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Nicht für Männer

Am Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) in Berlin wird im Moment das Konzept für eine Frauenhochschule entwickelt. Durch ein weiblicheres, passgenaues akademisches Angebot soll die Abwanderung von klugen Frauen in Ostdeutschland gebremst werden.

Moderation: Kate Maleike | 03.07.2007
    Kate Maleike: Dr. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) in Berlin ist im Moment mit einem recht weiblichen Thema beschäftigt, denn er entwickelt zusammen mit seinem Team ein Konzept für eine Frauenhochschule. Damit soll die Abwanderung von klugen Frauen in Ostdeutschland gebremst werden. Das weiblichere, passgenaue akademische Angebot soll eine Art Damm bilden. Wie das funktionieren soll, darüber wollen wir jetzt reden. Schönen guten Tag, Herr Dohmen!
    Dieter Dohmen: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Wie muss man sich denn die Frauenhochschule vorstellen? Soll da eine neue eigene Hochschule entstehen oder soll an den bestehenden Hochschulen ein frauenspezifischeres Angebot gemacht werden?
    Dohmen: Also im Prinzip geht es in beide Richtungen. Man kann sich die Frauenhochschule - und der Begriff Frauenhochschule und nicht Frauen-Universität ist bewusst gewählt worden - dass man dieses durchaus als eigene Einrichtung verstehen kann. Auf der anderen Seite ist der verschiedentliche Hinweis, dass man damit alleine die "Frauenproblematik" in Anführungszeichen nicht lösen kann, sicherlich richtig. Das heißt, es muss darum gehen, an den bestehenden Hochschulen die häufig vertretenen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächer mehr auf die Interessen von Frauen sprich zielgruppenorientierter umzustrukturieren. Wir können uns auch vorstellen, dass man sukzessive eine derzeit bestehende Hochschule langsam aber sicher umstrukturiert und Zielgruppen für die Frauen darstellt.
    Maleike: Eine neue Hochschule in Ostdeutschland würde zwar sicherlich begrüßenswert sein vor dem Hintergrund der Frauenabwanderung. Allerdings gibt es ja viele Hochschulen, die dort auch noch gar nicht ausgelastet sind. Ist es denn wirklich sinnvoll, eine neue zu machen?
    Dohmen: Ich sage ja, es ist nicht zwingend. Das Problem der Frauenabwanderung hat einfach was mit den derzeitigen Strukturen zu tun. Sie können die Hochschullandschaft in den neuen Ländern im Prinzip in drei Gruppen teilen. Das eine sind die eher ingenieurwissenschaftlich ausgerichteten Hochschulen. Da haben Sie eine Frauenquote, die liegt zwischen 25 und 35 Prozent. Dann haben Sie ausgesprochen starke frauenorientierte Hochschulen mit dem klassischen Fächerspektrum Geistes- und Sozialwissenschaften, da haben Sie umgekehrt fast zwei Drittel, manchmal sogar drei Viertel Frauenanteil. Und Sie haben dann Hochschulen, die liegen irgendwo dazwischen. Und die Schwierigkeit in den neuen Ländern ist, dass die starke ingenieurwissenschaftliche Ausrichtung dazu führt, dass die jungen Frauen häufig keine andere Möglichkeit haben, als die Region zu verlassen, wenn sie denn studieren wollen.
    Maleike: Was will denn dann die Frauenhochschule, wie auch immer sie dann aussehen soll, anders machen?
    Dohmen: Die Zielsetzung soll darin bestehen, dass sie wesentlich stärker interdisziplinär ausgerichtet ist, als das in den normalen Hochschulen der Fall ist. Das heißt, Ingenieur- und Naturwissenschaften werden automatisch mit geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern kombiniert. Und Erfahrungen zum Beispiel an der TU Chemnitz zeigen, dass dieses durchaus ein Weg ist, der dazu führen kann, Frauen wesentlich stärker zu motivieren. Dazu kommt, dass auch kein Studienangebot ohne weitergehende ökonomische Kompetenzen sein sollte ohne juristische und geisteswissenschaftliche Kompetenzen, um einfach die vielfältigeren Interessen, die breitere Aufstellung, die Frauen haben, zu berücksichtigen.
    Maleike: Was macht Sie denn so sicher, dass ausgerechnet eine solche Frauenhochschule die Abwanderung bremst?
