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Nicht nur für das Klassenzimmer qualifizieren

Ein Lehrer muss nicht bis zur Rente im Klassenzimmer stehen. Er kann auch Schulbücher entwickeln oder in die Wirtschaft gehen. Mit einem herkömmlichen Lehramtsstudium ist das bislang nicht möglich. Die Universität Passau bietet deshalb zwei Modellstudiengänge an.

Von Susanne Lettenbauer |
    "Also ich habe mich dafür entschieden, weil es das Lehramtsstudium aufwertet. Ich will kein Wald-und-Wiesen-Pädagoge sein, sondern auch professionelle Lehrerin. Das war so der Hauptgrund."

    "Mich hat schon ein bisschen irritiert, als ich da diese Pläne gesehen habe, was Pflichtveranstaltungen sind und das ist halt sehr wenig im klassischen Lehramt. Man kann natürlich freiwillig immer mehr tun, aber ich fand es schon reizvoll, dass da wirklich mehr drin ist an Pädagogik."

    So klingen sie also, die neuen Lehrer. Selbstbewusst, bestens geschult in Didaktik, voll neuer Ideen. Christina Bauer und Veronika Wild gehören zu den ersten 14 Absolventen des Master of Education-Modellstudienganges der Uni Passau und sie sind stolz darauf, so Christina Bauer:

    "So jetzt von der Pädagogik aus würde ich schon sagen, dass ich da besser gebildet bin und mehr mitgenommen habe, auch durch diese Klausuren und Hausarbeiten während des Studiums und auch durch die Bachelorarbeit. Das gibt nochmal einen viel kritischeren Überblick."

    2006 begannen die beiden jungen Frauen mit dem offiziell recht sperrig klingenden dreijährigen "Studiengang zum Erwerb der Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt an Realschulen", dem Bachelor of Education. Leisteten 250 Stunden im pädagogisch-didaktischen Praktikum an einer Schule. Daneben hätten sie ein Betriebspraktikum in der Produktion absolvieren müssen, wenn sie nicht schon eine Lehre vorweisen könnten. Danach kam der Masterstudiengang "Schulische Bildungs- und Erziehungsprozesse", kurz Master of Education mit einem studienbegleitenden Fachdidaktikum im Schwerpunkt "Individuelles Lehren und Lernen". Mehr Praxiszeit geht nicht, um vor den Schülern bestehen zu können, sagt Professor Jutta Mägdefrau. Sie entwickelte den Bachelor und Master of Education, um vorrangig natürlich erstmal Lehrer heranzubilden:

    "Darüber hinaus, das ist eben das Besondere an diesem Studiengang, hat man eine wissenschaftliche Qualifikation in Erziehungswissenschaft und auch schwerpunktmäßiger Didaktik studiert als die klassischen Lehrämtler, was bedeutet, dass man im Grunde für Vermittlungsberufe aller Arten qualifiziert sein kann."

    Je nach Fächerkombination kann ein Absolvent mit dem Master of Education bei der Entwicklung von Schulbüchern beteiligt sein, kann als Schulleiter oder Seminarleiter Führungspositionen einnehmen, kann an Ministerien arbeiten. Oder:

    "Wenn sie beispielsweise Leute nehmen, die so eine Kombination haben Fachwirtschaft mit Englisch, die sind absolut für die Wirtschaft qualifiziert, sind jetzt Master of Education mit einer vertieften Ausbildung auch in Wirtschaftsdidaktik und können deshalb natürlich auch insofern betriebliche Felder für sich erschließen."

    Bei der Entwicklung der Studiengänge stehen der Professorin für Realschulpädagogik und -didaktik die Doktorandinnen Barbara Hank und Sabina Kufner zur Seite, beide Realschullehrerinnen, die von ihren ersten praktischen Lehrerjahren wenig begeistert waren. Jetzt bringen sie ihre Verbesserungsvorschläge ganz konkret ein:

    "Der Erfolg eines Englischlehrers hängt ja in großem Maße davon ab, wie er mit den Schülern klarkommt, nicht so sehr, wie perfekt sein Englisch ist. Damit natürlich auch, aber zu wissen, wie man mit den Schülern klarkommt, wie man den Unterricht richtig gestaltet, ist einfach ein großer Faktor und der ist in diesem Studium gut angelegt, würde ich sagen."

    Nicht zuletzt soll der Studiengang auch den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. Mit dem Master of Education erlangen die Studierenden unmittelbar das Promotionsrecht in Didaktik oder Erziehungswissenschaft - ohne langwierige Aufbaustudiengänge. Diese Absolventen sind dringend nötig, betont Jutta Mägdefrau, denn in der empirisch fundierten didaktischen Forschung mangelt es deutschlandweit an guten Wissenschaftlern, also:

    "Leute, die sozusagen den Schulhintergrund haben, die aber empirische Lehr- und Lernforschung können und die dann in den Didaktiken auch die Weiterentwicklung von Schule, Unterricht, didaktischen Materialien usw. beeinflussen können."

    Ganz einfach wird die Übernahme des Modellstudienganges in das reguläre Uniangebot von Passau nicht. Denn die neuen Masterabsolventen sind mit ihrer Ausbildung genauso hoch qualifiziert wie Gymnasialschulabsolventen, werden aber geringer bezahlt. Das zu ändern, ist
    für das bayerische Kultusministerium bisher undenkbar.