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"Nicht unnötig aufregen"

Seit vier Jahren haben die Hochschulen in Deutschland die Möglichkeit, 60 Prozent ihrer Studienplätze nach neuen Zulassungsverfahren zu vergeben - unter anderem mithilfe von Auswahlgesprächen. Darauf sollten zukünftige Studenten beim Gespräch mit den Profs achten.

Von Claudia van Laak |
    Warum will ich dieses Fach studieren? Warum gerade an dieser Hochschule? Und: Was bringe ich an positiven Voraussetzungen mit für das Fach beziehungsweise für die sich anschließenden Berufe? Wer diese Fragen überzeugend beantworten kann, der kann erst einmal ruhig durchatmen, wenn die Hochschule zum Auswahlgespräch bittet – sagt Siegfried Engl, Studienberater an der Freien Universität Berlin.

    "In der Regel werden es zwei Hochschullehrer sein, denen ich gegenübersitze, das Gespräch wird auch protokolliert und in der Regel habe ich 30 Minuten Zeit, um mich darzustellen."

    Nicht unnötig aufregen, rät Jonathan Eggers, Mitglied der Auswahlkommission der Berliner Charité. Grundlage des Gesprächs ist immer das Bewerbungsschreiben, sagt der 23-jährige Medizinstudent.

    "Die Fragen sind eigentlich immer gut gemeint. Es gibt keine Fragen, die einen aufs Glatteis führen sollen, hab ich nicht erlebt."

    Das größte Problem sind die unterschiedlichen Erwartungen an das Gespräch, sagt Jonathan Eggers. Für die Bewerber entscheidet es über den künftigen Lebensweg - für die Kommission ist es Routine.

    "Die Dozenten oder die Interviewer haben keine so hohen Erwartungen. Die erwarten zum Beispiel nicht, dass der Schüler medizinisches Fachwissen mitbringt. Überhaupt nicht. Da wird keiner so etwas fragen. Sondern es geht darum, die Bewerber kennenzulernen, seine Motivation. Dass die gucken, ist der Kandidat jetzt soweit, dass er jetzt ein Medizinstudium direkt beginnen kann."

    Für die Auswahlgespräche gelten genaue Vorgaben, die von den Bewerbern zuvor recherchiert werden können. So gilt zum Beispiel für die Freie Universität Berlin "dass das Aufnahmegespräch unter keinen Umständen dem Abfragen kognitiven Wissens dienen soll." Viel wichtiger als Fachwissen ist es, die eigene Motivation überzeugend darstellen zu können, sagt Siegfried Engl, Autor des Ratgebers "Erfolg im Auswahlgespräch".

    "Man wird Sie sicher danach fragen, warum wollen Sie dieses Fach studieren, seit wann wollen Sie das studieren, was haben Sie sich dazu überlegt, haben Sie sich gründlich informiert. Man geht davon aus, dass hochgradig motivierte Bewerber natürlich über Studienverläufe, Studienaufbau und Möglichkeiten nach einem Studium ausreichend informiert sind."

    Für ein Aufnahmegespräch an einer Hochschule gelten ähnliche Regeln wie für ein Vorstellungsgespräch im Unternehmen. Angemessene Kleidung ist wichtig, sagt Siegfried Engl. Kein Anzug mit Schlips, aber auch keine zerrissene Jeans. Nicht verschüchtert hinter dem Tisch zusammensinken, Blickkontakt halten. Die Auswahlkommission darf nicht den Eindruck bekommen, dass man dem Bewerber die Antworten aus der Nase ziehen muss - empfiehlt Medizinstudent Jonathan Eggers.

    "Nicht nur einen Satz und dann schweigen. Man muss den Interviewern etwas anbieten. Die kennen einen ja nicht, die wollen einen kennenlernen. Man muss also aus sich rauskommen und insofern haben Menschen, die extrovertiert sind, da Vorteile."

    Sich überzeugend präsentieren, aber auch nicht zu dick auftragen, rät Caroline Bartow. Nach erfolgreichem Aufnahmegespräch studiert sie Medizin an der Charité.

    "Nicht flunkern in seinem Anschreiben. Danach wurde ich ziemlich ausführlich befragt, und wenn man da was dahergeholt hat, dann wird´s schwierig."

    Die Berliner Charité zum Beispiel vergibt nur einen kleinen Teil ihrer Medizinstudienplätze aufgrund von erfolgreichen Auswahlgesprächen, hat aber damit gute Erfahrungen gemacht. 80 Prozent der Bewerber, die nach einem solchen Gespräch ein Medizinstudium beginnen, studieren zügig und erfolgreich.

    Nach dem Interview brauchen die Bewerber in der Regel ein wenig Geduld – ein bis zwei Wochen später liegt ein Schreiben mit Zu- oder Absage im Briefkasten.

    www.auswahlgespraeche.de

    Die offizielle Bewerbungsfrist an den deutschen Hochschulen ist abgelaufen. Doch auch jetzt gibt es noch gute Chancen auf einen Studienplatz: Wie bereits im vergangenen Semester veröffentlichen Hochschulen ihre freien Plätze nach Bewerbungsschluss auf der kostenlosen, bundesweiten Studienplatzbörse von studieren.de