Mittwoch, 08. Mai 2024

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Nicht von Pappe

Als am Ende von Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" die Klosterbibliothek in Brand gerät, bricht für den wissbegierigen Mönch William von Baskerville eine Welt zusammen. Mit jedem Buch, mit jedem Blatt Papier, das dem Feuer zum Opfer fällt, geht für ihn ein wertvoller Schatz für immer verloren. Verzweifelt versucht er einzelne Bände vor den Flammen zu retten.

Von Sascha Ott | 30.01.2005
    2.September 2004, abends gegen halb neun: Die Rauchmelder in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek schlagen Alarm: Feuer! Der Dachstuhl steht in Flammen. Schon bald sind 26 Feuerwehrmannschaften aus Weimar und Umgebung am Brandort. Die Mitarbeiter versuchen unter Einsatz ihres Lebens, möglichst viele der wertvollen historischen Bücher in Sicherheit zu bringen. Unter ihnen ist auch der Direktor der Bibliothek, Dr. Michael Knoche.

    Ich bin gerade mit einem Feuerwehrmann auf der ersten Galerie gewesen und habe wenigstens die Lutherbibel von 1534 sichern können. Die war gut erkennbar, die haben wir da in dem dunklen Bereich gerade so packen können. Aber den Rest der Bestände, da hoffen wir, dass er nur durch Wasserschäden betroffen ist und dass wir diese Bestände noch irgendwie retten können.

    Als ich vor Ort war, war es für mich erstaunlich, wie gut man in der Nacht reagiert hat.

    Wie schnell man durch Helfer, sehr viel von dem Material aus der brennenden Bibliothek hat bergen können und dann gleich vor Ort auch mit Frischhaltefolie einzeln eingewickelt hat, dass die Bücher die nachher zu uns kamen, die erste Versorgung eigentlich schon gehabt haben. Und das hat unsere Arbeit sehr erleichtert, weil damit dann ein typisches Schadensbild, dass diese Bücher durch das Wasser oberflächlich anweichen und miteinander verkleben und dann auch Farbmittel untereinander ausbluten, dieses Fehlerbild sieht man recht selten, weil man da sehr schnell reagiert hat.

    Das Zentrum für Bucherhaltung – das ZFB – war ursprünglich ein Teil der Deutschen Bibliothek in Leipzig. Hier sollte der Bestand der Bibliothek mit modernen technischen Mitteln vor dem Verfall bewahrt werden. Anfang 1998 wurde das ZFB als unabhängiges Institut ausgegliedert und nimmt nun Aufträge aus der ganzen Welt entgegen. Schon bei der Flutkatastrophe vor zwei Jahren haben Manfred Anders und seine Kollegen tausende nasse und verschlammte Bücher wieder nutzbar gemacht. Nach dem Brand von Weimar stehen sie am Beginn eines neuen Großauftrags.

    Noch vor wenigen Jahren verkündeten Trendforscher das Ende des Papiers. Zeitungen würden wir nur noch im Internet lesen. Im "papierlosen Büro" würden die Dokumente nur noch als digitale Daten gespeichert. Und die unzähligen Fernsehkanäle würden zusammen mit den modernen Multiplexkinos das Buch vom Markt verdrängen. Heute ist klar: Nichts von alledem ist geschehen: Der Papierverbrauch in den Büros ist deutlich gestiegen. Und auf der Frankfurter Buchmesse melden die Verlage in diesem Jahr einen neuen Rekord: In Deutschland wurde im vergangenen Jahr fast eine Viertel Milliarde Bücher produziert.

    So meine Damen und Herren, nach Professor Fest jetzt Javier Marías aus Spanien. Und da wir auf der Buchmesse sind, ich sag´s immer wieder, spreche ich mit Herrn Marías auf Englisch...

    Auf der Frankfurter Buchmesse, Halle 4.1: Zwischen den Verlagsbühnen, glänzenden Plakaten und den Stapeln von Neuerscheinungen der Buchmesse steht Sigrid Schraube an einem kleinen Stand mit grünen struppigen Pflanzen.

