Donnerstag, 28. März 2024


"Nicht nur der Sieger zählt"

Wie wichtig sind Sportler für Politik und Gesellschaft? Ist Spitzensport nur auf individuellen Erfolg der Sportler ausgelegt? Oder ist es auch die Vorbildstellung für die Gesellschaft und eine Repräsentationsfunktion für das ganze Land? In der Schlussdiskussion mit Christoph Heinemann diskutierten ein Spitzensportler, ein Funktionär, ein Politiker und ein Wissenschaftler.

01.10.2013
    "Die Gesellschaft will den Sport, sie bejaht den Sport, sie liebt den Sieger. Der Sport ist eine politische Kraft." Markige Worte zu Beginn der Abschlussrunde von Horst Melzer. Er ist Geschäftsführer der Sport- und Tanzschule Essen-Rüttenscheid. Er geht mit seiner Meinung auch noch ein Stück weiter: "Die Anerkennung für die Sieger ist da, die Politik identifiziert sich mit den Siegern." Und schließlich fragt er: "Aber reicht das aus, um einen Leistungsstandard auf Weltniveau zu erreichen?"

    Fragen, die sich auch an die Diskussionrunde richteten. Helge Meeuw, ehemaliger Spitzenathlet, Europameister und Vize-Weltmeister im Schwimmen meint: "Nicht nur der Sieger sollte zählen." Der Kreis derer, die beachtet werden, müsse größer gezogen werden. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper unterstrich die herausragende Bedeutung des Sportes für die Gesellschaft. Sport sei nicht nur Kulturgut, sondern auch Gesundheitsgut, zudem ein Platz, wo Integration gelingen könne. "Der Spitzensport animiert, junge Menschen Sport zu treiben. Spitzensportler sind Vorbilder und repräsentieren das Land."

    "Die wichtigsten Aussagen der Diskussion noch einmal zum Nachhören. Jessica Sturmberg berichtet:"
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    Mit dieser Meinung kann sich auch Gerhard Böhm anfreunden. Der Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium betonte, es gebe einen verfassungsmäßigen Auftrag in Deutschland, (Spitzen-)Sport zu fördern. Dies geschehe nach dem Leistungsprinzip, aber in "ethisch vertretbarem Rahmen". Etwas anders sieht das der Sportwissenschaftler und Philosoph Gerhard Gebauer. "Der Sport ist nicht für die Gesellschaft, sondern für das Individuum da." Jeder einzelne Sportler mache Erfahrungen und Erlebnisse. "Sport erweitert den Horizont und ist eine wesentliche Bereicherung, die man sonst nicht hätte."

    Diskussion um Sport in Politik und Gesellschaft, Foto: Hendrik Maaßen

    Und die Frage nach dem Erfolg des Sports? Darf man den Erfolg um jeden Preis erzwingen? Doping ist ein allgegenwärtiges Thema im Sport. Der Umgang mit der zuletzt veröffentlichten Doping-Studie zu den Praktiken in der Bundesrepublik und auch der Anti-Doping-Kampf allgemein ist heftig umstritten in Deutschland. Immer wieder geht es auch um eine mangelnde finanzielle Ausstattung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA). Gerhard Böhm wies Vorwürfe an die Bundesregierung zurück: "Von den 13,8 Millionen Geldern hat der Bund 84 % bezahlt, obwohl auch Bundesländer und Wirtschaft den Gründungsvertrag mit unterschrieben haben. Die Wirtschaft hat sich bis auf 350.000 Euro vollständig zurückgezogen."

    Kontrovers wird immer auch das Thema Anti-Doping-Gesetz diskutiert. Sind strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen wirklich zielführend? Wissenschaftler Gebauer findet schon und fordert, dass auch der Besitz von Dopingmitteln strafbar sein sollte. Dem widerspricht DOSB-Generaldirektor Vesper energisch. "Natürlich hat der Staat eine wichtige Rolle in der Dopingbekämpfung. Doch die Sportgerichtsbarkeit ist schneller als die ordentliche Gerichtsbarkeit."

    Ex-Schwimm-Europameister Helge Meeuw setzt sich auch für "drakonischere Strafen" ein, meint aber, der "Finanz- und Leistungsdruck der Spitzensportler endet nicht immer im Doping-Netz". Gunter Gebauer ergänzte, Sportler müssten sich neben dem professionellen Beruf auch beruflich entwickeln können. Diesen Spielball nahm der Sportler noch einmal auf und berichtete auch von den Zwängen einer dualen Karriere. Zielvorgaben von Verbänden über Medaillen und Platzierungen würden den Druck nur zusätzlich erhöhen.

    Nicht ganz einverstanden damit war DOSB-Generaldirektor Vesper. Der Druck komme auch von den Athleten selber, denn "jeder will eine besonders gute Leistung abliefern. Und es gibt auch keinen Spitzensport ohne Druck." Gerhard Böhm aus dem Innenministerium ergänzte, die Diskussion um die Zielvereinbarungen sei überhitzt: "Die Politik erwartet keine Medaillen." Aber das Leistungsprinzip gelte natürlich im Spitzensport. Zustimmung gab es dafür von Michael Vesper.

    In der Schlussrunde waren die vier Diskussionsteilnehmer noch aufgerufen, ihre Einschätzung zur Frage abzugeben: "Wie muss sich ändern, damit auch in 50 Jahren noch eine Begeisterung für den Sport erhalten ist?"
    Ex-Schwimmer Helge Meeuw: "Sauber Sport muss erhalten sein. Athleten, Trainer und Funktionäre müssen daran mitarbeiten."
    DOSB-Generaldirektor Michael Vesper: "Es geht um glaubwürdigen Sport. Sport ist keine heile Welt und nicht sicher vor Fehlentwicklungen und Kriminalität. Wir müssen entschlossen und transparent dagegen vorgehen."
    Ministeriums-Abteilungsleiter Gerhard Böhm: "Vernünftiger, sauberer und gesunder Sport get nur gemeinsam. Man muss offen und ehrlich in der Gesellschaft diskutieren und einen vernünftigen Weg gehen."
    Wissenschaftler und Philosoph Gunter Gebauer: "Diejenigen, die Spitzensport treiben, müssen gefördert und gestützt werden. Es muss auch eine Karriere nach dem Sport geben."

    "Impuls-Referat:"
    Horst Melzer (Sport- und Tanzinternat Essen-Rüttenscheid)

    "Podium:"
    Helge Meeuw (Vize-Welt- und Europameister Schwimmen)
    Michael Vesper (Generaldirektor DOSB)
    Gerhard Böhm (Abteilungsleiter Sport Bundesinnenministerium)
    Gunter Gebauer (Sportwissenschaftler und Philosoph)

    "Moderation:"
    Christoph Heinemann (DLF)
    Ex-Schwimmer Helge Meeuw beim Deutschlandfunk
    Ex-Schwimmer Helge Meeuw beim Deutschlandfunk (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)