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Niebel fordert neue Arbeitsmarktpolitik

Der designierte FDP-Generalsekretär Niebel hat die Arbeitsmarktpolitik als das wichtigste innenpolitische Thema seiner Partei bezeichnet. Die Massenarbeitslosigkeit könne nur durch grundlegende Reformen reduziert werden, sagte Niebel. Ein vernünftiges Steuerrecht für Arbeitnehmer und Unternehmer sei nötig. Außerdem müsse Deutschland wieder zu einem Innovationsland werden, um nicht noch mehr Stellen an das Ausland zu verlieren, meinte Niebel. Aber auch seine Partei habe keine Patentrezepte.

Moderation: Jochen Spengler |
    Dirk Spengler: Der Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel soll neuer Generalsekretär der FDP werden. Gestern hat der Parteivorsitzende Guido Westerwelle offiziell den 42-jährigen Heidelberger Bundestagsabgeordneten als Nachfolger der Generalsekretärin Cornelia Pieper vorgeschlagen. Dirk Niebel soll Anfang Mai auf dem Bundesparteitag der FDP in Köln gewählt werden und er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen Herr Niebel.

    Jochen Niebel: Guten Morgen Herr Spengler.


    Spengler: Herr Niebel, man hat ja manchmal den Eindruck, je kleiner die Partei, desto größer die Intrigen: Westerwelle gegen Gerhardt, Brüderle gegen Westerwelle, alle gegen Pieper. Sind Sie eigentlich sicher, dass Sie zum Generalsekretär gewählt werden?

    Niebel: Sicher ist im Leben gar nichts, aber wir haben auch keine Intrigen, so wie Sie es dargestellt haben. Da wird sehr viel in die verschiedenen Funktionen hineingeheimst und wenn Sie zum Beispiel das Papier von Herrn Gerhardt zum Anlass nehmen, das ist eine Auftragsarbeit der Fraktion gewesen für unsere Klausurtagung am kommenden Wochenende. Da wird sehr viel Brimborium drum rumgemacht, das da gar nichts zu tun hat.

    Spengler: Aber es ist doch merkwürdig, dass man einerseits der Frau Pieper den Auftrag gibt, sie möge an einem Parteiprogramm werkeln, was immer noch nicht zum Abschluss gekommen ist, und dann der Fraktionschef mit einem eigenen Wahlprogramm auf den Markt kommt?

    Niebel: Nein, das sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze. Es ist auch kein Wahlprogramm, sondern es ist ein Regierungsprogramm, das deutlich machen soll, dass wir inhaltlich und personell in der Lage sind, jederzeit die rot-grüne Regierung abzulösen. Das ist tagespolitisch orientiert!

    Spengler: Also die Irritationen, die da entstanden sind, die liegen an der Öffentlichkeit und nicht an der Partei?

    Niebel: Richtig, denn der Teil, den Frau Pieper zu leisten hat mit der Programmkommission, ist die Fortschreibung des längerfristigen Programms der Freien Demokraten und hat mit den aktuellen Tagesgeschehnissen insofern nichts zu tun. Das heißt es sind zwei unterschiedliche Paar Stiefel und beides sind keine Wahlprogramme, denn dazu kommen wir erst noch. Wir haben im Mai einen Parteitag, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden, und aus den Ergebnissen heraus wird dann erst ein Wahlprogrammvorschlag entwickelt, der wiederum von einem Parteitag zu beschließen ist.

    Spengler: Aber ein bisschen schlecht verkauft haben Sie es?

    Niebel: Ach Gott, es gibt vielleicht ein paar Abzüge in der B-Note, aber da muss man mit leben. Das Thema ist jetzt vorbei.

    Spengler: Nun scheint es ja Kontinuität zu geben. Guido Westerwelle hat Frau Pieper am Wochenende mit den Worten gewürdigt, sie habe eine fröhliche und lebensbejahende Arbeit geleistet, und gestern stellte Westerwelle Sie ganz ähnlich vor. Mit Ihnen käme – ich zitiere – ein lebensbejahendes, fröhliches und optimistisches Wesen in ein Spitzenamt. Ist Fröhlichkeit eine Voraussetzung für das Amt?

    Niebel: Fröhlichkeit ist keine zwingende Voraussetzung, aber ich denke bei allen Problemen, die das Leben manchmal so mit sich bringt, ist es gar nicht schlecht, wenn man auch die positiven Seiten sieht. Ich bin ein lebensbejahender Mensch. Ich liebe meine Frau, meine Kinder, meinen Hund. Aber ich kann Ihnen versichern: ich werde nicht den Gute-Laune-Bär geben. Der politische Gegner kann sich schon darauf einstellen: wenn ich eine Möglichkeit habe, ihn zu stellen, werde ich das tun.

