Frau: "Hallo! Kann ich Ihnen das geben?" - Mann: "Klar! Beide: Dankeschön!"
Gestern Morgen vor dem niedersächsischen Landtag. Mitglieder der Gesellschaft für bedrohte Völker haben ein Transparent ausgerollt und verteilen Flugblätter an vorbeieilende Abgeordnete. "Flüchtlingskinder retten" steht auf beidem und: "Kein Bleiberecht für Schünemann". Ein Appell an den niedersächsischen Ministerpräsidenten, seinen Innenminister zu entlassen, sagt der Generalsekretär der Gesellschaft, Tilmann Zülch - ein Mann in den 70ern – rückt seine schwarze Wollmütze zurecht und guckt böse in Richtung Landtag:
"Herr Schünemann ist so der härteste Innenminister, der eine rein an Paragrafen orientierte Politik macht und gnadenlos gegenüber diesen Flüchtlingsfamilien vorgeht. Mit dem Kopf durch die Wand und wir sagen, dass Herr Schünemann eigentlich eher für eine NPD-Politik stehen würde, als für die Politik der Christdemokratischen Partei."
Zülch, selbst als Kind aus dem Sudetenland geflüchtet, räumt ein, dass seine Beurteilung vielleicht ein wenig scharf ausgefallen ist. Doch mit seiner Kritik an Uwe Schünemann steht der Menschenrechtsaktivist nicht allein. Nach Einschätzung von Amnesty International gilt in Niedersachsen eine besonders rigide Flüchtlings- und Abschiebepolitik. Der niedersächsische Flüchtlingsrat spricht sogar von einer "unmenschlichen und unbarmherzigen" Linie des Innenministers. Seit seinem Amtsantritt 2003 muss Uwe Schünemann immer wieder Rügen einstecken, doch bislang ließ ihn das kalt. Seit ein paar Wochen hat der harte Panzer allerdings ein paar Risse bekommen, denn der Christdemokrat steht wegen gleich mehrerer umstrittener Entscheidungen unter Druck.
"Um drei Uhr nachts wurden meine Eltern abgeholt, das war ein schlimmes Erlebnis. Man fühlt sich danach so leer – ohne Eltern, ohne Geschwister und es ist einfach unvorstellbar."
Anfang November – die seit 19 Jahren in Deutschland lebende Familie Nguyen wird in einer Nacht- und Nebelaktion aus Hoya bei Nienburg nach Vietnam abgeschoben. Nur die 20jährige Tochter Ngoc Lan, die schon ein Aufenthaltsrecht besitzt, bleibt allein zurück. Die Familie galt als gut integriert und verdiente den Lebensunterhalt in einer Baumschule. Doch die Behörden warfen ihnen vor, bei der Einreise falsche Namen benutzt zu haben. In Niedersachsen bricht ein Sturm der Entrüstung los. Nachbarn, Kirchenvertreter und sogar CDU-Mitglieder fordern die Rückkehr der Familie. Selbst Außenminister Westerwelle schaltet sich ein. Angesichts des massiven öffentlichen Drucks rudert Schünemann zurück. Noch vor Weihnachten soll die Familie wieder nach Deutschland kommen dürfen. In einem anderen Fall ist das nicht mehr möglich: 2010 bringt sich ein in Abschiebehaft genommener Mann aus dem Landkreis Harburg in seiner Zelle um. Im Oktober dieses Jahres entscheidet der Bundesgerichtshof, dass der Mann von den örtlichen Behörden rechtswidrig festgesetzt wurde. Seit 2004 hat das Bundesverfassungsgericht das Land Niedersachsen neun Mal wegen rechtswidriger Abschiebehaft gerügt. Uwe Schünemann sieht jedoch keine Verfehlungen:
"Mir ist überhaupt nichts bekannt, wo ich in einem Fall falsch gehandelt haben soll."
Immer wieder wird dem niedersächsischen Innenminister vorgeworfen, zu wenig menschlich zu handeln, kein Herz zu haben und die Spielräume, die die Ausländergesetze und die Europäische Menschenrechtskonvention bieten, nicht auszunutzen.
"Im Moment gucken wir sehr stark nach sehr eng bemessenen rechtlichen Regelungen und mindestens ein Teil dieser Regelungen ist nicht nur Ausnahmerecht normiert, sondern niedersächsisch gemacht."