    Das ist die Papyrus-Pflanze, die im Nil so zweieinhalb Meter hoch wird und bei uns nur etwa 70 Zentimeter, weil es noch sehr junge Pflanzen sind. Aber die Stängel sind durchaus schon zu benutzen für das alte Schreibmaterial der Ägypter: das Papyrus.

    Nicht nur Bücher, auch Papier selbst ist ein vielfältiges und wertvolles Kulturgut. Sigrid Schraube vom Hamburger Verein "Buch Druck Kunst" führt auf der Buchmesse vor, wie der erste Vorläufer unseres Papiers bereits vor 3000 Jahren hergestellt wurde. Die Papyruspflanze besteht aus einem dreieckigen Stängel mit einem charakteristischen Büschel schmaler Blätter an der Spitze. Sigrid Schraube schneidet die Blätter ab und schält den Stängel.

    Und dann habe ich dieses weiße Material, was aus ziemlich reinem Zellstoff besteht. Wir schneiden es dann in diese dünnen Streifen (schneidet) und legen es in Wasser. Die Ägypter behaupten, das geht nur gut mit Nilwasser, aber das ist ein Gerücht. Das geht mit Frankfurter Buchmessenwasser auch… Sie müssen sich absolut voll saugen mit Wasser und werden dann ganz einfach ohne Zusätze – also das ist ganz wichtig: ohne Leimung, ohne irgendwelche Kleber, ohne Chemie – ausgelegt.

    In einer waagerechten und einer senkrechten Bahn werden die Zellstoff-Streifen übereinander gelegt. Dann kommt die fertige Lage zum Trocknen in eine Presse. Nach etwa zwölf Stunden sind die Papyrusblätter fertig.

    Die sind ganz – sagen wir mal – knusprig trocken (knistert) und müssen auch dieses Raschelgefühl haben wie ein trockenes Papier. Papyrus kann sehr alt werden. Wie wir in den Museen eben sehen können, kann so ein Bogen wunderbar die Zeitspanne von 3000 Jahren überleben. Und wir wissen noch nicht, oder wir können es uns vielleicht vorstellen, wie unser Papier in 3000 Jahren aussieht.

    Fast 34.000 Bücher sind in den Tagen nach dem Brand aus der Anna-Amalia-Bibliothek zum Zentrum für Bucherhaltung gebracht worden. Die meisten von ihnen sind vom Löschwasser durchnässt und zum Teil stark beschädigt. Sie wieder nutzbar zu machen, erfordert viel Zeit und vor allem modernste Restaurationstechnik. Als erstes werden die nassen Bücher nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, getrocknet – sondern eingefroren.

    "Also wir stehen jetzt vor einer der Gefrierboxen. In diesen Boxen – die haben die Größe einer kleinen Garage – haben wir eine Temperatur von minus 20 Grad. Und hier sind die Bücher von diesem Brandschaden zunächst einmal eingefroren. Ich mach jetzt mal die Tür auf…

    Jeder dem einmal ein Buch oder wichtige Aufzeichnungen nass geworden ist, kennt das Problem: Wenn das Papier getrocknet ist, kann man es kaum noch gebrauchen. Es ist "verhornt", also hart und wellig geworden. Außerdem bildet das feuchte Papier bei Raumtemperatur einen idealen Nährboden für Schimmelpilze und Bakterien. Daher wird am ZFB der normale Trocknungsprozess zunächst durch Kälte gestoppt.

    Und hier sehen Sie die vielen Bücher, die durch den Brandschaden und vor allem durch das Löschwasser nass geworden sind und die sind jetzt einzeln mit Mullbinden stabilisiert. Und in diesem Zustand werden sie zunächst eingefroren. Sie werden untereinander getrennt durch Polymerfolien, dass sie also nicht zusammen frieren. Und in diesem gefrorenen Zustand kommen die Bücher dann in die Gefriertrocknungsanlage und das wird unsere nächste Station sein.

    Papier gibt es in Deutschland seit fast 600 Jahren. In Papiermühlen wurde es zuerst aus Lumpen ab Mitte des 19. Jahrhunderts dann vor allem aus Pflanzenfasern hergestellt. Aber wie vielfältig einsetzbar Papier sein kann, hat man erst in den vergangenen Jahren so richtig entdeckt. Inzwischen entwickeln Ingenieure ständig neue Eigenschaften, die Papier zusammen mit der richtigen Beschichtung annehmen kann.

