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Nicht wieder auf die schiefe Bahn geraten

Das Haus Dellwig in Kamen ist eine Wohngemeinschaft für Haftentlassene sowie von Haft bedrohter junger Erwachsener. Es soll die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen - und nimmt sich dabei viel Zeit.

Von Martin Winkelheide |
    Ekkehard Zinner: Ekkerhard Zinner, ich bin Sozialpädagoge, leite die Einrichtung Haus Dellwig, eine Resozialisierungseinrichtung für haftentlassene junge Männer zwischen 18 und 28 Jahren.

    Christian H.: Mein Name ist Christian H., ich bin 27 Jahre alt, wohne hier in Haus Dellwig seit sieben Monaten.

    Ekkehard Zinner: Hier wohnt sich wie in einer Wohngemeinschaft unter Studenten. Jeder hat ein eigenes Zimmer, hat eine gemeinsame Küche, Bäder. Wir essen gemeinsam, wir kochen gemeinsam.

    Christian H.: Seit 2004 bin ich am Heroin gewesen.

    Ekkehard Zinner: Die Klienten müssen hier lernen Kochen, Putzen, Waschen, Einkaufen, ihr Geld einzuteilen, alles unter unserer Anleitung.

    Christian H.: Durch mein damaliges Leben durch Heroinsucht bin ich in Straffälligkeit geraten. Und habe dann diverse Haftaufenthalte hinter mir. Und habe mich dann durchs Internet, durch Empfehlungen, habe ich das hier angeschrieben. Und dann habe ich Hilfe bekommen.

    Autor: Wie lange darf jemand hier wohnen?

    Ekkehard Zinner: Gesetzlich ist das nicht vorgeschrieben, im Schnitt ist es so, dass es drei Jahre dauert, um das Ziel, nicht mehr straffällig zu werden und selbstständig leben zu können, erreichen zu können.

    Christian H.: Ich nehme seit zwei Jahren kein Heroin mehr, von illegalen Substanzen bin ich fort. Ist zwar ein toller Erfolg, aber man muss weiter darauf aufbauen, dass man nicht wieder die falsche Bahn läuft.

    Ekkehard Zinner: Wir sieben natürlich auch. Wir haben eine Hausordnung, wir haben Regeln hier. Und die das überleben, die bleiben auch drei Jahre hier. Und sind gerne hier. Und freuen sich auf die Ablösungsphase und dass sie viele Sachen gelernt haben hier.

    Christian H.: Ich habe am Anfang versucht, meine Sucht zu kompensieren mit anderen Suchtmitteln, mit Alkohol, die Spielothek, was mittlerweile auch wieder viel weniger geworden ist. Was für mich am schwierigsten ist? Das normale Leben draußen, das alltägliche Leben war schwer am Anfang.

    Ekkehard Zinner: Das kann nicht reibungslos funktionieren, weil die Menschen kommen aus heftigsten Lebenssituationen zu uns, aus kaputten Familienverhältnissen auf der Straße gelebt, haben Heimkarriere hinter sich, sind straffällig geworden, haben aus Hilflosigkeit Substanzen konsumiert, Alkohol oder auch illegale Drogen, sind inhaftiert worden. Und dann zu uns gekommen, also ein langer Lebensweg, der meistens von Misserfolgen geprägt war. Und dann kommen wir am Ende der Fahnenstange, außer uns gibt es nur die Straße oder eben die Einrichtung. Und dementsprechend ist es nicht so einfach, jemanden, der zehn Jahre in die falsche Richtung gelaufen ist, zu erreichen.

    Christian H.: Ein Traum? So zu leben, dass ich so was wie Drogen oder Suchtmittel gar nicht mehr brauche, dass ich gut leben kann.

    Autor: Reichen drei Jahre?

    Ekkehard Zinner: Eigentlich nicht. Aber drei Jahre ist schon ein langer Zeitraum, sie müssen ja auch überlegen, dass die Menschen alle erwachsen sind. Und man möchte die auch integrieren, man möchte die nicht abhängig machen von der Einrichtung. Und wir bieten auch nach drei Jahren noch eine ehrenamtliche Nachbetreuung an. Die Menschen kennen dann ihre Defizite und wissen, wo sie Probleme noch haben. Und nutzen dann dieses Nachbetreuungskonzept.

    Christian H.: Mein Trauberuf? Ich habe damals schon eine Ausbildung im Gartenlandschaftsbau gemacht, den würde ich auch gerne wieder ausüben. Zurzeit schule ich um, mache jetzt so eine Arbeit wie Sicherungsposten, im Gleisbau. Das ist so ein Job, da muss man auf den Schienen stehen und Arbeiter im Gleis vor Zügen warnen. Da kann man sich da hocharbeiten, kann man viele weitere Jobs sich ausbilden. Man könnte Karriere da machen, vielleicht bleibe ich dann bei der Bahn.