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Nie wieder Rindfleisch?

Nie wieder Rindfleisch - und wenn, dann aus ökologischer Landwirtschaft: Das hatten sich viele Verbraucher vorgenommen, als das Thema Rinderkrankheit BSE noch in aller Munde war. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Absatz von Rindfleisch hat sich erholt. Doch nach einem Öko-Rinderzüchter oder -Metzger sucht der Kunde vielerorts vergebens.

Von Wulf Peter Gallasch |
    Ein Bio-Markt in der Innenstadt Hannovers. Produkte der Region, direkt vom Erzeuger. Hendrik Stolze bietet Gemüse, Obst und Fleisch an. Der Bio-Bauer hat hier einen Namen, treue Kunden und viele Vorbestellungen für sein Fleisch. Er könnte weitaus mehr verkaufen, sagt er. Aber in seinem Betrieb mit Geflügel, Schweinen und 35 Rindern, ist die Leistungsgrenze erreicht:

    "Der Verbraucher verlangt im Grunde alles zu jeder Jahreszeit. Nur, dass das nicht alles so zur Verfügung steht, Beispiel Rind : Ein Rind hat nun mal nur zwei Filets und zwei Roastbeefs, die sind bei uns mitunter ein halbes Jahr vorher bestellt, weil eben nur eine begrenzte Anzahl da ist. Für die gesamte Marktentwicklung ist es eigentlich schädlich. Dadurch geht auch Markt kaputt, weil er nicht beliefert wird. "

    Die Marktperspektive der Bundesregierung lautet: 20 Prozent ökologischer Landbau in Deutschland. Zurzeit sind es laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung rund drei Prozent. Das Wachstum von Bio-Angebot und Nachfrage fördern will das Bundesprogramm Ökologischer Landbau. Unter anderem mit Hilfe von Studien wie der des Instituts für Betriebswirtschaft der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft FAL in Braunschweig. Dort hat Claus Deblitz im Team mit ausländischen Wissenschaftlern die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Öko-Rindfleischproduktion untersucht:

    "Wenn wir 20 Prozent Markanteil erreichen wollen, dann können wir nicht mehr im Ökobereich in den bisherigen Vermarktungsschienen weiter machen. Weil wir wissen, dass die meisten Leute im Supermarkt kaufen. Aber die Gesetzmäßigkeiten, die dann gelten, die gelten für Bio genauso wie für Konventionell. Und wenn ich in diese Vermarktungsschienen rein will, dann muss ich Qualitäten und Mengen liefern, so wie der Handel das haben will. "

    Hohe Qualität bekommt der Handel etwa aus Lateinamerika. Und wenn deutsche Discounter konventionelles argentinisches Hüftsteak zu einem Kilopreis von unter zehn Euro anbieten können, dann sieht Claus Deblitz weit mehr als nur einen kurzzeitigen Aktionspreis. Er glaubt, dass argentinische Produzenten auch Biofleisch zu äußert günstigen Bedingungen anbieten könnten. Eine ernst zu nehmende Konkurrenz:

    "Für Qualitätsfleisch allgemein, aber auch für Ökorindfleisch. Weil, der Preis ist exorbitant niedrig. Und das Fleisch ist schon fast Öko. Das heißt, im Wesentlichen würden in Argentinien die Zertifizierungskosten entstehen. Und wir haben ja argentinische konventionelle mit Öko-Betrieben verglichen und haben festgestellt, die Produktionskosten sind dort nicht höher für die Ökos. Und das heißt, da ist grundsätzlich ein Potenzial vorhanden. Und in dem Moment, wo große Handelsketten dieses Produkt entdecken und das hier einigermaßen läuft, gehe ich davon aus, dass das auch zunimmt. "

    Massenimporte argentinischen Biofleisches hält Deblitz zwar für unwahrscheinlich. Aber das Land wird die zunehmende Liberalisierung der Agrarmärkte nutzen, wo es kann. Und deutsche Verbraucher sind verglichen mit Frankreich, England, Österreich oder der Schweiz zu preisfixiert und haben wenig Qualitätsbewusstsein. Ein großes Problem für die Öko-Fleisch Produzenten, die erst im Premiumbereich gute Gewinne erzielen:

    "Und wir haben auch hier im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, Österreich und der Schweiz eine geringere Regionalpräferenz. "

    Kunden, die Fleisch der Region vorziehen, so ergibt die Studie der FAL, zahlen sogar etwas mehr und haben weniger Interesse an Importen. Das Interesse am Produkt wächst zudem durch gezielte Vermarktung. Aber da zögert der deutsche Einzelhandel:

    "Also die Gegenbeispiele gibt es in der Schweiz und in Österreich, wo Personen saßen, in den großen Handelsketten, die gesagt haben, wir wollen das und die das auch seit Jahren gepusht haben und die deswegen jetzt wesentlich höhere Marktanteile haben für Bio allgemein, aber auch für Bio-Rindfleisch. "

    Zwar wächst die Zahl der Bio-Supermärkte in Deutschland und mit ihr die Umsätze der Branche. Am anderen Ende der so genannten Wertschöpfungskette, beim Bio-Bauern, erwartet die Studie aber eher Einkommensrückgänge. Denn Grund für die hohen Erlöse deutscher Betriebe sind vor allem Direktzahlungen. Die aber sinken im Zuge der EU-Agrarreform. In der Folge erwarten die Wissenschaftler daher Strukturwandel auf Erzeugerseite. Weniger, dafür aber größere Bio-Höfe. Deshalb empfiehlt die FAL nach ihrer Analyse des Marktes für Öko-Rindfleischproduktion mehr Zusammenarbeit der Marktpartner, mehr Know-how konventioneller Einzelhändler und mehr als die bisher üblichen Absatzkanäle. Die Mittel der Politik stuft sie als zunehmend begrenzt ein:

    "Was die Politik hier wirklich nur machen kann, ist Anstöße geben und vielleicht vermitteln zwischen Marktpartnern. Aber das sind Dinge, die sich auch im Rahmen eines knappen Budgets verwirklichen lassen. Und alles andere halte ich schlichtweg für unrealistisch. "