Hans-Jürgen Marcus vom Caritasverband Hildesheim ist Mitglied der Härtefallkommission in Niedersachsen. Sie berät darüber, ob abgelehnte Asylbewerber in Einzelfällen aus humanitären oder persönlichen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden kann. Im Vergleich mit anderen Bundesländern, sagt Marcus, sind die Regeln wenig human.
Nicht nur seine Flüchtlingspolitik bringt Uwe Schünemann in Bedrängnis. Als vor ein paar Wochen bekannt wird, dass der Präsident der Bereitschaftspolizei – der frühere Büroleiter Schünemanns - in einem Club gefeiert hat, der unter der Kontrolle der Hells Angels steht, zieht der Innenminister erst Konsequenzen, als Medien darüber berichten. Für die Opposition im niedersächsischen Landtag ein Anlass, vorgestern die Entlassung von Uwe Schünemann zu beantragen:
Bachmann: "Sie geben den harten Hund, wenn es darum geht, Familien abzuschieben, Familien auseinanderzureißen, aber Sie sind an anderer Stelle eher ein Schoßhund, wenn es darum geht, Ihre Freunde zu schützen."
Limburg: "Die Menschen wollen nicht akzeptieren, dass aus ihrer Mitte Menschen immer wieder abgeschoben werden, weil sie nicht in eines Ihrer Muster passen, Herr Schünemann."
Flauger: "Und jede Stunde, die der länger im Amt bleibt, ist eine Stunde zu viel für das Land Niedersachsen."
Und Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister? Ihm sind diese Konflikte gar nicht recht und er will seine CDU bei den Kirchen nicht in Misskredit sehen. Im Fall der vietnamesischen Familie soll er angeblich sogar ein Machtwort gesprochen haben. Doch McAllister braucht Uwe Schünemann, den letzten Law-and-Order-Vertreter, um von der stramm konservativen Wählerklientel weiter Stimmen zu bekommen. Und darum lässt er ihn letztlich gewähren:
"Uwe Schünemann steht seit 2003 für eine verlässliche und konsequente Innenpolitik dieser Landesregierung. Der Innenminister bleibt im Amt. Herzlichen Dank."
Gestern Morgen vor dem niedersächsischen Landtag. Mitglieder der Gesellschaft für bedrohte Völker haben ein Transparent ausgerollt und verteilen Flugblätter an vorbeieilende Abgeordnete. "Flüchtlingskinder retten" steht auf beidem und: "Kein Bleiberecht für Schünemann". Ein Appell an den niedersächsischen Ministerpräsidenten, seinen Innenminister zu entlassen, sagt der Generalsekretär der Gesellschaft, Tilmann Zülch - ein Mann in den 70ern – rückt seine schwarze Wollmütze zurecht und guckt böse in Richtung Landtag:
"Herr Schünemann ist so der härteste Innenminister, der eine rein an Paragrafen orientierte Politik macht und gnadenlos gegenüber diesen Flüchtlingsfamilien vorgeht. Mit dem Kopf durch die Wand und wir sagen, dass Herr Schünemann eigentlich eher für eine NPD-Politik stehen würde, als für die Politik der Christdemokratischen Partei."
Zülch, selbst als Kind aus dem Sudetenland geflüchtet, räumt ein, dass seine Beurteilung vielleicht ein wenig scharf ausgefallen ist. Doch mit seiner Kritik an Uwe Schünemann steht der Menschenrechtsaktivist nicht allein. Nach Einschätzung von Amnesty International gilt in Niedersachsen eine besonders rigide Flüchtlings- und Abschiebepolitik. Der niedersächsische Flüchtlingsrat spricht sogar von einer "unmenschlichen und unbarmherzigen" Linie des Innenministers. Seit seinem Amtsantritt 2003 muss Uwe Schünemann immer wieder Rügen einstecken, doch bislang ließ ihn das kalt. Seit ein paar Wochen hat der harte Panzer allerdings ein paar Risse bekommen, denn der Christdemokrat steht wegen gleich mehrerer umstrittener Entscheidungen unter Druck.
"Um drei Uhr nachts wurden meine Eltern abgeholt, das war ein schlimmes Erlebnis. Man fühlt sich danach so leer – ohne Eltern, ohne Geschwister und es ist einfach unvorstellbar."