    Spengler: Das klingt ein bisschen so, als käme da die Spaßpartei zurück?

    Niebel: Ich habe Spaß an Politik, weil ich das große Privileg hatte, mein Hobby zum Beruf machen zu dürfen. Das haben sonst nur Fußballprofis. Ich empfinde das als Privileg und würde mir wünschen, dass in dieser anderen Fraktion diejenigen, die Politik hauptberuflich machen dürfen, das auch nicht immer vergessen wird.

    Spengler: Aber das Guido-Mobil werden wir nicht wieder erleben?

    Niebel: Wir werden die Konzeption für den Wahlkampf 2006 natürlich nicht machen, solange die Führungsspitze noch nicht gewählt ist und solange noch nicht klar ist, wie das Präsidium und der Bundesvorstand zusammengesetzt sind. Das kommt dann auf den nächsten zu wählenden Bundesvorstand zu. Dazu kann ich Ihnen im Moment noch keine Aussage geben.

    Spengler: Welche Eigenschaften muss denn ein erfolgreicher FDP-Generalsekretär mitbringen?

    Niebel: Er muss loyal sein. Er muss angriffslustig sein. Er muss politisch denken und er muss Spaß an der Arbeit haben, weil sonst die Belastung glaube ich zu groß wird.

    Spengler: Und Sie besitzen all diese Eigenschaften?

    Niebel: Man sagt mir das nach.

    Spengler: Gut. Teilen Sie denn die Kritik an Frau Pieper, sie sei farblos und programmatisch schwach gewesen?

    Niebel: Überhaupt nicht. Frau Pieper hat ihre Aufgabe hervorragend bewältigt, im Gegensatz zu Grünen und PdS die FDP zu einer gesamtdeutschen Partei zu machen. Diese Aufgabe war ihre Hauptaufgabe. Als gesamtdeutsche Partei sind wir in der Lage, genügend Kräfte zu sammeln, damit wir rot-grün ablösen können.

    Spengler: Das klingt so: der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

    Niebel: Nein! Cornelia Pieper wird als stellvertretende Bundesvorsitzende, wenn der Parteitag sie wählt, im allerengsten Führungsteam der Bundesspitze bleiben und natürlich auch im Wahlkampf eine wichtige Aufgabe erfüllen.

    Spengler: Was wollen Sie als Generalsekretär denn besser machen, oder gibt es nichts besser zu machen?

    Niebel: Es gibt immer was besser zu machen. Es gibt aber vor allem vieles anders zu machen, weil ich eine ganz andere Persönlichkeit bin als Frau Pieper. Ich will mich da auch nicht vergleichen. Ich will niemandem nacheifern und werde dem Parteitag, wenn er mich wählen möchte, sagen, was für Vorstellungen ich habe. Hauptsächlich möchte ich natürlich gerne unsere programmatischen Inhalte in der Öffentlichkeit bekannter machen, als das bisher der Fall ist. Mein Schwerpunkt ist die Arbeitsmarktpolitik, eins der wichtigsten innenpolitischen Felder, aber darauf lasse ich mich auch nicht reduzieren. Ich bin auch der festen Überzeugung, wir müssen die Thematik der Bürgerrechte wieder mehr ins Bewusstsein rücken. Hier haben rot-grün, aber auch schwarz in den vergangenen Jahren mächtig dran geknabbert, ohne dass es einem großen Teil der Bevölkerung überhaupt bewusst geworden ist.

    Spengler: Man hat ja in so einer normalen Partei einen Parteivorsitzenden, man hat einen Fraktionsvorsitzenden. Was genau macht eigentlich der Generalsekretär?

    Niebel: Der Generalsekretär ist Cheforganisator, Chefmanager der Partei, und zwar sowohl was das Organisatorische hinsichtlich Wahlkämpfe anbetrifft, als auch was das Programmatische anbetrifft. Ich empfinde mich allerdings auch als jemand, der durchaus sich auch mal vorausbewegen muss und vielleicht Themen ansprechen muss, die noch nicht von vornherein mehrheitsfähig sind. Also ich bin da ganz kämpferisch und zuversichtlich.

