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Nicht-klebendes Kaugummi entwickelt

Jährlich geben die deutschen Kommunen etliche Millionen dafür aus, um Kaugummis von der Straße und öffentlichen Plätzen zu entfernen. Die zähe Masse klebt nun einmal besonders hartnäckig. Das könnte bald ein Ende haben.

Von Michael Böddeker | 17.11.2011
    "Die meisten Leute sind genervt davon, dass Kaugummi an ihren Füßen und an den Tischen klebt. In Singapur ist der Verkauf von Kaugummi in den Städten sogar verboten. Das gleiche gilt für unseren Campus, weil wir nicht wollen, dass die Gehwege mit Kaugummi verschmutzt werden",

    sagt Elke Arendt vom University College Cork in Irland. Das Verbot in Singapur gilt seit fast 20 Jahren, lediglich spezielle Sorten wie etwa Nikotin-Gaugummis wurden mittlerweile wieder zugelassen. Elke Arendt hat eine neue Art Kaugummi entwickelt. Er klebt nicht, und wird außerdem nach dem Ausspucken auf natürlichem Wege abgebaut. Der Grund dafür: Die Kaumasse besteht nicht aus dem Polymer Polyisobutylen, so wie die meisten der heute verkauften Kaugummis, sondern vor allem aus Getreide-Proteinen wie Gluten. Gluten wird auch als Klebereiweiß bezeichnet, und ist ein Speicherprotein, das zum Beispiel in Weizen vorkommt. Bekannt ist es vor allem, weil viele Menschen unter einer Gluten-Unverträglichkeit leiden, der Zöliakie, die zu chronischen Darmentzündungen führt. Das ist auch das Hauptforschungsgebiet von Elke Arendt: Eigentlich arbeitet sie daran, Gluten-freie Nahrungsmittel herzustellen.

    "Wir haben versucht, anderen Proteinen die Eigenschaften von Gluten zu verleihen, und dabei sind wir auf dieses Verfahren gestoßen. Gluten ist von Natur aus schon eine sehr elastische Substanz. Nach den Arbeitsschritten, die wir durchführen, wird es allerdings noch elastischer. "

    Für Menschen, die kein Gluten vertragen, sind die neuen Kaugummis natürlich nicht geeignet. Alle anderen dürften mit dem Protein keine Probleme haben - es ist ohnehin in vielen Nahrungsmitteln enthalten. Das Rohmaterial für die Kaugummi-Produktion ist laut Elke Arendt einfach zu bekommen:

    "Die Proteine sind ein Nebenprodukt bei der Stärke-Produktion. Sie sind vergleichsweise kostengünstig und leicht verfügbar."

    Zum Herstellungsverfahren möchte die Gluten-Forscherin keine genauen Details preisgeben – schließlich soll es später einmal kommerziell genutzt werden. Doch der öffentlich einsehbaren Patentschrift lässt sich entnehmen, dass die Rohmasse aus Proteinen, Wasser und Zucker unter Druck gesetzt und erhitzt wird. Dadurch verändern sich die Proteine und gehen eine Verbindung mit dem Wasser ein. Anders als bei normalem Kaugummi werden keine zusätzlichen Weichmacher benötigt, wohl aber Stoffe zum Süßen und für den Geschmack. Es gab bereits frühere Versuche, Kaugummi auf Basis von Gluten herzustellen, sagt Elke Arendt. Doch ihrer sei dem heute marktüblichen Kaugummi viel ähnlicher – sogar Blasen ließen sich damit machen. Als nächstes sollen die Protein-Kaugummis in einem größeren Maßstab hergestellt werden.

    "Einige multinationale Firmen haben schon Interesse bekundet. Daher hoffe ich, dass jemand die Erfindung aufgreifen und auf den Markt bringen wird."

    In zumindest einem Punkt unterscheidet sich der neue Kaugummi aber vom bisher bekannten.

    "Wenn man ihn in den Mund nimmt, löst er sich nach etwa 45 Minuten auf - er zerbröselt dann, das ist ein kleiner Nachteil. Man kann ihn also nicht ewig weiterkauen. Er kann dann einfach heruntergeschluckt werden."

    Sollten die neuartigen Kaugummis aber doch einmal ausgespuckt werden und auf dem Asphalt landen, ist das auch nicht weiter schlimm: Sie werden auf natürlichem Wege abgebaut.

    "Das würde innerhalb einiger Tage passieren. Wir haben versucht, im Experiment herauszufinden, wie lange es dauert. Was dann allerdings jedes mal passierte, war, dass Vögel die Kaugummis aufgegessen haben. Das macht ihnen aber nichts aus - es ist so ähnlich, als würden sie Brot essen."