München, vor dem Sozialbürgerhaus in der Nähe des Ostbahnhofs. Macy, wie sie sich nennt, eine alleinerziehende Mutter aus Nigeria, kommt mit strahlendem Gesicht aus der Tür, in der Hand einige Geldscheine. Ein Jahr ist sie schon in Deutschland, ein Jahr lang mussten sie mit 40 Euro Taschengeld pro Monat aus kommen.
"Damit konnte ich mir ein Monatsticket für 25,20 Euro kaufen. Aber wenn ich am ersten Tag des nächsten Monats wieder das nächste Taschengeld abholen wollte, konnte ich mir davor kein neues Monatsticket kaufen und musste die Fahrt zum Sozialbürgerhaus extra zahlen. Jetzt kann ich mir auch schon die Monatskarte für September kaufen, mit meinem Taschengeld."
Und dabei hat Macy nur knapp 130 Euro bekommen. Statt 133 Euro, auf die sie laut bayerischem Sozialministerium nach dem höchstrichterlichen Urteil Anspruch hätte. Doch die Auszahlung von mehr Geld an Asylbewerber klappt nicht überall im Freistaat reibungslos. Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen etwa erhalten die rund 500 Asylbewerber auch im August nur das alte Taschengeld in Höhe von rund 40 Euro. Der Grund hier: Die Softwareumstellung dauert und die Mitarbeiter müssen geschult werden. Dafür soll im September nachgezahlt werden. Auch wenn für Macy die drei Euro, die sie jetzt zu wenig ausbezahlt bekam, viel Geld sind – das große Problem liegt in Bayern woanders, auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat:
"Bayern hat eine spezielle Asyldurchführungsverordnung. In dieser Verordnung ist ganz klar geregelt: Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern."
Das heißt in Macys Fall: Sie lebt mit ihren beiden Söhnen in einem kleinen Zimmer in einer Art Baracke in einer Gemeinschaftsunterkunft in München.
"Ich war nie zuvor in so einem Lager und es gefällt mir einfach nicht."
Sie zeigt auf uralte Flecken auf dem abgenutzten Teppichboden. Die schäbige Küche und das Bad müssen sich die Drei mit vielen anderen Asylbewerbern teilen. Macy wünscht sich mehr Privatsphäre, eine Wohnung oder einen Platz in einem Mutter-Kind-Heim. Und:
"Wir hätten lieber Geld als Essenspakete. Weil manchmal weißt du nicht mal genau, was du für Essen bekommst. Wir können auf einer Liste Lebensmittel aussuchen, die wir wollen, aber wir verstehen teilweise nicht, was wir auswählen, weil wir kein Deutsch sprechen."
Weg mit dem Sachleistungsprinzip – das fordern Flüchtlingsverbände, die Opposition und selbst der kleine Koalitionspartner in Bayern, die FDP. Und die CSU, der dominante Part der Staatsregierung? Noch vor knapp einer Woche sagte die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer:
"Wir werden am Sachleistungsprinzip festhalten. Das hat ja übrigens auch immer an der Wertsteigerung teilgenommen und das Bundesverfassungsgericht hat das ganz ausdrücklich auch bestätigt, dass das in Ordnung ist."
Doch jetzt scheint die CSU-Politikerin umzudenken: Die Sozialministerin plant ein Modellprojekt. Ab November sollen einige Asylbewerber obwohl sie in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, keine Sachleistungen, sondern mehr Geld erhalten. Wie es in anderen Bundesländern gang und gäbe ist. Für Margarete Bause, Fraktionschefin der Landtags-Grünen, geht das Modellprojekt nicht weit genug:
"Es braucht keine Modellprojekte, dass Essenspakete falsch sind, dass wir den Asylbewerbern Geldleistungen geben, damit die selber wählen können, was sie einkaufen. Wir wissen, dass es besser ist, dass es günstiger ist."
Auch Elisabeth Ramzews von der Inneren Mission München ist grundsätzlich der Meinung: Weg mit dem Sachleistungsprinzip. Sie gibt allerdings auch zu bedenken: Seit es jetzt - wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts - mehr Taschengeld gibt, würden bayerische Asylbewerber besser dastehen als Asylbewerber in Bundesländern, die nur Bargeld auszahlen:
"Weil wenn man jetzt mal alle Leistungen einbezieht, bekommt der Asylbewerber in der Tat mehr. Das kommt dadurch, dass wir noch das Sachleistungsprinzip in Bayern haben, dass also Kleidung und Essen nicht von diesem Taschengeld zu bezahlen sind."
Der Schwenk der Hardliner an der Spitze der CSU hat übrigens nicht nur mit dem Karlsruher Urteil zu tun, sondern es gab Druck aus den eigenen Reihen. Auch, weil an der Basis der Unmut über die Behandlung von Asylbewerbern wuchs, machte die Staatsregierung kleine Zugeständnisse. Seit April beispielsweise dürfen Asylbewerber früher aus der Gemeinschaftsunterkunft aus- und in eine eigene Wohnung einziehen. Alexander Thal vom Flüchtlingsrat:
"Ich denke dadurch, dass es sogar innerhalb der CSU Unmut über die Essenspakete gibt, kommt auch die Haderthauer nicht mehr dran vorbei, den Leuten Bargeld in die Hände zu geben."
Besonders laut war der Unmut in der unterfränkischen CSU, vor allem im Kreisverband Würzburg. Denn dort waren iranische Flüchtlinge wochenlang im Hungerstreik, einige hatten sich sogar die Münder zugenäht. Es dürfte also kein Zufall sein, dass Sozialministerin Christine Haderthauer für ihren Modellversuch die Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg vorschlägt. Doch dem dortigen CSU-Landtagsabgeordneten Oliver Jörg reicht ihr Schwenk noch nicht: Er will weiterkämpfen – für Deutschkurse und zwar vom Freistaat finanziert.
