfängt, die eben abhängig sind von der Größe der Partikel, die rückstreuen, zu ermitteln. Man kriegt also im Ergebnis nur eine Näherung. Mann darf an der Stelle vielleicht auch noch ergänzen, dass es Messungen des Deutschen Wetterdienstes gegeben hat. Der Wetterdienst unterhält ja bekanntlich ein Netz von Messstationen im ganzen Land und außerdem betreibt er auch sogenannte Flugwetterwarten an den großen deutschen Flughäfen – insgesamt an 17 Stück. Auch dort gibt es Laser-Messgeräte, sogenannte Ceilometer. Und ein solches steht zum Beispiel auch auf dem Observatorium Hohenpeißenberg südwestlich von München. Da ist die Vulkanasche auch drübergegangen. Der Vorhang über Deutschland hat sich ja von Norden nach Süden zugezogen. Die Wolke war am 16. April abends da, ungefähr 17 Stunden später als in Leipzig. Und dort hat man auch schon erste vorläufige Interpretationen der Ergebnisse vorgenommen und man sagt, da lag die Konzentration im Bereich von 300 bis 500 Mikrogramm pro Kubikmeter, also auch wiederum wesentlich höher als die Flugzeuge. Ein bisschen weniger als in Leipzig, wobei die Forscher sagen, die Leipziger Geräte sind die verlässlicheren.

    Seynsche: Was kann man denn jetzt daraus schließen? War es gefährlich?

    Mrasek: Das kann man im Moment noch nicht sagen, weil es tatsächlich keinen Grenzwert gibt. Da haben heute die Deutsche Flugsicherung und der Wetterdienst nochmal bestätigt: Es gibt keine Grenzwerte für den deutschen Luftraum. In England werden solche neuerdings diskutiert. Die liegen im Bereich von 1000 oder 2000 Mikrogramm pro Kubikmeter. Aber wo die herstammen, ist im Moment wirklich nicht klar. Die Messungen der Leipziger gehen in etwa in den Bereich und Verkehrsminister Ramsauer hat auch gerade noch einmal betont – die Agenturen sagen das – bei dem Spitzengespräch in Berlin: Wir brauchen einheitliche Grenzwerte für ganz Europa.
    Seynsche: Vielen Dank. Volker Mrasek war das über Ergebnisse der Aschewolke direkt nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull.