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Nicht gerade, sondern quer denken

Ein Kompendium und eine Hommage ist das Buch "Im Gegenteil" für die vor zwei Jahren verstorbene Schriftstellerin Katharina Rutschky. Sie teilt dabei kräftig aus, zum Beispiel auch gegen Alice Schwarzer.

Von Shirin Sojitrawalla | 06.03.2012
    Dieses schmale Buch ist Hommage und Kompendium in einem. Gewidmet ist es der großen Denkerin und streitsuchenden Intellektuellen Katharina Rutschky, die 2010 viel zu früh gestorben ist. Der Band unter dem schön knappen wie bezeichnenden Titel "Im Gegenteil" versammelt 21 Aufsätze von ihr aus drei Jahrzehnten. Dabei ist es auch der Themenreichtum, der das eigenständige Denken der Katharina Rutschky auszeichnet. Der Unterschied zwischen E und U ist ihr so wurscht wie alle sonstigen feinen Unterschiede auch. Rutschky macht sich mit klarem Kopf und kühler Genauigkeit ihre ganz eigenen Gedanken über die Mode wie über das Kochen, Knigge-Bücher und den Feminismus in all seinen auch national unterschiedlichen Ausprägungen.

    Dabei fällt der Name Alice Schwarzer zwar auffallend oft, aber kein bisschen wertschätzend. Im Gegenteil: Auf Alice Schwarzer und ihren vermeintlichen Vulgär- und Spießerfeminismus hat sich Rutschky richtiggehend eingeschossen, kein gutes Haar lässt sie an ihr, was in seiner zänkischen Art dann doch auch unbeschreiblich weiblich wirkt.

    Katharina Rutschky kann austeilen, das steht außer Frage. Ihr sympathischer Kategorismus fabriziert nicht selten Sätze, die wie ein Tusch herausplatzen. Simone de Beauvoir wird da schon mal zu einer recht humorlosen Frau, die sich allzu wichtig nimmt.
    Sich selbst bescheinigt Katharina Rutschky ein Talent zum "hartgesottenen Einzelgängertum". Dabei verdanken wir ihr so entlastende Weisheiten wie: "Jeder Mensch muss essen, aber Frauen deshalb nicht kochen." Die Weite ihres Horizonts spiegelt sich aber auch in den unterschiedlichen Medien, für die sie schrieb: FAZ, Merkur, Die Zeit, Die Welt, Berliner Zeitung, taz, Frankfurter Rundschau und andere druckten ihre Texte.

    Alle der in diesem Band versammelten Aufsätze sind bereits erschienen, manchmal leider auch unter einem weitaus besseren Titel. So war etwa ihr Artikel zum 40. Geburtstag der Pille in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit "Die Innere Sicherheit" überschrieben". Jetzt trägt er die lendenlahme Überschrift "Die Pille hat Geburtstag". Aber das nur am Rande; wie auch das schöne Foto auf der Vorderseite des Buches, auf dem Katharina Rutschky lacht und dabei hinreißend unangepasste Zähne entblößt.

    Nicht gerade, sondern quer ist auch die Stoßrichtung ihres Denkens. Rutschky stellt stets infrage, zweifelt alles an, auch sich selbst und beschäftigt sich mit Virginia Woolf ebenso gewissenhaft wie mit Männermagazinen und den Plagen der Menstruation. Das macht sie mit filigraner Ironie und bösem Spott. Sie ist das, was man altmodisch frech nennt und sie ist blitzgescheit. Ihre exzentrische Intellektualität war ihr Markenzeichen.

    Der schmale Band gibt einen Ein- und Überblick über ihr Wollen und Schaffen. Rund zwei Jahre ist sie jetzt tot. Und sie fehlt natürlich. Zu gern wüssten wir, was sie über den Zickenkrieg Alice Schwarzer versus Kristina Schröder denkt, die Herdprämie, das Liebespaar Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, die Wiederkehr der Hotpants und und und.
    Wir werden es nie erfahren, müssen es uns denken.

    Buchinfos:
    Katharina Rutschky: Im Gegenteil. Politisch unkorrekte Ansichten über Frauen, Wagenbach Verlag, 142 Seiten, 10,90 Euro