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Nicht die Huren profitieren

Ein Montagnachmittag im "Paradise". Der FKK-Club vor den Toren Stuttgarts gilt als europaweit größtes Bordell. Ein Puff, der sich um Wellness- und Loungecharakter bemüht. Saunalandschaft und Eisgrotte, Plüsch aus Marokko, Zigarren aus Cuba und viele Frauen aus Osteuropa – so die Auskunft der Polizei.

Von Stefanie Meinecke | 11.01.2012
    Das Licht ist gedämpft. Die Farben verschwimmen. Es riecht nach geduschten und gecremten Körpern. Die Frauen sind nackt; manche tragen Hüftgürtel, fast alle High Heels. Wer hier arbeitet, muss sich zeigen, werben, konkurrieren – das ist Teil des Geschäfts. Brüste, Po, Füße, Schulterblatt ... irritierend schnell reduziert sich hier der weibliche Körper auf seine Einzelteile. Die potenziellen Freier tragen Frotteemantel und Badelatschen, manche Glatze und Brille.

    Mehr als 55.000 Freier gehen hier pro Jahr ein und aus. Das Geschäft boomt – wie überall in Deutschland - geschützt durch deutsches Recht. Allein Paradise-Inhaber Jürgen Rudloff setzt Millionen um. Der Mann sieht zufrieden aus: Smart, gepflegt, im Anzug – einer, der auch Versicherungen verkaufen könnte. Vor zehn Jahren trat das deutsche Prostitutionsgesetz in Kraft, zeitgleich wurde das Strafgesetz so verändert, dass die Förderung von Prostitution nicht mehr strafbar ist. Und seither, lächelt Rudloff, sei für ihn alles viel leichter geworden.

    "Gesetz – legal. Das für mich nen Vorteil, wirklich nur nen Vorteil. Dass man wirklich ohne Ängste ins Bett abends liegen hat können und ohne Ängste morgens wieder aufstehen. Vor allem, man kann offiziell werben. 30.000, 40.000 Euro Werbekosten im Monat, ja. Da verdient ja wieder irgendein Verlag da dran. Man muss ja auch mal das Drumherum sehen. Es ist einfach so."

    Rudloff wirkt harmlos mit seinem breiten Schwäbisch und seiner braven Föhnfrisur. Wenn man es nur wollte, der Mann würde einem gerne die Welt erklären. Seine Welt natürlich, die – das betont er immer wieder – so "wunderbar ruhig" geworden sei, seit es das deutsche Prostitutionsgesetz gibt. Nur als die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren das Prostitutionsgesetz verabschiedete, da ging es gewiss nicht um den ruhigen Schlaf der Bordell-Investoren oder "Sexclubkönigen", wie Rudloff auch ganz gern mal genannt wird. Im Fokus des Gesetzgebers stand die Lebenswirklichkeit von Prostituierten; sie sollte positiv verändert werden. Aus dem Munde der SPD-Politikerin Anni Brandt-Elsweier hörte sich das im Bundestag damals so an.

    "Ich betone noch mal ausdrücklich unser Ziel, die Situation von Prostituierten zu verbessern, ihnen mehr Rechte in die Hände zu geben, ihr Selbstverständnis und ihre Position gegenüber Freiern und Zuhältern zu stärken."

    Am 1. Januar 2002 trat das deutsche Prostitutionsgesetz in Kraft. Seither ist Anschaffen nicht mehr sittenwidrig; Huren können ihren Lohn in Deutschland einklagen und haben - gesetzlich verbürgt - Zugang zur Sozialversicherung. Denn Frauen, die sich prostituieren, sollen es in möglichst geordneten Beschäftigungsverhältnissen tun. Der Straftatbestand der "Förderung von Prostitution" wurde aufgehoben; das Milieu sollte auf diese Weise entkriminalisiert werden. Festgeschrieben wurde außerdem das Angebot von Ausstiegsmöglichkeiten. Das heißt in erster Linie Hilfestellungen beim Wiedereinstieg in bürgerliche Berufe. Vor allem Politikerinnen und Intellektuelle lobten das Gesetz damals als Errungenschaft einer liberalen, emanzipierten Gesellschaft. Ein paar Etagen tiefer im sozialen Gefüge ist das Echo ein anderes: Viele Prostituierte zweifelten die Segnungen dieses Gesetzes im Laufe der Jahre immer wieder an.