    Spengler: Sie sind Arbeitsmarktexperte. Sie waren selbst lange Jahre Arbeitsvermittler im Arbeitsamt Heidelberg. Haben Sie ein Patentrezept, um die Zahl der Arbeitslosen von über fünf Millionen spürbar zu senken? Gibt es überhaupt eins?

    Niebel: Nein, wir haben auch kein Patentrezept, aber vielleicht könnten Patente ein Rezept sein, das heißt ein Mentalitätswandel in der deutschen Gesellschaft, dass wir nicht alles erst mal nur mit Gefahren und Risiken betrachten, was es an neuen Entwicklungen gibt, sondern vielleicht auch Neuerungen als Chance empfinden. Ich nehme hier mal das Beispiel Gentechnikgesetz, wo jetzt die Grünen mit ideologischen Gründen wieder eine Zukunftstechnologie ins Ausland treiben werden, wo auch dann die Arbeitsplätze entstehen, oder der Transrapid, der in Shanghai fährt und in Zukunft nicht mehr in Deutschland gebaut werden wird. All solche Dinge könnten dazu dienen, weil wir ja niemals ein Billiglohnland werden können und wollen, dass wir mit Innovationen neue Arbeitsplatzmöglichkeiten für unsere Bevölkerung schaffen. Aber auch das wie gesagt nur ein Mosaikstein eines Gesamtkonzeptes, das die FDP vorgelegt hat, auch im deutschen Bundestag. Viele Mosaiksteine ergeben dann das Gesamtbild.

    Spengler: Die Arbeitsmarktreformen, die sich mit dem Namen Hartz IV verbinden, gehen die in die richtige Richtung?

    Niebel: Eindeutig! Deswegen hat die FDP Hartz IV, also das vierte Gesetz zur Modernisierung der Dienstleistung am Arbeitsmarkt – so ähnlich heißt es ja in Wirklichkeit -, auch mitgetragen. Was wir nicht mitgetragen haben war dieses so genannte Optionsgesetz, das jetzt ja auch gerade die Umsetzungsschwierigkeiten mit sich bringt. Es reicht aber nicht aus. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir brauchen aber wesentlich mehr Veränderungen, nicht nur was die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung anbetrifft, Stichwort Bundesagentur für Arbeit, sondern wir brauchen eine größere Durchlässigkeit im Arbeitsrecht, mehr Möglichkeiten für neue Einstellungen, betriebliche Bündnisse für Arbeit, ein faires und vernünftiges Steuerrecht sowohl für die Privaten als auch für die Unternehmen, also eine Vielzahl von Dingen, die da zusammenkommen müssen, so dass dieses bisschen Schräubchen hier und Schräubchen da drehen wahrscheinlich nicht zum Ziel führen wird.

    Spengler: Was sagen Sie denn zu dem Bemühen der Arbeitsagenturen, Deutsche auch als Erntehelfer oder in der Gastronomie einzusetzen, was nun der Bauernverbandspräsident Sonnleitner dankend abgelehnt hat?

    Niebel: Ja, das kann ich verstehen. Ich komme aus einem Wahlkreis mit Spargel- und Tabakanbau und ich war mal fünf Jahre Arbeitsvermittler, acht Jahre bei der Bundesagentur beschäftigt. Das gab es schon mal. Das hieß damals Arbeitslosenhilfezuschuss. Die Erfahrung, die damals gemacht wurde, war so, dass die armen Spargelbauern hinterher alleine auf dem Acker standen, weil am ersten Arbeitstag nicht die Arbeitskräfte kamen, sondern der gelbe Schein, dass man arbeitsunfähig ist. Ich denke man muss hier dann auch gucken, dass man nicht potenzielle Erwerbsfähigkeiten von Landwirten und Gastronomen noch dadurch reduziert, dass man sie allein im Regen stehen lässt.

    Spengler: Kämen Sie, käme die FDP gemeinsam mit der Union ans Ruder, würden Sie sich auf eine Zahl festlegen? Wie stark könnte die Zahl der Arbeitslosen sinken?

    Niebel: Nein. Ich werde diesen Fehler nicht machen. Sie erinnern sich: der Bundeskanzler hat gesagt, er wird sich jederzeit am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen und hat auch die 3,5 Millionen als Vorgabe gemacht. Das hat er leider mittlerweile vergessen, die meisten Wählerinnen und Wähler offenkundig auch. Ziel ist es, die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen, und die ist kein Naturphänomen, sondern sie ist das Ergebnis einer falschen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung.

    Spengler: Das war der Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel, der designierte Generalsekretär der FDP. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Niebel.

    Niebel: Gerne Herr Spengler!