In einem kleinen, familiären Cafe im Prager Stadtteil Vinohrady - Libuse Belunkova, Chefredakteurin der alternativen Kulturzeitschrift "A2", diskutiert mit einer Kollegin über EU-Ratspräsidentschaft und Kulturpolitik. Beide sind verärgert und ratlos zugleich:
"In kultureller Hinsicht ist der tschechische EU-Vorsitz eine vertane Chance - unvorbereitet und konzeptionslos. Dabei hätten eigentlich beide Seiten, Tschechien und die EU, davon profitieren können. Wir hätten an die Debatte um eine europäische Kulturpolitik anknüpfen können - wenn man sich darauf vorbereitet hätte, die hiesige Kulturszene jedenfalls hätte das Zeug dazu gehabt."
Von politischer Seite hingegen war es nicht gewünscht, ein halbes Jahr lang "kultureller Motor" der EU zu sein. In der Prioritätenliste der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft kommt das Wort 'Kultur' kein einziges Mal vor, und auch das kulturelle Begleitprogramm erscheint eher wahllos zusammengewürfelt. Statt auf innovative Impulse setzt die tschechische Regierung vor allem auf bewährte "Klassiker": Franz Kafka, Jiri Trnka, Bohuslav Martinu - letzterer ist das Flagschiff des tschechischen EU-Kulturprogramms, sein 50. Todestag wird in diesem Jahr weltweit begangen.
"Hier wird immer nur konserviert, die Tschechen sind ein Volk von Konservatoren. Symptomatisch dafür ist die Entscheidung des Kultusministeriums, in diesem Jahr bis zu 35 Prozent weniger Mittel in zeitgenössische Kunst zu investieren und das Geld stattdessen in den Denkmalschutz umzuschichten. Das ist besonders schade für andere Bereiche, wo sich zur Zeit sehr viel tut: in der Bildenden Kunst etwa, im experimentellen Theater, im Dokumentar- und Zeichentrickfilm."
Umschichten in einem ohnehin mageren Kulturbudget: Nur 0,76 Prozent des tschechischen Staatshaushalts floss 2008 in den Kultursektor - das ist weit weniger als in anderen europäischen Ländern. Das Hauptproblem liege aber nicht im Etat, sondern in den Köpfen, meint Yvona Kreuzmannova, ehemalige Beraterin im tschechischen Kultusministerium und Gründerin des ersten Tanztheaters in Prag:
"Die Politiker müssen aufhören, die Kultur als rein ideellen Wert zu begreifen, der nur den Staatshaushalt belastet. Alle EU-Studien zu diesem Thema haben gezeigt, dass die Kultur eindeutig auch ein Wirtschaftsfaktor ist und in Europa einen größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat als etwa die Automobilindustrie. Diesen wirtschaftlichen Gewinn begreifen hiesige Politiker noch nicht. Und das ist ein großer Fehler."
Tschechische Politiker rühmen sich zwar immer wieder gerne mit der reichen Kulturtradition ihres Landes, behandeln Kultur aber meist wie ein lästiges Anhängsel oder instrumentalisieren sie politisch - wie jüngst im Streit um den Neubau der Nationalbibliothek, als der futuristische Entwurf des renommierten Architekten Jan Kaplicky die internationale Ausschreibung für den Neubau gewann und dann einer emotionalen politischen Debatte zum Opfer fiel und letztlich abgesägt wurde.
Die Erinnerung daran sitzt tief bei den Künstlern und auch an den Vorschlag des Prager Kulturstadtrats, die Theaterförderung künftig von der Zahl der verkauften Eintrittskarten abhängig zu machen. Die Initiative wurde nach landesweiten Protesten zwar gestoppt, geblieben ist in der Kulturszene aber ein Gefühl von Resignation.
"Die Künstler erwarten sich von dem EU-Beitritt fast gar nichts, bei ihnen überwiegen Skepsis und ein Gefühl der Machtlosigkeit, weil sich die Politiker nicht für die Kultur interessieren, sich arrogant und korrupt verhalten und überhaupt keinen Dialog mit den Künstlern suchen."
Ein paar Metrostationen von Kreuzmannovas Theater entfernt, in der Prager Altstadt: Etwas abgeschirmt vom Haupttouristenstrom, in einem historischen Innenhof, liegt das Institut für Kunst und Theater. Die Direktorin, Eva Zakova, organisiert die erste internationale Konferenz des tschechischen Kultusministeriums in Prag seit 1989 - das "Forum für ein kreatives Europa", nach Meinung vieler Beobachter eine der vielversprechendsten Veranstaltungen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft:
"Im Grunde ist es eine Fortsetzung der europäischen Diskussion über "kreative Ökonomie". Diese Debatte ist jetzt besonders aktuell, denn es geht auch darum, dass Kunst und Kultur neue Impulse zur Lösung der gegenwärtigen Finanzkrise setzen könnten. Vor allem aber sieht Zakova in dem Forum die große Chance, dass es in der tschechischen Kulturpolitik endlich zu einem Umdenken kommt und zu einer offenen Diskussion."