    Wir kennen es von alten Fax-Geräten und manchen Kassenquittungen: das Thermo-Papier. Besonders beliebt war es nie, weil es sehr dünn und schlecht zu handhaben ist. Daher sah es noch vor einigen Jahren so aus, als würde das Thermo-Papier fast völlig verschwinden. Neue technische Entwicklungen könnten ihm aber das Überleben sichern. Zum Beispiel ein Thermo-Papier, das bedruckt und wieder gelöscht werden kann, wie es die Mitsubishi Paper Mills in Flensburg entwickelt haben. Ideen, wer die Neuentwicklung gebrauchen könnte, gibt es genug. Der Ingenieur Matthias Marx:

    Der klassische Einsatz ist eigentlich ein Skipass. Man kauft zwanzig Fahrten mit dem Lift und dann steht eine große zwanzig da irgendwo in der Ecke. Und wenn man das beim nächsten Mal in den Automaten steckt, dann wird diese Zwanzig gelöscht und eine Neunzehn neu drauf geschrieben, so dass die Karte langsam abgearbeitet wird.

    Dieses mehrfache Löschen und Beschreiben ist möglich durch eine spezielle Beschichtung des Papiers: An den Punkten, die der Drucker auf etwa 170 Grad erhitzt, verschmelzen Farbe und Entwickler auf dem Papier zu einem Bildpunkt. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Wird der erhitzte Punkt schnell abgekühlt, dann bleiben die Chemikalien vermischt und der Bildpunkt erhalten. Kühlt sich das Papier aber langsam ab, dann trennen sich Tinte und Entwickler wieder zu einzelnen Kristallen. Auf diese Weise lässt sich das Thermo-Papier immer wieder löschen, demonstriert Matthias Marx am gedruckten Foto einer jungen Frau.

    Das kann man hier mit dem Feuerzeug demonstrieren. Sooo, jetzt mache ich das Foto der Dame mal etwas heiß… Und die Dame ist verschwunden. In diesem Fall ist das Bild langsam abgekühlt. Die entsprechenden Moleküle haben sich kristallisiert und Farbgeber und Entwickler liegen aus diesem Grund nicht mehr zusammen. Wenn man das jetzt wieder durch den Thermo-Drucker schiebt und neu beschreibt, ist da drin eine Kühleinheit. Und diese Kühleinheit sorgt dafür, dass die Kristallisation der verschiedenen Komponenten nicht möglich ist und so wieder ein Bild entsteht.

    Um das wieder beschreibbare Thermo-Papier für Fahrkarten und Eintrittstickets optisch noch attraktiver zu machen, soll es bald mit einer anderen Neuentwicklung kombiniert werden, die es in dieser Form bisher auch noch nicht als Thermo-Papier gab.

    Dieses Thermo-Papier hat den Vorteil, dass es zwei verschiedene Farbgeber hat. Und zwar in diesem Fall einen roten und einen schwarzen. Das heißt wir können ein zweifarbiges Bild erzeugen.

    Der Trick dabei liegt in den unterschiedlichen Temperaturen, bei denen der rote und der schwarze Farbstoff mit dem Entwickler verschmelzen. Bei niedriger Drucktemperatur entsteht ein roter Bildpunkt, bei höheren Temperaturen ein schwarzer.

    Der Druckkopf kriegt die Information, ob er jetzt eine niedrige oder eine hohe Energie aufbringen soll. Eine typische Anwendung dafür wäre zum Beispiel ein Kontoauszugsdrucker, wo unten drunter entweder eine schwarze oder eine rote Zahl steht. Sprich: Konto ist schwarz – Farbe muss ich schwarz drucken, oder Konto ist im Minus – Farbe muss ich rot drucken.

