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Nicht nur Schall und Rauch

Am Donnerstag entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe einen Domänen-Streit in letzter Instanz, der bereits seit zwei Jahren die Gerichte beschäftigt. Dabei hatte eine Gemeinschaft von Mitwohn-Vermittlern gegen die Betreiber der Webadresse "Mitwohnzentrale.de" geklagt, weil der Name die Vertretung aller Anbieter in Internet suggeriere und damit wettbewerbswidrig sei. Das Urteil war mit großer Spannung erwartet worden, denn Experten erwarteten eine grundlegende Klärung in der Frage, ob solche Gattungsbegriffe als Domainnamen überhaupt frei verwendet werden dürfen.

Peter Welchering |
    Streitpunkt des seit inwzischen zwei Jahren anhängigen Verfahrens ist die Webadresse "Mitwohnzentrale.de", die vom Ring Europäischer Mitwohnzentralen unterhalten wird. Dies sei wettbewerbswidrig, meint der Kläger – das Unternehmen Home Company, zu dem sich mehrere deutsche Mitwohnzentralen zusammenschlossen – denn Paragraph 1 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb regele deutlich, dass ein Gattungsbegriff, wie Bäckerei oder eben Mitwohnzentrale, nur zusammen mit einem individuellen Zusatz verwendet werden dürfe. Weil aber die strittige Webadresse lediglich Mitwohnzentrale.de heißt, würden die Verbraucher in die Irre geführt, denn es werde der Eindruck erweckt, dass unter der Adresse alle Mitwohnzentralen vertreten seien. Folglich, so die Argumentation weiter, hätten die nicht dem Ring Europäischer Mitwohnzentralen angehörenden Institutionen das wirtschaftliche Nachsehen, denn die Kunden müssten annehmen, dass keine weiteren Mitwohnzentralen im Netz zu finden wären.

    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, dass der Gattungsbegriff "Mitwohnzentrale" frei nutzbar ist, regelt jedoch nur einen Teil des ursächlichen Streites. Die Richter machten in ihrer Urteilsverkündung darauf aufmerksam, dass das in erster Instanz zuständige Oberlandesgericht Hamburg nicht ausreichend geprüft habe, ob eine Irreführung des Verbrauchers in diesem konkreten Fall stattgefunden habe. Prinzipiell müsse man zwar von einem mündigen Verbraucher ausgehen, dem völlig klar sei, dass eine Webseite unter einem Gattungsbegriff nicht das vollständige Angebot in einem Markt repräsentiere. Allerdings gelte dieses Modell nur für grundsätzliche Anschauungen. In konkreten Streitfällen müsse überdies geprüft werden, ob die Verbraucher tatsächlich auch über andere Anbieter ausreichend informiert seien oder dies durch die Namenswahl verhindert werde. Mit dieser Klarstellung verwiesen die obersten Richter den Fall zurück an das Hamburger Oberlandesgericht zu einer abschließenden Beurteilung.

    Die Gefahr, dass jetzt der Ring Europäischer Mitwohnzentralen die umstrittene Webdomäne aufgeben muss, ist indes gering: Die Bundesrichter gaben in ihrem Entscheid ihren Hamburger Kollegen vor, dass es bei einer etwaigen Gefahr der Irreführung der Verbraucher genüge, dass der Seitenbetreiber Klarheit über weitere Webangebote schafft. Prozessbeobachter meinen daher, dass der Ring Europäischer Mitwohnzentralen nach dieser Karlsruher Vorgabe allenfalls dazu verurteilt werden könnte, auf seiner Webseite darauf hinzuweisen, dass man nicht das einzige Angebot unterhalte, sondern noch weitere Anbieter im Internet vertreten seien. Schlimmstenfalls drohe dem Betreiber, eine Liste mit Verweisen auf solche Anbieter in seine Seite einzufügen.

    Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes klärt zwar einen Aspekt des Domänenproblems, allerdings werden viele andere anhängige Streitigkeiten zu dieser Frage dadurch nicht automatisch gelöst. Die Richter wiesen ausdrücklich darauf hin, dass es sich um nur ein Grundsatzurteil handele. Eine gesetzliche Grundlage, so die Richter, etwa für eine Sperrung bestimmter Gattungsbegriffe für Webadressen, fehle bislang und es müsse geprüft werden, ob dafür Bedarf bestehe. Dieser Aufruf verhallte nicht ungehört, denn dem Vernehmen nach werde sich der Bundestag nach der Sommerpause des Problems annehmen, wie solche Branchenbezeichnungen als so genannte generische Namen geschützt werden können.