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Nichts als Streit

Die legendäre Studentenzeitschrift "UnAufgefordert" der Humboldt-Uni steht angeblich vor dem Aus. Das seit 20 Jahren existierende Blatt ist für seine hochschulpolitischen Artikel bekannt. Doch nun hat sich die Redaktion mit dem Herausgeber und Geldgeber der "UnAufgefordert" zerstritten. Das StudentInnenparlament der Humboldt-Uni will die Zeitschrift nur weiter finanzieren, wenn es mehr Einfluss auf das Blatt erhält. Die Redaktion fürchtet um ihre Unabhängigkeit.

Von Jens P. Rosbach | 05.03.2009
    Viele studentische Leser sind entrüstet über den Machtkampf der Herausgeber mit der Redaktion der "UnAufgefordert".

    "Ich finde es eigentlich schade, dass eine Zeitschrift jetzt plötzlich vom Studentenparlament dominiert werden soll. Vor allem weil es die schon relativ lange gibt die "UnAufgefordert" und eigentliche eine der besten Studentenzeitschriften ist Deutschlands.

    Dass eine Zeitung jetzt von dem Geldgeber so bedrängt wird, finde ich sehr sehr schade. Weil es ein sehr gutes Magazin ist, was ja auch Preise gewonnen hat und alles.

    Kann mir nur schwer vorstellen, dass die willkürlich eingestellt werden soll, die Zeitung. Aber wer weiß?"

    Genau: wer weiß? Denn nur die wenigsten Studenten kennen den wahren Hintergrund der Auseinandersetzung. Und der ist brisant: Im vergangenen Jahr erfuhr die "UnAufgefordert" von einer vermeintlichen sexuellen Belästigung einer Studentin durch einen Professor. Die Redakteure recherchierten und schrieben einen Text - mit zahlreichen Aussagen der Betroffenen. Désirée Verheyen von der Chefredaktion berichtet, dass der Artikel aber nicht gedruckt werden konnte, weil die Studentin plötzlich Angst bekommen habe.

    "Der musste zurück gezogen werden, weil die Betroffene uns angerufen hat. Also der Text war fertig und sie hat uns angerufen und gesagt: Es wird ihr zu heikel, sie möchte das nicht veröffentlicht haben."

    Die Zeitschrift wollte das Thema aber nicht unter den Tisch fallen lassen. Ersatzweise druckte sie im vergangenen Oktober zwei offene Briefe ab, die an der Uni kursierten: einen kurzen, allgemein gehaltenen Brief der betroffenen Studentin und einen langen Text des beschuldigten Professors. Dieser schreibt von Verleumdung und Erpressung sowie von Anzeigen gegen die Studentin bei der Polizei. Das journalistische Problem: Die offenen Briefe allein lassen den Leser im Unklaren darüber, was tatsächlich vorgefallen ist; es fehlen wichtige Zusatz-Informationen. Der Herausgeber, das StudentInnenparlament - kurz StuPa -, war vor allem entsetzt, weil in der eigenen Zeitung die umstrittene Professorenmeinung so viel Raum einnahm.

    "Im StuPa entstand der Eindruck, dass die Redaktion das eigentliche Sexismus-Problem nicht 100prozentig verstanden hatte."

    Klagt etwa ein StuPa-Mitglied von der Juso-Hochschulgruppe. Das StudentInnenparlament zog Konsequenzen: Es ließ sämtliche Exemplare der Zeitung wieder einziehen - und zitierte die Redaktion zum Rapport. Doch die Blattmacher wollten keine Fehler einräumen. Dabei ist offenbar: Die Unaufgefordert hätte mit der Veröffentlichung besser gewartet, bis alle Informationen verfügbar und druckbar sind. Die Studentenvertreter maßregelten die Redaktion schließlich, indem sie den Jahreshaushalt der Zeitschrift zunächst nur für drei Ausgaben genehmigten. Die Blattverantwortlichen zeigen sich empört darüber.

    "Also wir finden unmöglich, dass das Studentenparlament diesen Artikel jetzt mit der Finanzierung der "UnAufgefordert" verknüpft. Und damit einfach die Zukunft der "UnAufgefordert" aufs Spiel setzt."

    Das StudentInnenparlament will über den Finanzhebel mehr Einfluss auf seine Publikation bekommen, um künftig weitere Problemfälle zu vermeiden. Eine neue, paritätisch besetzte Kommission soll das Verhältnis zwischen Herausgeber und Blattmacher neu definieren. Doch die "Unauf", wie das Blatt abgekürzt heißt, fürchtet nun um ihre Unabhängigkeit - und schlägt Alarm. Die Redakteure sandten kürzlich an Tageszeitungen, Radio- und Fernsehsender Hilferufe mit dramatischen Schlagzeilen wie "Zensur! Deutschlands beste Studierendenzeitung vor dem Aus!". Eine Frau, die vom Studentenparlament in die neue Vermittlungs-Kommission gewählt wurde, schüttelt darüber den Kopf.

    "Das Interesse ist natürlich bei allen Beteiligten, das die "Unauf" erhalten bleibt. Und die Drohkulisse ist dabei nicht unbedingt hilfreich. Also ein kooperatives Verhalten der Redaktion wäre wesentlich hilfreicher dabei, das Problem schnellstmöglich vom Tisch zu bekommen, als jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen und uns im Prinzip zu drohen."

    Die Redaktion wiederum stellt die Zusammensetzung der Vermittlungs-Kommission in Frage und setzt auf ein neues Studentenparlament, das sich im nächsten Monat konstituiert. Bis dahin wird wohl der Konflikt an der Humboldt-Uni - unaufgefordert - weiter schwelen.
    Anmerkung der Redaktion: Der Name einer Gesprächspartnerin wurde auf deren Wunsch anonymisiert.