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Nicht von Pappe!

Technik. - Wer selbst schon einmal getöpfert hat, weiß, wie schwierig es sein kann, eine Vase oder eine Schale in die richtige Form zu bringen. Die Industrie steht da vor ähnlichen Problemen. Denn für Keramik gibt es viele Anwendungen in der Technik: Katalysatorträger, Turbinenblätter oder verschleißarme Klingen. Besonders schwierig ist es, große Objekte mit ausgefallenen Formen herzustellen oder welche mit hochfeiner Struktur. Forscher aus Erlangen haben nun ein Material gefunden, mit dem beides gleichzeitig möglich ist. Wichtigstes Werkzeug zur Formgebung ist dabei eine Schere.

Von Arndt Reuning |
    Wir haben verschiedene Öfen mit unterschiedlichen Durchmessern. Von kleinen Bauteilen bis riesigen großen, wie wir hier zum Beispiel sehen können. Und hier sehen Sie zum Beispiel einen kleinen Ofen mit sieben oder fünf Zentimeter Durchmesser und einen riesigen Ofen . Die beide gehen bis 1600 Grad Celsius. Die für unsere Prozesse nötigen Temperaturen, zum Beispiel 1400 Grad, halten sie voll aus.

    Olga Rusina steht in der technischen Halle des Lehrstuhls für Glas und Keramik an der Universität Nürnberg-Erlangen. Über zwanzig Hochtemperaturöfen stehen hier. Würde man ein Stück Papier in einen dieser Öfen halten, bliebe nach wenigen Augenblicken nur ein Häufchen Asche zurück. Nicht so aber das Spezialpapier, das in Erlangen entwickelt wurde. Im heißen Ofen kann es sich zum feuerfesten Mullit umwandeln, zu einem keramischen Werkstoff.

    Von Anfang an haben wir ein Papier und man kann im Prinzip alle Teile oder Konstruktionen erst in rohem Zustand formen und danach in einen Ofen stellen, und danach haben Sie ein fertiges Produkt.

    Das steife Papier hat farblich nur wenig gemein mit dem Papier, das man zum Schreiben verwendet. Es ist grau, von einem metallischen Grau, und seine glatte Oberfläche glänzt im Gegenlicht. Das ist kein Wunder, denn bei seiner Herstellung wurden Aluminium und Silizium in die Ausgangsstoffe gemischt. Ein Konzept, mit dem sich eine Vielzahl unterschiedlicher Werkstoffe herstellen lässt, so Professor Peter Greil. Vor allem aber Carbide, hochstabile Kohlenstoff-Verbindungen.

    Industrielle Papiere können in der Weise nicht umgesetzt werden zur Keramik, sondern sie müssen mit geeigneten Füllstoffen beladen werden, die als Reaktionspartner für den Kohlenstoff, der als Zwischenprodukt aus dem Papier erzeugt wird, vorliegen. Und dieser Kohlenstoff muss mit geeigneten Füllstoffen, mit geeigneten Reaktanten in einer chemischen Reaktion zu der Keramik reagieren.

    Ein großer Vorteil des Papiers ist, dass es sich leicht in alle möglichen und auch bisher unmöglichen Formen bringen lässt. Große, dünne Keramik-Blätter als Isoliermaterial sind ebenso leicht zu erzeugen wie Bauteile, die wie Wellpappe aufgebaut sind. Der Clou: Auf mikroskopischer Ebene bleibt die Struktur des Papiers weitgehend erhalten. In dem gebrannten Material finden sich also auch weiterhin Faserstrukturen. Und wenn man noch weiter ins Innere der Keramik blickt, kann man auch noch die Zellstruktur des Holzes erkennen. Solche Werkstoffe bezeichnet man auch als hierarchisch organisiert. Holz ähnelt in seinem inneren Aufbau einem großen Gebäude: Da gibt es weite Hallen und kleine Zimmer, Schächte und Türen zwischen den einzelnen Räumen. Das Keramik-Papier bietet sich daher für bestimmte Anwendungen an. Greill:

    Besonders interessant ist natürlich die Herstellung von hochporösen Leichtbaustrukturen aus derartigen faserigen Keramiken. Und die sind beispielsweise von großem Interesse für die Katalyse, für die Abgasreinigung, beispielsweise die Partikelfilterung bei Automobilabgasen.

    Die großen Poren halten dann die Rußteilchen zurück, und durch feine Löcher, die schon in der Zellwand angelegt sind, können die Abgase strömen - vollkommen ohne Turbulenzen - und an den Katalysator-Teilchen zerlegt werden. Und weil man natürliche Strukturen sozusagen abkupfert, erhält man auch sehr stabile Bauteile mit möglichst wenig Material. Greill:

    Ein natürlicher Werkstoff ist nicht überall gleich dick aufgebaut und gleich fest beispielsweise, sondern nur dort, wo es benötigt wird. Im Gegensatz zu konventionell technischen Materialien. Und das heißt auch, dass die Natur mit in der Regel minimalem Materialaufwand und auch minimalem Einsatz von Ausgangsmaterialien und Energie sehr leichte, aber funktionsoptimierte Strukturen aufbaut.

    Keramische Materialien wiegen ohnehin nur rund halb so viel wie Stahl. Und durch den leichten inneren Aufbau der Papier-Keramiken kann das Gewicht noch weiter reduziert werden.