    Thermodrucker gelten als besonders wartungsfreundlich, da nicht regelmäßig Farbpatronen erneuert werden müssen. Denn die Farbstoffe sind ja bereits im Papier enthalten. Daher hoffen die Entwickler vor allem auf einen Einsatz ihres Papiers in Kontoauszugsdruckern oder Fahrkarten-Automaten. Überall dort, wo ein Drucker unbeaufsichtigt zuverlässig arbeiten muss, soll das Thermo-Papier eine Zukunft haben.

    Die Rettung der beschädigten Bücher aus der Anna-Amalia-Bibliothek ist vor allem am Anfang ein Wettlauf gegen die Zeit. Möglichst schnell müssen die wertvollen Bände tiefgefroren werden. Dann können sich die Schäden nicht weiter ausbreiten und es ist viel Zeit gewonnen. Die gefrorenen Bücher werden für einige Wochen in den Kühlhäusern des Zentrums für Bucherhaltung zwischengelagert. Bis sie an der Reihe sind, um von Manfred Anders auf schonende Art getrocknet zu werden.
    So! Das ist unsere Gefriertrocknungsanlage. Die besteht aus einer Kammer. Diese Kammer fasst zwischen 500 Kilo und einer Tonne an nassen Büchern. Das heißt diese gefrorenen Bücher, die wir gerade gesehen haben, werden jetzt zu dieser Kammer gebracht und auf diese Regalböden einsortiert. Dann wird Vakuumpumpe. Die entzieht jetzt dieser Kammer zunächst mal alle Luft, sodass wir hier ein Vakuum haben von unter sechs Millibar. Wir haben jetzt gerade ein Vakuum von circa ein Millibar.

    Das Gefriertrocknungsverfahren macht sich einen besonderen chemischen Übergang zunutze. Bei besonders niedrigem Druck, so wie er in der Trockenkammer herrscht, schmilzt das Eis nicht zu Wasser, sondern es geht direkt in den gasförmigen Zustand über: Es sublimiert. Aus dem Eis wird Wasserdampf und auf den Regalböden in der Kammer bleiben trockene Bücher zurück.

    Und deswegen sind diese Böden, die wir hier durch das Fenster erkennen können, die sind von innen mit Wasser durchströmbar. Und dieses Wasser wird beheizt. Deswegen werden wir jetzt mal hinten an die Kammer gehen… und dann sehen wir hier die Versorgungsleitung für diese einzelnen Böden und wenn man das berührt, dann fühlt man, das ist schön handwarm. Das heißt die Energie, die Wärmeenergie, die von diesen Böden den Büchern gegeben wird, wird benutzt, damit das Wasser sublimieren kann. Und solange das Buch noch nass ist, bleibt es gefroren und wenn die Feuchtigkeit entzogen wird, nimmt es die Temperatur dieser Wärmeböden an.

    Und das kann dauern. Dünne Bücher müssen einige Tage in der Trocknungskammer liegen, eine dicke Bibel kann mehrere Wochen brauchen, bis sie durch und durch trocken geworden ist. Das verdampfende Wasser stellt die Techniker aber vor ein neues Problem: Bei dem niedrigem Druck werden aus einem Kilo Eis tausende Kubikmeter Wasserdampf. Um diese gewaltige Gasmenge abzusaugen, müsste an die Kammer eine sehr leistungsstarke und daher teure Pumpe angebracht sein. Die Lösung des Problems: Der Wasserdampf aus den Büchern wird einfach wieder eingefroren. Dafür verlaufen hinter der Trocknungskammer Rohre, die mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden.

    Hier ist der Einlauf des flüssigen Stickstoffs. An der Stelle ist es am kühlsten und her scheidet sich am meisten dieses Eis ab. Das heißt während des Prozesses wandert eigentlich auch das Eis, dass sich in den anderen Bereichen angesammelt hat immer langsam zu uns hin <klacken und="" surren=""> Und hier gerade durch das Klacken haben wir hier das Ventil gehört, das wieder neuen flüssigen Stickstoff durch diese Rohre leiten lässt.</klacken>

    Bei den meisten beschädigten Büchern reicht die Trocknung allein nicht aus. Einband, Druck und Papier müssen von den Restauratoren am ZFB in weiteren Schritten noch gründlich bearbeitet werden.