    "Ich könnte nicht behaupten, dass sich hier etwas geändert hätte an der Straße. Wir sind genauso schlecht im Ansehen."
    "Entweder der Mensch ist tolerant von Haus aus oder er akzeptiert das nicht – muss er ja auch nicht – da hilft dann auch kein Gesetz."
    "Gesellschaftlich ist man da trotzdem geächtet. Wenn das jemand weiß: ‘ah Du Nutte, Du gehst jetzt anschaffen’"
    "Von Tag zu Tag wird es schlimmer. Es ist schlimmer geworden und es wird noch schlimmer."

    Wenn es zu schlimm wird, dann bietet die Anlaufstelle La Strada in Stuttgart den Frauen eine kurze Auszeit vom Strich. Das La Strada ist eine Art Café, dort gibt es Essen, Kondome, medizinische Hilfe und Zuwendung von vielen ehrenamtlichen Helferinnen und von Sabine Constabel. Sie ist Sozialarbeiterin am Gesundheitsamt und einer der wenigen in Deutschland, die das Prostitutionsgesetz offen und beständig kritisieren. Constabels Kritik wurzelt in mehr als zwei Jahrzehnten Sozialarbeit mit Prostituierten. Das Gesetz bringe den Frauen nichts, weil es ein bürgerliches Gesetz sei; das Milieu aber funktioniere nach anderen, nach eigenen Regeln. Die Paragrafen, klagt Sabine Constabel, gingen am Alltag der Prostituierten komplett vorbei.

    "Die Frauen verkaufen ihren Körper, also nicht nur ihre Sexualität. Der Freier fasst sie an, dringt in sie ein. Prostitution tut weh, und entsprechend sind die Verletzungen. Und diese Verletzungen, die sie immer wieder wegstecken müssen, führen dazu, dass sie bestimmte Überlebensstrategien entwickeln müssen. Also ganz viele Frauen sind tablettenabhängig. Das verunmöglicht, dass die Frauen so ein bürgerliches Wertesystem aufbauen können, wo sie zum Beispiel sagen, dieses Geld lege ich jetzt zurück, dass ich mir da was aufbauen kann, zum Beispiel in ne Krankenversicherung einzahlen. Dieser Gedanke ist völlig unmöglich; das machen die Frauen nicht. Die leben von diesem Tag zum nächsten."

    Amelie - nennen wir sie Amelie, um sie zu schützen – weiß, wovon Sabine Constabel spricht. Die 45-jährige Französin hat viele Jahre als sogenannte Terminfrau in Deutschland gearbeitet; das sind Prostituierte, die meist wochenweise ihren Standort wechseln, kreuz und quer durch die Republik reisen, in Appartements anschaffen und Kunden aus "sogenannten gehobenen Kreisen" bedienen.

    "Ich hatte keinen Zuhälter gehabt. Ich war freiwillig. Die Männer wollten meine Jugend und ich wollte Geld."

    Lange Zeit, sagt Amelie, ging dieses Konzept auf. Irgendwann dann nicht mehr. Die Forderungen der Freier seien immer perverser geworden; das Preisdiktat aufgrund wachsender Konkurrenz sei immer härter. Rücklagen hat Amelie keine; im Moment versucht sie sich eine neue Existenz aufzubauen. Sie macht eine Berufsausbildung im sozialen Bereich und träumt von einem ganz "normalen" Alltag.

    "Bürgerliches Leben, ein normaler Job, traumhaft."

    Die 45-Jährige hat sich die Figur eines jungen Mädchens bewahrt: schlank, federnd; das brünette Haar trägt Amelie streng zurückgekämmt in einem Pferdeschwanz. Ihre Hände sind zart und feingliedrig und begleiten jedes Wort mit fließenden, weichen Bewegungen – selbst wenn sie sich aufregt – zum Beispiel über das deutsche Prostitutionsgesetz, das für sie die Diskussion über den Alltag auf dem Strich weichspült. Das merkt man – ihrer Ansicht nach - bereits an der Wortwahl: Begriffe wie "sexuelle Dienstleistung", "ältestes Gewerbe der Welt", "ein Job wie jeder andere" – all das kann und will Amelie nicht mehr hören.