    Dohmen: Sie kann nur ein Teilelement einer Strategie sein. Die Idee ist, einfach ein Signal zu setzen und deutlich zu machen, dass die derzeitigen Hochschulen in den neuen Ländern in weiten Teilen den Fraueninteressen nicht gerecht werden. Und um das auch deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um Frauenförderung, sondern es geht um Zielgruppenorientierung, die bisher in weiten Teilen überhaupt nicht vorhanden ist, und insoweit, wie gesagt, nur ein Element. Das zweite Element muss sein, dass die derzeitigen Hochschulen sich stärker an den Interessen und Bedürfnissen von Frauen orientieren. Nur beides kann miteinander kombiniert in der Fläche funktionieren. Die Frauenhochschule als solches ist sicherlich "nur" in Anführungszeichen ein Leuchtturm.
    Maleike: Wie weit sind Sie denn mit der Entwicklung Ihres Konzeptes?
    Dohmen: Also wir sind dabei, das Konzept quasi niederzuschreiben und auch noch mal zu diskutieren. Und dann wollen wir mit den Ländern in den Diskurs treten und sehen, in welcher Form sie bereit sind oder interessiert sind, die Idee zu unterstützen. Wir werden sicherlich - das würde mich jedenfalls nicht wundern - darüber hinaus auch private Unterstützer suchen müssen, weil, so mein Eindruck bisher, die Bereitschaft der Wissenschaftsministerien doch eher begrenzt ist und man dieses eher als Konkurrenz zu den bestehenden Projekten sieht.
    Maleike: Lassen Sie uns ein bisschen reden über die Bedarfslage. Also dass die Frauen gehen, das ist Fakt. Das Entscheidende dabei ist aber doch auch, dass sie gehen, weil sie Arbeitsplätze brauchen. Die Hochschule wäre der Schritt davor. Also inwieweit kann eine Hochschule sozusagen regional da wirken? Was haben Sie für eine Idee?
    Dohmen: Die Hochschulen haben regional ökonomische Wirkung, immer wieder, das belegen verschiedene Studien. Und wenn wir uns über das Thema Arbeitsplätze für Frauen in den neuen Ländern unterhalten, dann müssen wir ein paar Jahre weiter denken. Wir stehen in den neuen Ländern vor einem unglaublichen demografischen Wandel. In wenigen Jahren werden nur noch halb so viele Studienberechtigte in den neuen Ländern an die Hochschulen drängen, und danach werden entsprechend Fachkräfte fehlen, weil gleichzeitig die geburtenstarken Jahrgänge um 1960 nach und nach aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden. Das heißt, das Thema Arbeitsplätze in den neuen Ländern ist im Moment sicherlich noch ein Problem, perspektivisch ist Fachkräftemangel zu befürchten und nicht ein Überschuss von hoch qualifizierten Arbeitskräften. Insoweit wird sich das Bild komplett drehen. Und wir müssen eigentlich die Perspektive in eine ganz andere Richtung drehen.
    Maleike: Eigentlich, Herr Dohmen, hatten Sie ja heute einen Termin mit den Länderministern in dieser Sache, aber der wurde abgesagt. Wenn ich das richtig verstanden hatte, wollten Sie ja heute auch mit den Länderministern über einen eventuellen Standort entscheiden. Können Sie dazu was sagen, also die Orte nennen, die vielleicht in der Diskussion sind?
    Dohmen: Also es ist im Moment sicherlich verfrüht, das zu konkretisieren. Interessante Standorte liegen für mich zum Beispiel in Sachsen, wo Sie im Moment die zweitniedrigste Frauenquote an den Hochschulen haben, was mit 46 Prozent, was lediglich von Hamburg unterboten wird, was auch durch die Ausrichtung der Hochschulen bedingt ist, die zu einem erheblichen Anteil ingenieur- und naturwissenschaftlich ausgerichtet sind. Das ist für mich ein interessanter Standort. Die Frage ist, ob man Frau Stange als Wissenschaftsministerin dazu motivieren kann zu sagen, ja, wir machen das in Sachsen. Ich bin aber durchaus auch offen für andere Standorte, sei es Brandenburg, sei es Mecklenburg-Vorpommern, wo es ja zum Beispiel an der Hochschule in Stralsund auch im Wirtschaftsingenieurwesen einen Frauenstudiengang gibt. Es kann aber auch Thüringen oder Sachsen-Anhalt sein. Also insoweit werden wir versuchen, mit allen Länderministerien und Ministern zu sprechen, um zu sehen, ob es Unterstützung gibt, und wenn ja, an welchem Punkt.
    Maleike: Mit einer Frauenhochschule soll künftig ein Kraut wachsen gegen die Abwanderung in Ostdeutschland. In Campus & Karriere war das Dr. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstitutes für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. Sein Institut entwickelt das Konzept für diese Hochschule. Danke Ihnen, Herr Dohmen.
    Dohmen: Danke.