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Nicht tatenlos zusehen

30 Jahre lang war in Österreich der Zugang zu den Hochschulen frei. Die rechtskonservative Regierung hat das vor einem Jahr geändert. Seit der Einführung von Studiengebühren hat Österreich 50.000 Studierende weniger. Der Kabarettist Alfred Dorfer wollte da nicht tatenlos zusehen: Er hat ein Stipendium ins Leben gerufen, das alleinerziehenden Studierenden die Gebühren zahlt. Bei jedem seiner Auftritte an der Universität Wien ruft Dorfer zu Spenden auf:

    Der größte Prophet unseres Landes, Jörg Haider-Jesaja - der hat amal gesagt, Österreich ist eine Brauerei, und die Flaschen kommen in die Regierung. Ein Zitat aus 1986, aber dass er des schon gewusst hat!

    Alfred Dorfer in seinem Element. Der beste, wenn nicht der einzige politische Kabarettist des Landes findet die bisherige rechtskonservative Regierung Österreichs immer wieder inspirierend. Mit ihren Beschlüssen kann sich Dorfer weniger anfreunden:

    Es ist seit einiger Zeit endlich so in Ö, dass der Zugang zu Wissen abhängig ist von monetären Möglichkeiten, einige sagen dazu Studiengebühren, i sog dazu Scheiße, ...

    Jeden Samstag tritt Dorfer im ausverkauften Auditorium Maximum der Uni Wien auf, und jedes Mal weist er auf Menschen mit roten Büchsen hin, die für den guten Zweck sammeln.

    Deswegen haben wir hier beschlossen einen Fonds zu eröffnen, um Menschen den Weg an die Uni zu öffnen, die sich´s nicht leisten können, es gibt solche, auch wenn unser schmallippiger Kanzler das nicht glauben möchte.

    Dorfer zu seiner Aktion:

    Ich fand die Einführung von Studiengebühren eine ungerechte Geschichte, vor allem die Art, wie sie eingeführt worden ist, innerhalb von ganz ganz kurzer Zeit, und wenn man für schlechte Studienverhältnisse, die vorher gratis waren, jetzt was bezahlt, und die Verhältnisse sich nicht geändert haben, halt ich das für Betrug, und da wollt ich gegensteuern durch dieses Stipendium.

    Dorfer ging vor einem Jahr auf die Österreichische Hochschülerschaft, kurz: ÖH, zu und bot diese Aktion von sich aus an. ÖH-Sozialsprecherin Patrice Fuchs.

    Wir waren total begeistert und froh und haben bei jedem Auftritt gesammelt, aber er selber und seine Band legt dann auch noch jedes Mal was drauf. Die Summe, die er uns gibt, ist fast zur Hälfte von ihm und seiner Band.

    Dorfers Publikum strömt aus dem Saal, die Börse im Anschlag. Man zeigt sich spendabel. Einer der Gäste etwa äußert sich folgendermaßen:

    Weil ich der Meinung bin, dass jeder Mensch, der intelligent genug ist, auch studieren soll, und wenn er es sich nicht leisten kann, soll man ihn unterstützen, wenn die Politik schon in der Richtung versagt. OT Umfrage: weil ich selber studiert habe und mir denk, das ist eine praktische Sache, kost net viel und tut net weh.

    Dagegen tun manch einem die 377 EUR Studiengebühren pro Semester sehr wohl weh, ÖH-Sprecherin Patrice Fuchs.

    Wenn man davon ausgeht, dass ein Durchschnittsstudent in Österreich um die 7-10.000 Schilling (500 bis 700 EUR) zur Verfügung hat und das wirklich grad die Lebenskosten deckt, kann man nicht davon ausgehen, dass es ein kleiner Betrag ist. Ich weiß von ganz vielen Leuten, dass sie Schwierigkeiten haben, diesen Betrag aufzubringen.

    So sind den österreichischen Unis seit Einführung der Gebühren 50.000 Studierende abhanden gekommen, vor allem solche, die parallel zum Studium arbeiten. Dazu Dorfer in seinem Kabarett:

    Es ist zeit geworden für ein kleines Lockerungsspiel, es ist politisch korrekt und doch net fad, sie stehen jetzt alle auf und gehen locker im Saal herum, und dann nimm a a paar Sesseln heraus und wenn i hepp sag, setzen sie alle nieder. Und die die kan Sessel haben, die schimpf ma dann.

    Alfred Dorfers Herz für sozial Schwache machte Schule. Vergangenen Sommer schlossen sich weitere Kabarettisten, etwa Josef Hader, der Aktion an. 45 Stipendien sind bereits ausgezahlt - an allein erziehende Mütter. Die 25jährige Medizin-Studentin Celia ist eine von ihnen. Sie hat einen fünfjährigen Sohn, und auch wenn ihre Laufbahn nicht an 377 EUR pro Semester scheitern würde: das Stipendium hilft ihr.

    Ich hab für die nächsten Monate ein bisschen ein Polster. Ein bisschen mehr zum Essen, ein bisschen leichter leben.

    Die Studiengebühren werden nach dem gestrigen Sieg der konservativen ÖVP bei den Parlamentswahlen wohl bestehen bleiben, auch wenn Jörg Haiders FPÖ aus der Regierung - wie zu erwarten ist - ausscheidet. Die Hochschülerschaft fürchtet gar, dass studieren noch teurer wird. Alfred Dorfer jedenfalls, der politische Kabarettist, der sicher nicht ÖVP gewählt hat, wird weiter für Studierende sammeln. Und auch der neuen Regierung aufs Maul schauen.

    Diese Regierung ... sie war Co-Autor von an Teil meines Programms, dafür dank ich schön. Aber in Wirklichkeit ist es mir lieber, wir haben eine fähige politische Elite, und ich muss mir andere Texte ausdenken.