    Vielen Menschen ist die Sorte Papier die Liebste, die sie als kleine bunt bedruckte Scheine in ihr Portemonnaie stecken können: das Papiergeld. Aber hier sind auch die Ansprüche an das Material am höchsten. Papier ist hier nicht einfach Papier, sondern eine ausgefeilte Kombination aus Wasserzeichen, Hologrammen und anderen Sicherheitsmerkmalen. Fälschern dieser kostbaren Papiersorte soll das Handwerk so schwer wie möglich gemacht werden.

    Als im Januar 2002 der Euro eingeführt wurde, mussten sich Millionen Europäer an neue Münzen und Scheine gewöhnen. Vor allem in den ersten Monaten konnten Fälscher häufig die ungeübten Verbraucher mit zum Teil recht plumpen Fälschungen überlisten. Euro-Experten wie Gerd-Eckard Schneider von der Deutschen Bank versuchten zu dieser Zeit, den Bürgern die Sicherheitsmerkmale des neuen Papiergeldes einzuschärfen.

    Wenn man die Banknote in die Hand nimmt, hat man zuerst den festen Griff des Banknoten-Papiers. Hat man dann Zweifel aufgrund des Anfassens der Note reicht ein Hochheben der Banknote, ein Durchblicken und man hat mit einem Blick fünf Sicherheitsmerkmale, die man sehen kann: drei Wasserzeichen, ein Sicherheitsfaden, ein Durchsichtsregister.

    Aber auch zwei Jahre nach der Einführung der neuen Währung sind die Sicherheitsprobleme des Euro immer noch nicht ganz gelöst. Regelmäßig tauchen neue Fälschungen auf. Im ersten Halbjahr dieses Jahres musste die Europäische Zentralbank mehr als 300.000 Euro-Blüten aus dem Verkehr ziehen. Mit welchen Verfahren das Papiergeld noch fälschungssicherer gemacht werden soll, ist den Verantwortlichen naturgemäß nur schwer zu entlocken. Jean-Pierre Riquier, Chef der Abteilung Sicherheitsdokumente beim französischen Papierhersteller Arjo-Wiggins.

    Darüber zu reden ist problematisch, denn die neusten Entwicklungen sind natürlich geheim. Aber die Tendenz ist, den Banknoten mehr optisch wahrnehmbare Merkmale zu geben, damit die Menschen sie so leicht wie möglich überprüfen können. Und es werden natürlich auch automatische Kontrollverfahren entwickelt, die dann spezielle Maschinen erfordern.

    Ein solches Kontrollverfahren haben vor kurzem Informatiker vom Institut für Signalverarbeitung der Fachhochschule Mannheim vorgeschlagen: Sie wollen anhand der Faserstruktur des Papiers und der Druckqualität eine Art "digitalen Fingerabdruck" jedes einzelnen Geldscheins erstellen. Mit einem handelsüblichen Scanner erhalten sie ein digitales Bild des Papiers, das für jede Banknote in winzigen Nuancen unterschiedlich aussieht. Die Bilddaten werden verschlüsselt und anhand einer kleinen schwarz-weiß Grafik auf den Schein gedruckt. Durch ein erneutes Scannen und die entsprechende Decodier-Software soll sich dann zweifelsfrei feststellen lassen, ob die aufgedruckten Daten und der digitale Fingerabdruck des Papiers übereinstimmen – ob es sich also um einen echten Geldschein handelt. Aber auch bei der Herstellung des Papiers selbst könnten in Zukunft bereits Sicherheitsmerkmale eingearbeitet werden.

    Wir könnten spezielle Partikel in das Papier einbringen, chemische oder auch mineralische, die dann ein Kontrollgerät nachweist. Das ist die jüngste Entwicklung.