    "Diese Banalisierung macht mir krank. Das ist total banalisiert, total falsch. Ein Job wie ein anderer? Ich glaube nicht. Das ist nicht nur physisch, das ist seelisch."

    So fällt auch Amelies Bilanz nach zehn Jahren Prostitutionsgesetz bitter aus:

    "Für mich hat es absolut nix gebracht und ich kenne keine Prostituierte, die sagt: Wow, hat mir viel gebracht."

    Auch die Bundesregierung kennt die Schwachstellen des Gesetzes. Bereits vor fünf Jahren kritisierte die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), dass kaum eine Prostituierte einen Arbeitsvertrag hat - einen solchen besitzt gerade einmal ein Prozent der Frauen. Außerdem stellte die Ministerin fest, dass der Zugang zur Sozialversicherung kaum stärker genutzt wird als vor Inkrafttreten des Gesetzes, und dass es auch in Sachen Kriminalität kaum Veränderungen gibt.

    "Gleiches gilt für den Ausstieg aus der Prostitution. Er ist zwar jederzeit möglich. Die tatsächlichen Möglichkeiten sind jedoch bislang nicht verbessert worden. Die Bilanz des Gesetzes fällt somit ernüchternd aus."

    Von der Leyens Aussagen beziehen sich auf einen wissenschaftlichen Bericht zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2007. Auf diesen verweist auch ihre Nachfolgerin im Amt, Kristina Schröder. Leider nur schriftlich. Die Pressestelle teilt u.a. mit:

    "Die Bundesregierung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es eines insgesamt breiteren Ansatzes der Reglementierung der Prostitution bedarf". Und weiter: "Die Bundesregierung prüft zur Zeit, welcher ergänzenden Regelungen es bedarf."

    Ein erläuterndes Gespräch lehnte das zuständige Bundesministerium aus Termingründen jedoch ab. Die baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter von der SPD kommentiert das kurz und knapp:

    "Das heißt schlicht und ergreifend, dass in dieser Legislaturperiode nichts mehr geschieht."

    Vor einem knappen Jahr brachte das Land Baden-Württemberg – damals noch unter der CDU/FDP-geführten Regierung - gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Bundesratsinitiative auf den Weg. Der Bundesrat stellte darin fest, dass die Legalisierung der Prostitution unter anderem die Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten der Polizei so stark beschneidet, dass das – Zitat – "für Prostituierte nicht hinnehmbare Gefahren für Leben, Gesundheit und körperliche und seelische Unversehrtheit birgt" – Zitat Ende. Außerdem weist der Bundesrat hin auf ein erhebliches Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordellbetreibern auf der einen Seite und Prostituierten auf der anderen Seite. Die Länder forderten die Bundesregierung auf, weitere Regelungen zu erlassen, zum Beispiel eine Erlaubnis- und Meldepflicht für Prostitutionsstätten. Außerdem soll die Prävention bei sexuell übertragbaren Krankheiten verstärkt und eine Kondompflicht eingefordert werden. Geschehen sei bislang nichts, weiß die baden-württembergische Sozialministerin Altpeter. Auch ihre Bilanz muss bescheiden bleiben.

    "Ich kann heute nach zehn Jahren nur sagen, dass wir erkennen müssen, dass die Ziele des Gesetzes nur teilweise erreicht wurden. Aber wir sind auch der Auffassung, dass wir mit der Rückkehr zur alten Gesetzeslage Frauen und Mädchen sicher nicht besser hätten schützen können."

    Etwa 400.000 Frauen – so schätzt die Berliner Hurenorganisation Hydra – schaffen in Deutschland an - auf dem Straßenstrich, Bordellen, Appartements oder Clubs. Statistisches Material und belastbare Zahlen gibt es im Bereich der Prostitution so gut wie nicht. Soziologen der Freien Universität Berlin veröffentlichten Anfang der 90er-Jahre eine Studie über Prostitutionskunden. Sie stellten darin fest, dass 18 Prozent der geschlechtsreifen Männer gerne auf bezahlten Sex zurückgreifen. Dieser Herr aus Oberbayern tut das zum Beispiel immer mal wieder im FKK-Club vor den Toren Stuttgarts.

