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Nichts nach dem üblichen Schema

Roger Smith demonstriert in seinem zweiten auf Deutsch erschienenen Roman "Blutiges Erwachen", was gelungene Spannungsliteratur auszeichnet: Er verleiht Kapstadt, dem Ort der Handlung, eine Hauptrolle. Gewalt ist dort eine Selbstverständlichkeit.

Von Sacha Verna |
    Wer in Kapstadt Bäuche aufschlitzt, meint es ernst. Kapstadt ist der Schauplatz von Roger Smiths Romanen. Letztes Jahr erschien mit "Kap der Finsternis” der rasante Erstling des Südafrikaners auf Deutsch. "Blutiges Erwachen” ist keine Fortsetzung davon, aber mindestens so blutgesättigt.

    Roger Smith demonstriert darin, was gelungene Spannungsliteratur auszeichnet: Er verleiht dem Ort der Handlung eine Hauptrolle. Die Metropole am Fuß des Tafelberges könnte mit ihren Gegensätzen dafür geeigneter nicht sein. Da sind zum einen die Hochsicherheitsviertel der Reichen an den Hängen des Lion's Head und Signal Hills – mit prächtiger Aussicht aufs Meer und Sonnenuntergänge, die keinen Zweifel daran lassen, was Kapstadt mit seiner Schwesterstadt Nizza verbindet.

    Zum anderen sind da die Townships, die sogenannten Cape Flats, wo fast jeder Bewohner irgendwann die etwas weniger prächtige Aussicht in einen Pistolenlauf genießt. Dazwischen pendelt Smiths Personal.

    Bei Smith ist jeder hinter jedem her: Billy Afrika hinter dem Geld, das ihm nach zwei Jahren Söldnerdienst in Irak zusteht. Die Polizei hinter dem Mörder des Mannes, der Billy eben dieses Geld schuldet. Disco braucht Drogen, Piper will Disco zurück bei sich im Gefängnis haben, und das Ex-Model Roxy sehnt sich nach einer neuen Existenz. Ach, und Manson, der Boss der 26er in den Cape Flats möchte einen Krieg mit der Gang der 28er eigentlich vermeiden, doch dafür scheint es zu spät zu sein. Was wiederum mit dem Auftauchen Billy Afrikas zu tun hat.

    In der Welt von Roger Smith ist "gut" keine Kategorie. Es gibt nur "mehr oder weniger böse". Heute ist zwar jeder anständige Thriller-Akteur ein gebrochener Charakter und Grau die Farbe der Moral. Doch auf Smiths Bühne läuft nichts nach dem üblichen Schema ab. Die für die meisten von uns exotische Kulisse Kapstadts trägt natürlich das ihre zum Reiz dieses Romans bei. Aber die Geschichten der Figuren und die Art, wie Roger Smith diese miteinander verflicht, sind nicht minder wirkungsvoll. Dass sich der Autor nie in die Niederungen des billigen Horror verliert, liegt daran, dass er die Gewalt als Selbstverständlichkeit beschreibt. Sie bildet einen Teil der Gesellschaft, mit dem nie in Berührung zu kommen, nicht allen vergönnt ist. Übrigens ist Roger Smith der Muhammad Ali des Showdowns. Dies nur als Warnung an jene, die meinen, sie hätten auf Seite 280 das Schlimmste bereits hinter sich.

    Roger Smith: Blutiges Erwachen. Thriller. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg. Tropen Verlag, Stuttgart 2010. 355 Seiten. 31.90 Franken/19.90 Euro
    Roger Smith: "Blutiges Erwachen". Tropen Verlag bei Klett-Cotta Verlag