    Eine besondere Variante dieser eingearbeiteten Sicherheitspartikel haben Forscher der Universität Marburg ins Spiel gebracht: das Farbstoff-Protein Bakteriorhodopsin. Dieser Eiweißstoff wechselt beim Bestrahlen mit hellem Licht schlagartig die Farbe. Mit seiner Hilfe könnte die einfachste und immer noch häufigste Fälschungsmethode unterbunden werden: Das Scannen und Kopieren mit hochwertigen Farbkopierern. Wird ein Geldschein, der mit Bakteriorhodopsin beschichtet ist, im Kopierer bestrahlt, dann wechselt seine Farbe von lila in ein blasses gelb. Die Kopie zeigt dann immer eine deutlich andere Farbe als das Original. Kurz nach dem Bestrahlen nimmt das Eiweiß wieder seine ursprüngliche Farbe an. Seit neuestem kann das Farbstoff-Protein gentechnisch hergestellt werden, so dass die Kosten des Verfahrens deutlich gesunken sind. Die Marburger Forscher hoffen daher, dass das Papiergeld der Zukunft mit ihrem Bio-Fälschungsschutz beschichtet sein wird.

    Wenn in der Werkshalle des Zentrums für Bucherhaltung das Warnsignal ertönt, heißt es: Finger weg! Denn jetzt setzt sich eine 35 Meter lange Maschinenstraße aus mächtigen Walzen, Pressen und Tauchbecken in Bewegung: die Papierspaltmaschine – die letzte Rettung für besonders wertvolle Bücher deren Papier durch Feuer und Wasser brüchig und löchrig geworden ist. Nach dem Trocknen wird der Einband dieser Bücher aufgetrennt, damit die Mitarbeiter von Manfred Anders das Papier in der Spaltmaschine Blatt für Blatt stabilisieren können.

    Und dieser Prozess verläuft folgendermaßen, dass wir hier zwei Trägerpapiere haben, mit warmer Gelatine wird das beaufschlagt, da ist also ein dünner Gelatinefilm. Und jetzt betten wir dieses Papier beidseitig zwischen diesen beiden Trägerpapieren mit Gelatine ein.

    Auf beiden Seiten des Papierblattes liegt nun also eine Schicht Gelatine und dann ein festes Trägerpapier. Im Schneckentempo von einem Meter pro Sekunde läuft diese Schichtung jetzt durch mehrere Walzen. Die Trägerpapiere müssen fest und ohne Luftblasen an das Originalpapier geklebt werden.

    Die Gelatine hat einige Minuten Zeit, sich zu verfestigen, dass die Bindung zwischen dem Trägerpapier und dem Original viel stärker ist als die Bindung, die Faserbindung im Inneren des brüchigen Papiers. Dass wenn wir jetzt die beiden Trägerbahnen auseinander ziehen – und das ist genau an dieser Stelle, an der wir jetzt gerade sind – es zu dem Papierspaltprozess kommt. Das bedeutet eigentlich, dass wir das Papier auseinander reißen und damit ins Innere des Papiers hereinkommen.

    Wenn das Originalblatt in zwei Schichten gespalten ist, kommt der entscheidende Schritt: ein möglichst dünnes stabiles Spezialpapier wird zwischen den Schichten eingefügt und mit ihnen verklebt. Diese Zwischenschicht darf die Dicke des Originals nicht nennenswert erhöhen, damit die Buchseiten später wieder in ihren alten Einband passen. Außerdem hat das Stabilisierungspapier einen hohen Anteil an Kalziumcarbonat. Dadurch ist es besonders alkalisch und beugt dem Säurefraß im restaurierten Papier vor.

    Jetzt haben wir nur noch das Problem, dass wir diese Trägerpapiere auf den Oberflächen dieses Papiers haben und die wollen wir natürlich wieder ablösen. Das Papier wird in ein warmes Wasserbecken geführt. Also wir sind hier bei über 60 Grad Celsius. Und in diesem Becken haben wir Enzyme. Diese Enzyme bauen die Gelatine ab zu den entsprechenden Aminosäuren und die sind dann leicht auswaschbar. Letztendlich, wenn das Papier jetzt hier am Ende der Maschine raus kommt, haben wir das Trägerpapier und das gespaltenen Papier und dann wieder das Trägerpapier. Die Gelatine ist komplett entfernt.

    Die fertigen, stabilisierten Blätter werden zugeschnitten und wieder in ihren alten Einband gebunden. Das Spaltverfahren ist aufwändig und langwierig. Aber es kann auch stark beschädigte Bücher wieder nutzbar machen. Und es verdeutlicht, wie sehr um buchstäblich jedes einzelne Blatt der alten Schriften gekämpft wird.