    "Ich bin jetzt zum dritten Mal hier. Also ich finde es wirklich vom Preis-Leistungsverhältnis sehr, sehr gut. Manchmal hat ja vielleicht auch Spaß an was Neuem. Dafür kommt man ja auch her."

    Bereitwillig erzählt der drahtige Bayer noch, dass er in einer glücklichen Beziehung lebe; er spricht über seine sexuelle Erleichterung wie andere über eingewachsene Zehennägel. Nein, meint er noch, seine Partnerin wisse natürlich nichts von seinen Ausflügen ins Bordell.

    "Ich meine, das macht man halt in Verbindung mit einer Geschäftsreise. Und dann hat man auch zuhause wieder mehr Spaß. Ich mein, das Kopfkino nimmt man ja mit, genau."

    Der durchschnittliche Freier ist - laut Berliner Studie - übrigens eher "aggressiv gehemmt" und hat tendenziell eine eher negative Lebenseinstellung. Interessant ist am Rande: Je höher das Einkommen, desto weniger haben die Freier Lust auf ein Kondom. Die Soziologen deuteten dies damals als "Machtgebärde". Auf der Straße sei dieses Verlangen nach sogenanntem "tabulosem Sex", das heißt nach ungeschütztem Oral- und Geschlechtsverkehr mittlerweile Alltag, sagt die Stuttgarter Sozialarbeiterin Sabine Constabel. Vor allem Frauen aus Osteuropa würden sich dem Diktat der deutschen Freier beugen, einfach um zu überleben. Ariana aus Bulgarien scheint da eine Ausnahme zu sein. Die dunkelhaarige Frau schafft seit zwei Jahren in Stuttgart an.

    "Heute ein Kunde, will ohne Kondom, ich gesagt: nein. Dieser rein mit anderer Frau. Ich ohne Geld, ohne Essen. "

    Ariana ist eine der unzähligen Armutsprostituierten, die seit der EU-Ost-Erweiterung legal und unkontrolliert in Deutschland anschaffen, um in den Heimatländern die Existenz ihrer Familien zu sichern. Mit ihrem Lohn unterstützt Ariana ihre Eltern und finanziert das Studium ihres Sohnes. Bei anderen Frauen kassiert der mitgereiste Zuhälter gleich vor Ort ab:

    "Das ist ein Sklavenmarkt, der hier stattfindet. Die werden irgendwo aufgelesen, werden in Bussen hierher gekarrt und auf die Straße gestellt. Und die Männer sind immer dabei. Die sind überall. Die Frauen verdienen keinen Euro für sich. Die arbeiten und bekommen ne Unterkunft und Essen und nicht mal das ist selbstverständlich. Viele Frauen bekommen nicht mal Essen dafür."

    Mangelernährt, geschwächt und krank – so tauchen viele in ihrer Beratungsstelle La Strada auf, berichtet Sabine Constabel. Hin und wieder seien auch arbeitslose Akademikerinnen, Lehrerinnen, Übersetzerinnen unter den Armutsprostituierten, für die der Job in Deutschland oft der letzte Strohhalm ist angesichts der Misere in ihren Herkunftsländern. Viele Frauen seien sich bewusst darüber, dass die Reise nach Deutschland in die Prostitution führt. Diese Frauen zählen zwar nicht zu den 610 Opfern der Zwangsprostitution, die für das Jahr 2010 in der Statistik des Bundeskriminalamtes vermerkt sind. Aber ihr Alltag fühle sich kaum besser an, sagt Wolfgang Hohmann, der Leiter des Ermittlungsdienstes Prostitution in Stuttgart.

    "Also, die sind deutlich unter Druck. Man merkt´s daran, dass sie eng betreut und beaufsichtigt werden durch ihre Männer, die im Hintergrund immer irgendwo zu sehen sind oder da sind. Manchmal auch in den Zimmern der Frauen wohnen und dann praktisch nur platz machen für den Freier, um das Geschäft zu ermöglichen. Von daher ist natürlich eine nahtlose Aufsicht und ein gewisser Druck und Zwang stets spürbar."

