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Nichts zu tun mit dem Aufbau Ost

Den Solidaritätszuschlag zahlen alle Deutschen. Er fließt in den Bundeshaushalt - ohne Zweckbindung. Die FDP will ihn abschaffen. Sollte sie nach der Bundestagswahl in der Regierung bleiben, wäre dieses Vorhaben relativ leicht zu verwirklichen - vorausgesetzt der Koalitionspartner stimmt zu.

Von Verena Herb | 22.08.2013
    "Soli abschaffen – wer wird's machen? Wir werden's machen."

    Kündigt Rainer Brüderle, Spitzenkandidat der Liberalen, vollmundig polternd an. Seit über 20 Jahren zahlen die Deutschen den Solidaritätszuschlag. Damit soll jetzt Schluss sein, findet die FDP. Die Liberalen sind damit die einzige Partei, die die Ergänzungsabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer einstampfen will.

    Die anderen Parteien – Union wie Opposition - wollen indes ungern auf die 13 Milliarden Euro verzichten, die der Solidaritätszuschlag jährlich in die Kassen des Bundeshaushalts spült.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte jüngst den Solidaritätszuschlag als unverzichtbar: Sie sehe großen Investitionsbedarf. Besonders, wenn sie auf Straße und Schiene blicke. Und zwar in ganz Deutschland. Deshalb will sie den Soli auch dann noch beibehalten, wenn der Solidarpakt zur Förderung Ostdeutschlands ausläuft. Ausnahmsweise ist sie sich da mit ihrem Herausforderer, SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück einig. Im Hinblick auf Post-2019 meint der Sozialdemokrat:

    "Wir brauchen eine Anschlusslösung, die allerdings unabhängig sein muss von Himmelsrichtungen. Wenn sie mit dem Oberbürgermeister von Gelsenkirchen reden oder von Wanne-Eickel, dann kriegen sie ein klares Gefühl dafür, dass diese Kommunen bedürftig sind."

    Die Geschichte des Solidaritätszuschlags ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Erstmals zum 1. Juli 1991 wurde die Abgabe eingeführt. Der Grund: Die westdeutschen Wohlstandsbürger sollten mit ihrem 7,5-Prozent-Aufschlag auf ihr Einkommen den neuen Nachbarn im Osten wirtschaftlich auf die Beine helfen. Für einen überschaubaren Zeitraum, wie der damalige Kanzler Helmut Kohl klar machte:

    "Die Befristung ist klar erkennbar auf zwölf Monate. Und es muss sich hierbei um eine einmalige Zusatzbelastung handeln."

    Tatsächlich: Nach zwölf Monaten ist Schluss, 1993 und 1994 wird eine Abgabenpause eingelegt - bevor 1995 Ossis wie Wessis erneut Soli zahlen dürfen. Seit 1998 jedoch "nur" noch 5,5 Prozent. Und das bis heute. Was Deutschlands Politiker gerne verschweigen: Solidaritätszuschlag und der Aufbau Ost haben nichts miteinander zu tun.
    "Als der Solidaritätszuschlag 1995 wieder eingeführt wurde, hat man den Menschen erklärt, das sei für die Solidarität. Für den Osten. Für den Aufbau dort. Dementsprechend haben auch viele bis heute geglaubt, dass die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in die neuen Bundesländer fließen, damit dort Aufbauarbeit geleistet werden kann. Tatsächlich ist es aber so, dass die Einnahmen in den Bundeshaushalt fließen. Dort werden sie – wie alle anderen – vereinnahmt, sie versickern dort, wenn man so will. Oder sie werden für ganz andere Ausgaben genutzt."

    Stellt Rainer Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahler richtig. Fakt ist: Es gibt den Solidarpakt II. Eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den neuen Bundesländern von 2005, die regelt, wie viele zusätzliche Mittel in diese Länder fließen. Bis 2019 nämlich 156 Milliarden Euro. Dann läuft der Solidarpakt II aus.

    Der Solidaritätszuschlag hat damit aber nichts zu tun: Er ist auch zeitlich nicht befristet. Im gleichen Zeitraum - 2005 bis 2019 - nimmt der Bund über den Zuschlag 207 Milliarden Euro ein. Das Geld fließt in den Gesamthaushalt – ohne Zweckbindung. Ralph Brügelmann, Steuerexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, ist nicht überrascht, dass die Parteien sich – übrigens alle Jahre wieder, besonders in Wahlkampfzeiten – über Abschaffung oder Beibehaltung des Soli streiten:

    "Speziell der Solidaritätszuschlag ist vor allem deshalb so häufig in der Diskussion, weil der Bund alleine darüber entscheiden kann. Es ist keine Gemeinschaftssteuer. Die Einnahmen fließen ausschließlich an den Bund und damit kann er entscheiden, wird er abgeschafft oder nicht. Ohne Zustimmung des Bundesrates."

    Die Bürger haben sich an den Solidaritätszuschlag gewöhnt. Dies rechtfertigt jedoch nicht, dass die Politik weiterhin suggeriert, er werde für den Aufbau Ost verwendet. Ehrlicher wäre es, die Sondersteuer Soli umzubenennen in beispielsweise den "Bundeseinkommensteuerzuschlag". Oder eben ganz darauf zu verzichten. Aufgrund der sprudelnden Steuereinnahmen des Bundes wäre das nur konsequent.