    Am auffälligsten drängt sich Papier meist dann in unser Bewusstsein, wenn es von der Werbung eingesetzt wird: Plakate, Anzeigen und grelle Verpackungen kämpfen um unsere Aufmerksamkeit. Papier ist bekanntlich geduldig. Da sich die Produkte in ihrer Qualität meist kaum voneinander unterscheiden, sollen einprägsame Slogans und auffällige Effekte den Kampf um den Konsumenten entscheiden.

    Die meisten neueren Farbeffekte auf Verpackungen und Etiketten beruhen auf so genannten Leucodyes. Das sind organische chemische Cocktails, die abhängig von der Temperatur unterschiedliche Gleichgewichtszustände einnehmen können. Diese Farbstoffe können als winzige Tröpfchen in Mikrokapseln eingeschlossen und dann wie normale Farben verwendet werden. Im kühlen Zustand haben die Leucodyes einen bestimmten Farbton. Bei höheren Temperaturen werden sie meist transparent. Nils Eggimann vom Spezialtinten-Entwickler SICPA demonstriert den Effekt.

    Also bei diesen thermochromen Farben, die wir hier vorliegen haben, können wir Verpackungen oder Etiketten bedrucken, die dann mit den Händen angefasst werden. Und durch die Temperatur an den Fingern verändert sich der Farbton. Also halte ich jetzt meine Hände hier drauf, dann verschwindet das Rot. Und der Vorteil daran ist eben, dass, sobald sich das Produkt wieder abkühlt, dann erscheint wieder das Rot. Also das ist ein absolut reversibler Prozess.

    Praktisch kann man sich diesen Effekt zunutze machen, indem man das Papier doppelt beschichtet: Erst ein Bild, das im erwärmten Zustand erscheinen soll, darüber dann eine Schicht Leucodyes. Die verdeckt das Bild im kalten Zustand. Wenn sich das Papier erwärmt, werden die Leucodyes transparent und das darunter liegende Bild erscheint. Inzwischen gibt es hunderte dieser thermochromen Farbstoffe für die unterschiedlichsten Anwendungen, neue kommen ständig hinzu.

    Da gibt´s alle möglichen Temperaturen. Was am meisten verwendet wird, das ist Körpertemperatur, also so um die 20, 24 Grad. Sie haben ja nicht 37 Grad an den Fingern. Damit, wenn Sie ein Produkt anfassen, auch was passiert. Die zweite Anwendung, dass sind vor allem die Etiketten für Getränke, die gekühlt werden müssen, wie zum Beispiel Bier, wo dann auf dem Etikett, wenn das Bier schön kühl ist aus dem Kühlschrank, eine kleine Schrift erscheint: ’Bitte, jetzt kannst du mich trinken, ich bin schön eisgekühlt.’

    Ähnliche Anwendungsmöglichkeiten gibt es auch bei höheren Temperaturen: Auf der Verpackung des Mikrowellen-Gerichts erscheint der Schriftzug "Fertig!", wenn der Inhalt heiß genug ist. Und auf dem Pappbecher warnt die Aufschrift "Vorsicht heiß!", wenn frisch gebrühter Kaffee eingeschenkt wurde. Die Leucodyes erobern inzwischen mit immer neuen Varianten den Massenmarkt. Ein anderes Projekt von Nils Eggimann und seinen Kollegen steht hingegen noch am Anfang: eine Druckfarbe, die Blinden das Lesen im wahrsten Sinne erleichtern soll.

    Das Besondere ist, dass diese Blindenschrift nicht … Man kennt das vielleicht von diesen dicken Büchern, die Blinde oft mit sich herum tragen, die eben sehr voluminös sind. Und wenn man die aufmacht, dann ist da ein weiches Papier drin, was eben sehr stark geprägt wurde durch diese Blindenschrift. Und wir haben jetzt eine Farbe entwickelt, die im Siebdruck verdruckt werden kann, mit Spezialpigmenten, die zu dieser starken Reliefbildung auf dem Bedruckstoff führen.