    Aber leider, solange die Frau stillhält und nicht gegen ihren Peiniger aussagt, sind der Polizei die Hände gebunden. Auch das sei eine Blüte des deutschen Prostitutionsgesetzes, das eines der liberalsten in Europa ist. Nachdenklich macht den Beamten ein Blick über die Grenzen – zum Beispiel nach Frankreich.

    "In Frankreich saßen einige uns bekannte Personen, die auch hin Stuttgart schon Prostitutionsobjekte hatten oder Prostituierte für sich arbeiten ließen. Und die haben oder in Frankreich nichts anderes gemacht als hier. Und dort gab es eben ganz deutliche Gefängnisstrafen allein dafür, wenn sie ihre Frauen zur Arbeit fahren, abgeholt haben oder deren Geld verwahrt haben. Das allein reicht bei uns für gar nichts. Dort reicht es für fünf Jahre."

    Auch in Rudloffs Club bei Stuttgart arbeiten viele Osteuropäerinnen. Zwangsprostitution, Menschenhandel, Zuhältertum - mit alldem wollen Jürgen Rudloff und sein Pressesprecher – er nennt sich tatsächlich so - Michael Beretin nichts zu tun haben. Die beiden Männer sehen sich als Hoteliers und Gastronomen.

    "Was ne Frau oder was ein männlicher Gast mit einer Frau auf dem Zimmer anstellt– die ja, die Dienstleistung klären Mann und Frau miteinander ab - haben wir nix mit zu tun. Auch mit der Bezahlung nicht. Wir stellen im Prinzip die Räumlichkeiten zur Verfügung. Wir kriegen von beiden Beteiligten den Eintritt und was die beiden miteinander haben, ist deren Geschichte."

    Die freie, selbstbestimmte Hure, die zwanglos ihre Dienste anbietet, das war vor zehn Jahren die Leitfigur für ein Gesetz, das den Alltag von Prostituierten verbessern sollte. Der Pressesprecher des Stuttgarter Clubs präsentiert einem gerne ein Abziehbild dieser Fiktion: Er winkt Kira herbei und beschwört nebenbei die Hygiene im Haus, indem er erklärt, dass man hier garantiert keinen Fußpilz bekomme. Nackt nimmt Kira willig Platz und spricht ins Mikrofon.

    "Ich finde es ok hier. Ich fühl mich hier auch wohl. Ich hab da jetzt irgendwie auch kein Problem damit mit dem Job hier, mit allem. Ich mach das auch nicht hauptberuflich. Ich bin Kosmetikerin."

    Jürgen Rudloff wird - mithilfe der Frauen - in diesem Jahr noch expandieren. Drei weitere Clubs sollen aufmachen. Mittlerweile sei er auch bei Banken ein gern gesehener Kunde, sagt der Clubbesitzer selbstbewusst: Geld überzeuge eben.

    Männer wie er sind die Profiteure des deutschen Prostitutionsgesetzes. Jürgen Rudloff träumt vom Börsengang und von mehr gesellschaftlicher Anerkennung für seine Branche. Aber egal wie edel die Ausstattung, wie sauber die Leintücher auch sein mögen – am Ende, sagt Sabine Constabel, bleibe das übrig, was Frauen irgendwann kaputtmache:

    "Die Frauen sagen zum Beispiel: `Der Schwanz berührt die Seele`. Das ist eine Stelle, wo Du dich am wenigsten schützen kannst. Körperliche Gewalt ist was anderes. Aber sexuelle Gewalt geht tief und trifft einen sehr ungeschützt. Und da ist es ganz egal, ob da ein flauschiger Teppich im Zimmer liegt, ob der Wasserhahn vergoldet ist, ob die Wand schön gestrichen ist oder ob nebenan ein schickes Bad ist oder nur eine vergammelte Dusche. Natürlich ist es netter, irgendwie in einem Ambiente, das ordentlich ist, anzuschaffen. Es mindert aber nicht den Schmerz."

    Die Sozialarbeiterin hegt viel Sympathie für den Weg, den Schweden in Sachen Prostitution geht. Schweden stellte den Kauf von sexuellen Dienstleistungen Ende der 1990er-Jahre unter Strafe, um so die Würde von Frauen zu schützen. Wohlgemerkt: Dort wird der Freier bestraft, nicht die Hure. Inzwischen stehen mehr als 80 Prozent der Schweden hinter ihrem Gesetz.