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Nick Knattertons Vater

Im Gepäck amerikanischer Soldaten traten nach dem Zweiten Weltkrieg die Comics ihren endgültigen Siegeszug in Westdeutschland an. Doch nicht "Superman", sondern der skurrile Meisterdetektiv "Nick Knatterton" war in den 50ern die beliebteste Zeichenfigur. Sein Erfinder Manfred Schmidt wurde vor 100 Jahren in Bad Harzburg geboren.

Von Jochen Stöckmann | 15.04.2013
    Wir alle wissen, dass der überzeugte Pazifist Nick Knatterton seinen Revolver nur im äußersten Notfall benutzt. Wie man deutlich hört - oder eben nicht hört - ist seine Pistole voll schallgedämpft und deshalb umweltfreundlich.

    Mit seltsam futuristischen Waffen jagte der Privatdetektiv Nick Knatterton in Comics und später auch in Trickfilmen Gangster und Ganoven. Andererseits hatte Manfred Schmidt seine Figur mit kariertem Knickerbocker-Anzug, altertümlicher Tabakspfeife und dem zum geflügelten Wort gewordenen Spruch "kombiniere ..." ausgestattet. So entstand eine absurde Kreuzung aus Superman und Sherlock Holmes. Ursprünglich war Knatterton als Parodie gedacht, skizziert als spontane Reaktion des Pressezeichners Schmidt auf jene Comics, die ihm ein befreundeter Verleger kurz nach Ende des Krieges als Exportartikel der Siegermacht USA angepriesen hatte:

    "Es war so schauerlich - und deshalb sagte ich zu diesem Herrn 'Soweit werden wir hier in Deutschland nicht runterkommen!' Dann guckte ich mir die Sache aber durch und sagte dann: 'Das müsste man so parodieren, dass den Leuten die Lust an dieser dümmsten literarischen Form, die es gibt, vergeht.'"

    Manfred Schmidt, geboren am 15. April 1913 in Bad Harzburg, hatte sich 1945 nach dem Ende der Nazidiktatur zurück im Land der Dichter und Denker gewähnt: Mit großem Engagement arbeitete er für Erich Kästners pazifistische Zeitschrift "Pinguin", die aber schon bald wieder eingestellt wurde. Der ungeliebte Knatterton dagegen, Ende 1950 dann zu Papier gebracht und eher nebenbei in der Illustrierten "Quick" abgedruckt, entwickelte ein über Jahrzehnte erfolgreiches Eigenleben:

    "Die Leute waren schon so verblödet, dass schon in den ersten sechs Wochen die Auflage der 'Quick' wegen Knatterton, wie nachher nachgewiesen wurde, um ein Drittel stieg, sodass sie bald schon auf einer Million war. Und da musste ich weitermachen."

    Als Galionsfigur der "Quick" schickte Schmidt seinen Knatterton als Spürnase durch Kaschemmen und Klubs des Wirtschaftswunderlandes, erfand Woche für Woche spaßhaft überzeichnete Kriminalfälle. Das Rezept war einfach - und ebenfalls verwendbar für andere humoristische Bildergeschichten:

    "Der Redakteur sagte mir: Wenn du Busen und Popo zeichnen kannst, dann ist schon alles gerettet. Und dann irgendeine Klamotte, eine politische oder irgendwas, eine Anspielung auf die Tagesereignisse. Das kam ja automatisch: Man saß da und versuchte, das möglichst unterhaltsam zu machen, also auch für Erwachsene."

    "Bonner Pflaume" pflegte Schmidt diesen Schuss Politspaß zu nennen: nicht allzu hochprozentig, eher süffisant denn satirisch-kritisch und nicht so eigenwillig wie der charakteristische Nonsens seines Kollegen und guten Freundes Loriot. Der war ihm als schneidiger Wehrmachtsleutnant von Bülow über den Weg gelaufen, 1942, bei den Panzergrenadieren in Eberswalde, wo Manfred Schmidts erste Erfolgssträhne als Presseillustrator im Propagandaministerium, aber auch für große Verlage ihr vorläufiges Ende gefunden hatte:

    "Ich machte irrsinnig schnell Karriere und hatte ein Auto und so weiter. Und dann kam ein sogenannter Kollege und hat mich angezeigt, dass ich im Café bei Kranzler dieses und jenes gesagt hätte."

    So geriet Schmidt unter die Soldaten, die er an der Ostfront mit seinen gezeichneten Witzen bei Laune halten sollte, etwa in der Zeitschrift "Panzer voran". Folgt man seiner eigenen späteren Einschätzung, dürfte der Beitrag zur Durchhaltepropaganda nicht sehr groß gewesen sein: Der Zeichner selbst hielt sich für Mittelmaß, stufte sich als "Konfektionär" ein. Eben diese solide Machart bescherte ihm auch nach Knattertons Ende 1964 weitere Erfolge, etwa mit seinen "Wimmelbildern", Straßen-und Strandszenen, die Schmidt bis an den Rand vollzeichnete mit treffend beobachteten Typen, aber auch so manchem Stereotyp. Davon sind auch seine so benannten "Verschmidtsten Reportagen" nicht frei, illustrierte Reiseberichte, mit denen der am 28. Juli 1999 am Starnberger See verstorbene Cartoonist seine humorige Sicht auf die Welt weitergeben wollte:

    "Die Welt ist ja von einer derartigen Grausigkeit. Und die Humoristen sind ja komischerweise auch die, die überall die Dekoration wegbrennen, dahinter gucken und mehr sehen wollen und dadurch Sachen sehen, die man doch am besten doch lieber vergisst, nicht wahr."