Archiv


Nichts Neues aus der Anstalt

Bei der Sitzung des ZDF-Verwaltungsrats stand der Fall Brender gar nicht auf der Tagesordnung, denn eine Einigung bei der Besetzung des Posten des Chefredakteurs ist nicht in Sicht. ZDF-Intendant Markus Schächter setzt offenbar auf Zeit, während andere schon mit einer Verfassungsklage drohen.

Von Bernd Gäbler |
    Große Karossen, schwere Themen, keine Entscheidungen
    Nichts Neues aus der Anstalt: auf dem Mainzer Lerchenberg war es heute wie so oft: Limousinen fuhren vor, Akten wurden gewälzt und gewichtige Themen sicher auch. Es tagte der ZDF-Verwaltungsrat. Zwar wurden einige Festmeter Papier durchpflügt, aber gar nicht erst behandelt wurde das Wichtigste: die Ernennung eines Chefredakteurs durch den Intendanten.

    Schächter steht zu Brender
    Am Intendanten Markus Schächter, der sich bald in den USA den weltweit großartigsten Preis, den Emmy Directorate Award, für das weltweit großartigste TV-Management an die stolze Brust heften lassen darf, liegt es nicht. Der hat gesagt, wen er haben will: der amtierende Chefredakteur Nikolaus Brender soll weitermachen. Dazu aber braucht der Intendant, so will es das Gesetz, das "Einvernehmen" des Verwaltungsrats. Das hat er nicht und das bekommt er nicht. Und solange Markus Schächter nicht einlenkt, einen Kompromiss findet oder sich gar beugt, wird er unversehens zum heroischen Kämpfer für die Unabhängigkeit seines Senders. Obwohl er realistischerweise nur eins will: Zeit gewinnen und die Bundestagswahlen abwarten.

    In Mainz ist die Welt noch in Ordnung
    Denn im ZDF wird so entschieden wie immer entschieden wurde: hübsch sortiert nach Farbenlehre und "Freundeskreisen", schwarz und rot, Union und SPD, rechts und links. Während in aller Welt die politische Orientierung aus den Fugen gerät, kein Mensch mehr weiß, ob der Papst als Globalisierungskritiker womöglich links ist oder die DDR immer schon rechts war, es konservative Feministinnen gibt und pazifistische Nationalisten, ist wenigstens in Mainz die Welt noch in Ordnung.

    Wenn Intendant und Programmdirektor "schwarz" sind und der Leiter des Hauptstadtbüros "rot", darf der Chefredakteur das nicht auch noch sein. Da sind Großkoalitionäre kleinlich. Ob aber ein unionsnaher Programmdirektor nun tatsächlich ein Quiz mehr einführt oder ein SPD-naher Spielfilmverantwortlicher für bessere Drehbücher sorgt, darf getrost bezweifelt werden.

    Die öffentlich-rechtliche Kulturidee
    "Staatsfern" - so sagt es alle Rechtssprechung – haben öffentlich-rechtliche Sender zu sein. Neun der 14 heute Tagenden sind Ministerpräsidenten, Minister oder Staatssekretäre – amtierend oder a.D.. Eine Rückbindung der Sender an die Gesellschaft soll ja sein. Sie ist auch sicher nicht ohne Politik zu haben, aber das ist eine ganz andere kulturelle Idee von gesellschaftlicher Kommunikation als eine plumpe staatliche Lenkung. Ein kleines Fachgremium könnte sie gut erfüllen.

    Ohnehin ist das größte Wunder, dass am Ende tatsächlich immer noch ein Programm entsteht, dass gearbeitet wird statt nur gesessen, dass produziert wird und nicht nur geredet. Der Wettbewerb zwingt dazu. Und so wird auch der Tag kommen, an dem über die ach so wichtigen und doch so kleinlichen Polit-Sitzungen nur noch homerisch gelacht wird. Das wäre dann tatsächlich mal etwas Neues aus der Anstalt.