Donnerstag, 09. Mai 2024

Archiv


Nie mehr Kind sein dürfen

"Der Tod der Eltern kann das Selbstverständnis erschüttern, die Person verändern. Es ist nicht nur möglich, dass Söhne und Töchter ratlos und bedrückt erkennen, wie sehr sie noch an die Eltern gebunden waren, wie heftig ihre Trauergefühle sind. Es kann auch so sein, dass der Tod der Eltern in der Vorstellung nur Schrecken und Entsetzen auslöste, in Wirklichkeit aber zu größerer Unabhängigkeit und neuem Lebensmut führt", beschreibt Barbara Dobrick die Erfahrungen erwachsener Kinder, wenn die alten Eltern sterben.

Von Judith Grümmer und Michael Roehl | 23.03.2007
    Erwachsene Kinder erleben diesen unwiderruflichen Abschied von den Eltern oft als wichtige, aber vor allem auch als dramatische Lebenserfahrung - selbst dann, wenn die Eltern sehr alt und lebenssatt gestorben sind.
    Die wenigsten erwachsenen Kinder sind auf diesen Abschied wirklich vorbereitet, vielleicht weil der Tod plötzlich und unerwartet kam, vielleicht weil in der Familie nie über das Sterben und über den Tod gesprochen wurde.
    Nicht die Volljährigkeit, das erste selbstverdiente Geld oder die eigenen Kinder, sondern erst der Tod der eigenen Eltern bedeutet das endgültige Ende der Kindheit. Mit dem Tod der Eltern rücken die Kinder in der Generationenkette in die erste Reihe. Und damit wird die eigene Endlichkeit konkreter und greifbarer.
    "Als mein Vater starb, war die Kindheit für mich als Elfjährige vorbei. Und als ich selbst Mutter wurde, habe ich meinen Vater mehr vermisst denn je." Für Dorothee Held ist der frühe Tod des Vaters auch nach mehr als dreißig Jahren immer noch ein schmerzliches Thema.
    Kleine Kinder haben keine Schatzkiste angefüllt mit Erinnerungen an die zu früh verstorbenen Eltern. Sie können sich später nicht einmal an die Stimme des Vaters oder an den Duft der Mutter erinnern. Wenn junge Eltern sterben, dann ist die Kindheit für ihre Nachkommen schon vorbei, bevor sie richtig begonnen hat - vor allem, wenn die Kinder keine Gelegenheit zum Abschiednehmen und zum Trauern bekommen. Annette Dobroschke-Bornemann bietet deshalb schon für kleine Kinder Trauergruppen an, in denen sie Raum und Zeit bekommen, ihre Trauer mit Hilfe kreativer Methoden zu verarbeiten.
    "Trauern heißt, extreme Gefühle zuzulassen. Trauern heißt auszuhalten, dass man sich nicht mehr zu jeder Zeit unter Kontrolle hat. Trauern heißt, sich selbst in einer Tiefe zu begegenen, von deren Existenz man vorher vielleicht überhaupt nichts wusste", schreibt der Bestatter Fritz Roth und bietet Trauerseminare für Angehörige an, damit sie aus ihrer Trauer neue Kraft und neue Lebensfreude schöpfen können.

    Wie junge und erwachsene Kindern den endgültigen Abschied von ihren Eltern erleben und sie gestärkt aus der Trauerzeit heraus kommen und lebensfroh weiterleben können - darüber sprechen wir in unserer Sendereihe "Lebenszeit" mit Hörern und Gästen.
    Uns interessieren Ihre Erfahrungen. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie per Fax oder E-Mail - und wenn wir Sie zurückrufen dürfen, dann vergessen Sie bitte nicht Ihre Telefonnummer.

    Unsere Gäste:
    Barbara Dobrick
    Autorin
    "Wenn die alten Eltern sterben"
    Das endgültige Ende der Kindheit
    Kreuz Verlag 2006 (Neuauflage)
    Annette Dobroschke-Bornemann
    Leiterin der Beratungsstelle für Trauernde
    TABEA e.V.
    www.TABEA-eV.de
    Fritz Roth
    Bestatter und Trauerbegleiter
    Dorothee Held
    Angehörige, die mit 11 Jahren ihren Vater verloren hat
    Rufen Sie uns kostenfrei an zwischen 10:10 und 11:30 Uhr:
    Tel: 00 800 4464 4464
    Fax: 00 800 4464 4465
    oder schreiben Sie uns:
    E-Mail: dlf.Lebenszeit@dradio.de