    Entscheidend für diese gedruckte Braille-Schrift ist, dass die Druckfarbe einen feine aber deutlich ertastbare Erhebung auf dem Papier hinterlässt. Sie darf also nicht zerlaufen, sondern muss sofort erhärten. Daher wird eine Farbe verwendet, die durch Bestrahlung mit UV-Strahlen direkt nach dem Aufdruck trocknet.

    Das heißt, ich kann 100 Prozent Festkörper übertragen, also 100 Prozent feste Substanz, ohne dass mir dann ein Lösemittel wegverdunstet. Und dadurch habe ich dann einen sehr hohen Transfer an Farbe, was mir dann eben schlussendlich diesen stark erhöhten Punkt ergibt auf dem Bedruckstoff.

    Bisher ist der Zuwachs an Volumen enorm, wenn ein Buch in die Blindenschrift übertragen und gestanzt wird. Aus einem 300-Seiten-Roman können dabei leicht fünf oder sechs dicke Bände werden, die eine ganze Regalzeile füllen. Die neue Drucktechnik könnte in einigen Jahren dünneres Papier und feinere Braille-Punkte ermöglichen und somit den Platzbedarf deutlich reduzieren.

    Mehrere tausend Bücher aus der Anna-Amalia-Bibliothek wurden im Zentrum für Bucherhaltung bereits vom Löschwasser befreit. Sie liegen gestapelt in einem großen Lagerraum des Instituts. Hier riecht es nach Rauch und verschmortem Leder.

    Jetzt brauchen diese Bücher erst einmal Zeit zur Beruhigung, dass sie in ihre Gleichgewichtsfeuchte wieder zurückkommen. Ein natürliches Papier hat bei normalen Raumbedingungen einen Wassergehalt zwischen fünf und sieben oder acht Prozent Feuchtigkeit. Das heißt, wir haben hier Stapel an Bücher in der gleichen Größe übereinander. Und oben ist eine starre Pappe oder ein Brett und ein Stein liegt da drauf. Damit das unter leichtem Druck in dieser Form gehalten wird. Und in dieser Form nehmen die jetzt langsam wieder die Luftfeuchtigkeit auf.

    Dann erst können die Restauratoren mit der weiteren Behandlung beginnen: Sie reparieren Einbände und setzen die Buchblöcke wieder passgenau ein, sie beseitigen Wasserschäden und bessern verkohlte Stellen aus. Einige Bücher sind auch nach der Trocknung schon so weit wieder hergestellt, dass sie normal genutzt werden können.

    Diese Bücher führen wir so schnell wie möglich zurück. Die müssen dann in Weimar wieder aufgenommen werden. Weil man bisher jetzt eine Verlustdatenbank aufgenommen hat von allen Büchern, die in diesem Brandbereich gestanden haben, und freut sich über jedes Buch, was jetzt wieder so zurückgeführt wird.

    Mehr als 2000 Bücher konnte Manfred Anders der Bibliothek schon wieder zurückgeben. Wie viele von den übrigen Büchern in den kommenden Jahren wieder nutzbar gemacht werden können, ist auch eine finanzielle Frage. Etwa 10 Euro pro Buch kostet allein die Gefriertrocknung. Die weitere restauratorische Arbeit ist meist deutlich teurer. Die Stiftung Weimarer Klassik hofft vor allem auf Spenden, um ihre Kulturschätze aus Papier irgendwann wieder der Öffentlichkeit präsentieren zu können.

    Der Brand vom 2.September hat in der Anna-Amalia-Bibliothek schwere Schäden angerichtet, aber die Bausubstanz blieb erhalten und wird restauriert. Bis zum Jahre 2007, dem 200.Todesjahr der Herzogin Anna Amalia, soll der Bibliothekssaal wiederhergestellt sein. Für die Kloster-Bibliothek im "Namen der Rose" hingegen gab es keine Rettung.

    Jahrzehnte später reiste ich im Auftrag meines Abtes nach Italien. Ich machte einen Umweg und wühlte in den überwachsenen Trümmern der Abtei. Unter dem Schutt fand ich Reste von verkohlten Pergamenten. Ihr Inhalt ergibt keinen Sinn, hat keine Bedeutung… Mir bleibt nur zu schweigen.