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Nie mehr stehen

Informationstechnologie. - Wer mit Koffer, Kind und Kegel per Bahn in den Urlaub fährt, möchte nicht von Köln bis Rimini im Gang stehen: Eine Sitzplatzreservierung ist also ein Muss, aber auch kein Problem. Denn die Reise wird ja meist lange im Voraus geplant und gebucht. Spontan- oder Geschäftsreisende stehen genauso ungern. Nur wissen sie häufig morgens noch nicht, mit welchem Zug sie abends nach einem Termin schließlich zurück fahren werden. Seit dem ersten August ist nun auch für diese Bahnkunden Besserung in Sicht, vorausgesetzt, sie haben ein Mobiltelefon in der Tasche.

Von Michael Gessat |
    Der erste August war der Starttermin für den neuen Service: Die Sitzplatzreservierung per Handy. Besondere technische Voraussetzungen gibt es nicht. Denn praktisch alle einigermaßen aktuellen Modelle sind "WAP-fähig". Außer telefonieren kann man mit ihnen auch auf das Internet zugreifen. Genauer gesagt: Auf speziell für Mobilgeräte gestaltete Seiten, die sich schnell aufbauen und auf die kleinen Displays passen. Der Zugang über WAP, das Kürzel steht für "Wireless Application Protocol", muss unter Umständen im Gerät einmalig konfiguriert werden. Am einfachsten übrigens, indem man sich von seinem Mobilfunkprovider eine spezielle SMS schicken lässt, die das Ganze automatisch erledigt.

    Wie alle WAP-Seiten ist das Bahnportal mobile.bahn.de auf die einfache Navigation mit der Tastatur des Mobilgerätes hin eingerichtet. Der Weg zum Sitzplatz führt, so Bahn-Pressesprecher Achim Stauß, über den Menüpunkt "Auskunft":

    Man gibt dann die Daten seines Zuges, mit dem man fahren will, ein, also Datum und Fahrtstrecke, und bekommt dann innerhalb von kürzester Zeit eine Rückmeldung, ob noch Plätze frei sind, und wenn es klappt, und das ist ja in den meisten Fällen der Fall, bekommt man dann die Daten, also Platznummer und Zugnummer, auf sein Handy gespielt. Und das ist dann auch der Ausweis, mit dem man im Zug seinen Sitzplatz für sich beanspruchen kann. Das Ganze funktioniert übrigens bis zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges.

    Wie übersichtlich die Seiten dargestellt werden, und wie sehr man auf der Tastatur herumjonglieren muss, das hängt stark vom verwendeten Mobilgerät ab. Bei manchen Handys lässt sich die mobile Platzkarte nicht abspeichern; hier müsste man sich die Daten also aufschreiben und bei eventuellen Diskussionen im Zug erneut online gehen, um die Quittung per "Buchungsrückschau" aufzurufen. Ungefähr vier Minuten muss man für den gesamten Prozess in jedem Fall einkalkulieren; bei einem WAP-Zeittarif würden da etwa 80 Cent an Verbindungsgebühren auflaufen. Die Sitzplatzreservierung selbst kostet drei Euro, das ist nicht mehr und nicht weniger als am Bahnhof oder im Reisebüro. Aber weil ja die Zahlung irgendwie abgerechnet werden muss, geht dem ganzen mobilen Komfort ein wenig stationäre Plackerei voraus. Genauer gesagt: Die Anmeldung als Online-Ticket-Kunde auf der Internet-Homepage der Deutschen Bahn.

    Als Lohn der Mühe wird der PC nebenbei zum Fahrkartenschalter: Das Schlangestehen hat ein Ende, Tickets und Reservierungen lassen sich fortan auf dem eigenen Drucker ausgeben. Ein paar Haken hat die Sache noch: Eine Kreditkarte oder eine Bahncard ist zwingend erforderlich. Das Gedächtnis wird mit einem weiteren Benutzernamen und dazugehörigen Passwort für den Internetzugang belastet. Und für den mobilen Zugriff kommt noch eine Extra-Geheimnummer hinzu. Im Onlineticketbereich lassen sich persönliche Präferenzen abspeichern: Ermässigungen, Fahrt in 1. oder 2.Klasse, Raucher oder Nichtraucherbereich, oder auch bevorzugter Start- oder Zielbahnhof.
    Diese Voreinstellungen erscheinen dann zeitsparend auch bei der Handy-Reservierung.
    Ein rechtzeitiger Blick per Mobilgerät auf das WAP-Informationsportal vor der Reise ist in jedem Fall nützlich. Hier lassen sich nämlich Abfahrts- und Ankunftszeiten für jeden gewünschten Bahnhof in Deutschland einsehen - und zwar mit den jeweils aktuellen Verspätungsmeldungen. Das System greift dabei auf die gleichen Daten aus dem Bahn-Zentralcomputer zu wie die Anzeigetafel vor Ort. In die natürlich ebenfalls mobil abrufbare Bahn-Reiseauskunft sind übrigens schon seit längerer Zeit die Fahrpläne des öffentlichen Nahverkehrs eingearbeitet. Und bei der Nutzung des Handys haben die Betreiber von Bus und Strassenbahn in einigen Städten bereits die Nase vorn:

    Es gibt in den Verkehrsverbünden ja schon einige Projekte, wo man versucht, Fahrscheine für den Nahverkehr auf das Handy des Nutzers zu spielen, und der kann dann damit fahren. Allerdings sind die Dinge im Fernverkehr der Bahn schon etwas komplexer gestaltet. Ein ganz wichtiger Punkt, unsere Fahrkarten haben nicht nur einen viel höheren Wert als im Nahverkehr, sondern sind auch mit bestimmten Qualitäten ausgestattet. So einen hochwertigen Fahrschein können Sie vor der Reise umtauschen, Sie können ihn zurückgeben, Sie können umbuchen, das ist alles bei den Fahrscheinen, die momentan schon aufs Handy gespielt werden, nicht möglich.