"In kultureller Hinsicht ist der tschechische EU-Vorsitz eine vertane Chance - unvorbereitet und konzeptionslos. Dabei hätten eigentlich beide Seiten, Tschechien und die EU, davon profitieren können. Wir hätten an die Debatte um eine europäische Kulturpolitik anknüpfen können - wenn man sich darauf vorbereitet hätte, die hiesige Kulturszene jedenfalls hätte das Zeug dazu gehabt."
Von politischer Seite hingegen war es nicht gewünscht, ein halbes Jahr lang "kultureller Motor" der EU zu sein. In der Prioritätenliste der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft kommt das Wort 'Kultur' kein einziges Mal vor, und auch das kulturelle Begleitprogramm erscheint eher wahllos zusammengewürfelt. Statt auf innovative Impulse setzt die tschechische Regierung vor allem auf bewährte "Klassiker": Franz Kafka, Jiri Trnka, Bohuslav Martinu - letzterer ist das Flagschiff des tschechischen EU-Kulturprogramms, sein 50. Todestag wird in diesem Jahr weltweit begangen.
"Hier wird immer nur konserviert, die Tschechen sind ein Volk von Konservatoren. Symptomatisch dafür ist die Entscheidung des Kultusministeriums, in diesem Jahr bis zu 35 Prozent weniger Mittel in zeitgenössische Kunst zu investieren und das Geld stattdessen in den Denkmalschutz umzuschichten. Das ist besonders schade für andere Bereiche, wo sich zur Zeit sehr viel tut: in der Bildenden Kunst etwa, im experimentellen Theater, im Dokumentar- und Zeichentrickfilm."
Umschichten in einem ohnehin mageren Kulturbudget: Nur 0,76 Prozent des tschechischen Staatshaushalts floss 2008 in den Kultursektor - das ist weit weniger als in anderen europäischen Ländern. Das Hauptproblem liege aber nicht im Etat, sondern in den Köpfen, meint Yvona Kreuzmannova, ehemalige Beraterin im tschechischen Kultusministerium und Gründerin des ersten Tanztheaters in Prag:
"Die Politiker müssen aufhören, die Kultur als rein ideellen Wert zu begreifen, der nur den Staatshaushalt belastet. Alle EU-Studien zu diesem Thema haben gezeigt, dass die Kultur eindeutig auch ein Wirtschaftsfaktor ist und in Europa einen größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat als etwa die Automobilindustrie. Diesen wirtschaftlichen Gewinn begreifen hiesige Politiker noch nicht. Und das ist ein großer Fehler."
Tschechische Politiker rühmen sich zwar immer wieder gerne mit der reichen Kulturtradition ihres Landes, behandeln Kultur aber meist wie ein lästiges Anhängsel oder instrumentalisieren sie politisch - wie jüngst im Streit um den Neubau der Nationalbibliothek, als der futuristische Entwurf des renommierten Architekten Jan Kaplicky die internationale Ausschreibung für den Neubau gewann und dann einer emotionalen politischen Debatte zum Opfer fiel und letztlich abgesägt wurde.
Die Erinnerung daran sitzt tief bei den Künstlern und auch an den Vorschlag des Prager Kulturstadtrats, die Theaterförderung künftig von der Zahl der verkauften Eintrittskarten abhängig zu machen. Die Initiative wurde nach landesweiten Protesten zwar gestoppt, geblieben ist in der Kulturszene aber ein Gefühl von Resignation.
"Die Künstler erwarten sich von dem EU-Beitritt fast gar nichts, bei ihnen überwiegen Skepsis und ein Gefühl der Machtlosigkeit, weil sich die Politiker nicht für die Kultur interessieren, sich arrogant und korrupt verhalten und überhaupt keinen Dialog mit den Künstlern suchen."
Ein paar Metrostationen von Kreuzmannovas Theater entfernt, in der Prager Altstadt: Etwas abgeschirmt vom Haupttouristenstrom, in einem historischen Innenhof, liegt das Institut für Kunst und Theater. Die Direktorin, Eva Zakova, organisiert die erste internationale Konferenz des tschechischen Kultusministeriums in Prag seit 1989 - das "Forum für ein kreatives Europa", nach Meinung vieler Beobachter eine der vielversprechendsten Veranstaltungen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft:
"Im Grunde ist es eine Fortsetzung der europäischen Diskussion über "kreative Ökonomie". Diese Debatte ist jetzt besonders aktuell, denn es geht auch darum, dass Kunst und Kultur neue Impulse zur Lösung der gegenwärtigen Finanzkrise setzen könnten. Vor allem aber sieht Zakova in dem Forum die große Chance, dass es in der tschechischen Kulturpolitik endlich zu einem Umdenken kommt und zu einer offenen Diskussion."