Anfang November – die seit 19 Jahren in Deutschland lebende Familie Nguyen wird in einer Nacht- und Nebelaktion aus Hoya bei Nienburg nach Vietnam abgeschoben. Nur die 20jährige Tochter Ngoc Lan, die schon ein Aufenthaltsrecht besitzt, bleibt allein zurück. Die Familie galt als gut integriert und verdiente den Lebensunterhalt in einer Baumschule. Doch die Behörden warfen ihnen vor, bei der Einreise falsche Namen benutzt zu haben. In Niedersachsen bricht ein Sturm der Entrüstung los. Nachbarn, Kirchenvertreter und sogar CDU-Mitglieder fordern die Rückkehr der Familie. Selbst Außenminister Westerwelle schaltet sich ein. Angesichts des massiven öffentlichen Drucks rudert Schünemann zurück. Noch vor Weihnachten soll die Familie wieder nach Deutschland kommen dürfen. In einem anderen Fall ist das nicht mehr möglich: 2010 bringt sich ein in Abschiebehaft genommener Mann aus dem Landkreis Harburg in seiner Zelle um. Im Oktober dieses Jahres entscheidet der Bundesgerichtshof, dass der Mann von den örtlichen Behörden rechtswidrig festgesetzt wurde. Seit 2004 hat das Bundesverfassungsgericht das Land Niedersachsen neun Mal wegen rechtswidriger Abschiebehaft gerügt. Uwe Schünemann sieht jedoch keine Verfehlungen:
"Mir ist überhaupt nichts bekannt, wo ich in einem Fall falsch gehandelt haben soll."
Immer wieder wird dem niedersächsischen Innenminister vorgeworfen, zu wenig menschlich zu handeln, kein Herz zu haben und die Spielräume, die die Ausländergesetze und die Europäische Menschenrechtskonvention bieten, nicht auszunutzen.
"Im Moment gucken wir sehr stark nach sehr eng bemessenen rechtlichen Regelungen und mindestens ein Teil dieser Regelungen ist nicht nur Ausnahmerecht normiert, sondern niedersächsisch gemacht."
Hans-Jürgen Marcus vom Caritasverband Hildesheim ist Mitglied der Härtefallkommission in Niedersachsen. Sie berät darüber, ob abgelehnte Asylbewerber in Einzelfällen aus humanitären oder persönlichen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden kann. Im Vergleich mit anderen Bundesländern, sagt Marcus, sind die Regeln wenig human.
Nicht nur seine Flüchtlingspolitik bringt Uwe Schünemann in Bedrängnis. Als vor ein paar Wochen bekannt wird, dass der Präsident der Bereitschaftspolizei – der frühere Büroleiter Schünemanns - in einem Club gefeiert hat, der unter der Kontrolle der Hells Angels steht, zieht der Innenminister erst Konsequenzen, als Medien darüber berichten. Für die Opposition im niedersächsischen Landtag ein Anlass, vorgestern die Entlassung von Uwe Schünemann zu beantragen:
Bachmann: "Sie geben den harten Hund, wenn es darum geht, Familien abzuschieben, Familien auseinanderzureißen, aber Sie sind an anderer Stelle eher ein Schoßhund, wenn es darum geht, Ihre Freunde zu schützen."
Limburg: "Die Menschen wollen nicht akzeptieren, dass aus ihrer Mitte Menschen immer wieder abgeschoben werden, weil sie nicht in eines Ihrer Muster passen, Herr Schünemann."
Flauger: "Und jede Stunde, die der länger im Amt bleibt, ist eine Stunde zu viel für das Land Niedersachsen."
Und Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister? Ihm sind diese Konflikte gar nicht recht und er will seine CDU bei den Kirchen nicht in Misskredit sehen. Im Fall der vietnamesischen Familie soll er angeblich sogar ein Machtwort gesprochen haben. Doch McAllister braucht Uwe Schünemann, den letzten Law-and-Order-Vertreter, um von der stramm konservativen Wählerklientel weiter Stimmen zu bekommen. Und darum lässt er ihn letztlich gewähren:
"Uwe Schünemann steht seit 2003 für eine verlässliche und konsequente Innenpolitik dieser Landesregierung. Der Innenminister bleibt im Amt. Herzlichen Dank."