"Damit konnte ich mir ein Monatsticket für 25,20 Euro kaufen. Aber wenn ich am ersten Tag des nächsten Monats wieder das nächste Taschengeld abholen wollte, konnte ich mir davor kein neues Monatsticket kaufen und musste die Fahrt zum Sozialbürgerhaus extra zahlen. Jetzt kann ich mir auch schon die Monatskarte für September kaufen, mit meinem Taschengeld."
Und dabei hat Macy nur knapp 130 Euro bekommen. Statt 133 Euro, auf die sie laut bayerischem Sozialministerium nach dem höchstrichterlichen Urteil Anspruch hätte. Doch die Auszahlung von mehr Geld an Asylbewerber klappt nicht überall im Freistaat reibungslos. Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen etwa erhalten die rund 500 Asylbewerber auch im August nur das alte Taschengeld in Höhe von rund 40 Euro. Der Grund hier: Die Softwareumstellung dauert und die Mitarbeiter müssen geschult werden. Dafür soll im September nachgezahlt werden. Auch wenn für Macy die drei Euro, die sie jetzt zu wenig ausbezahlt bekam, viel Geld sind – das große Problem liegt in Bayern woanders, auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat:
"Bayern hat eine spezielle Asyldurchführungsverordnung. In dieser Verordnung ist ganz klar geregelt: Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern."
Das heißt in Macys Fall: Sie lebt mit ihren beiden Söhnen in einem kleinen Zimmer in einer Art Baracke in einer Gemeinschaftsunterkunft in München.
"Ich war nie zuvor in so einem Lager und es gefällt mir einfach nicht."
Sie zeigt auf uralte Flecken auf dem abgenutzten Teppichboden. Die schäbige Küche und das Bad müssen sich die Drei mit vielen anderen Asylbewerbern teilen. Macy wünscht sich mehr Privatsphäre, eine Wohnung oder einen Platz in einem Mutter-Kind-Heim. Und:
"Wir hätten lieber Geld als Essenspakete. Weil manchmal weißt du nicht mal genau, was du für Essen bekommst. Wir können auf einer Liste Lebensmittel aussuchen, die wir wollen, aber wir verstehen teilweise nicht, was wir auswählen, weil wir kein Deutsch sprechen."
Weg mit dem Sachleistungsprinzip – das fordern Flüchtlingsverbände, die Opposition und selbst der kleine Koalitionspartner in Bayern, die FDP. Und die CSU, der dominante Part der Staatsregierung? Noch vor knapp einer Woche sagte die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer:
"Wir werden am Sachleistungsprinzip festhalten. Das hat ja übrigens auch immer an der Wertsteigerung teilgenommen und das Bundesverfassungsgericht hat das ganz ausdrücklich auch bestätigt, dass das in Ordnung ist."
Doch jetzt scheint die CSU-Politikerin umzudenken: Die Sozialministerin plant ein Modellprojekt. Ab November sollen einige Asylbewerber obwohl sie in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, keine Sachleistungen, sondern mehr Geld erhalten. Wie es in anderen Bundesländern gang und gäbe ist. Für Margarete Bause, Fraktionschefin der Landtags-Grünen, geht das Modellprojekt nicht weit genug:
"Es braucht keine Modellprojekte, dass Essenspakete falsch sind, dass wir den Asylbewerbern Geldleistungen geben, damit die selber wählen können, was sie einkaufen. Wir wissen, dass es besser ist, dass es günstiger ist."
Auch Elisabeth Ramzews von der Inneren Mission München ist grundsätzlich der Meinung: Weg mit dem Sachleistungsprinzip. Sie gibt allerdings auch zu bedenken: Seit es jetzt - wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts - mehr Taschengeld gibt, würden bayerische Asylbewerber besser dastehen als Asylbewerber in Bundesländern, die nur Bargeld auszahlen:
"Weil wenn man jetzt mal alle Leistungen einbezieht, bekommt der Asylbewerber in der Tat mehr. Das kommt dadurch, dass wir noch das Sachleistungsprinzip in Bayern haben, dass also Kleidung und Essen nicht von diesem Taschengeld zu bezahlen sind."
Der Schwenk der Hardliner an der Spitze der CSU hat übrigens nicht nur mit dem Karlsruher Urteil zu tun, sondern es gab Druck aus den eigenen Reihen. Auch, weil an der Basis der Unmut über die Behandlung von Asylbewerbern wuchs, machte die Staatsregierung kleine Zugeständnisse. Seit April beispielsweise dürfen Asylbewerber früher aus der Gemeinschaftsunterkunft aus- und in eine eigene Wohnung einziehen. Alexander Thal vom Flüchtlingsrat:
"Ich denke dadurch, dass es sogar innerhalb der CSU Unmut über die Essenspakete gibt, kommt auch die Haderthauer nicht mehr dran vorbei, den Leuten Bargeld in die Hände zu geben."
Besonders laut war der Unmut in der unterfränkischen CSU, vor allem im Kreisverband Würzburg. Denn dort waren iranische Flüchtlinge wochenlang im Hungerstreik, einige hatten sich sogar die Münder zugenäht. Es dürfte also kein Zufall sein, dass Sozialministerin Christine Haderthauer für ihren Modellversuch die Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg vorschlägt. Doch dem dortigen CSU-Landtagsabgeordneten Oliver Jörg reicht ihr Schwenk noch nicht: Er will weiterkämpfen – für Deutschkurse und zwar vom Freistaat finanziert.