Viele Opernintendanten füllen ihren Spielplan gern mit der einen oder anderen Rarität. Nicht immer überzeugt freilich das aus düster staubigen Notenarchiven ans helle, heutige Tageslicht Geförderte. Warum allerdings noch keiner auf die Idee kam, Peter Gasts hübschen "Löwen von Venedig" zu reanimieren, ist wirklich unverständlich. Immerhin war Gast lange Zeit Privatsekretär Friedrich Nietzsches, der – und allein deshalb wird die Sache spannend – seinen Adlatus flugs zum musikalischen Erlöser ausrief. Nebenbei sollte Gast auch noch den Gesamtkunstwerker Richard Wagner erledigen beziehungsweise "überwinden". Peter Gast heißt eigentlich Heinrich Köselitz, wurde 1854 in Annaberg geboren und starb dort 1918. Er kam aus gutem Elternhaus, mit musischer Mutter und Unternehmer-Vater, studierte bei Nietzsche in Basel und kam dort zu Sekretärenehren. Nietzsche gefiel der Name Köselitz (slawisch "Ziegenhirte") nicht und nannte ihn mal Peter Gast, mal Pietro Gasti.
Wirklich erfolgreich war Gasts Nebentätigkeit indes nicht, den Durchbruch sollte – eigentlich – sein "Löwe von Venedig" bringen. Nein, es handelt sich nicht etwa um eine biografische Nietzsche-Oper, sondern um eine Komödie, deren Handlung fast nichts zur Sache tut. Ein reicher Kaufmann, ein zwielichtiger Graf, diverse Amouren und eine bereits vor Opernbeginn geschlossene, heimliche Ehe sowie das für alle glückliche Ende sind die Zutaten des Stücks, das Domenico Cimarosas "Il matrimonio segreto" inhaltlich arg ähnelt. Der Grund: die Vorlage ist identisch und stammt von Giovanni Bertati. Gast übersetzte das Libretto aus dem Italienischen und schrieb eine überwiegend leichte, nur so dahin fließende Musik ohne Redundanzen und allzu auffällige Stilzitate. Ein bisschen unökonomisch ist der Chor eingesetzt, er hat, ebenso wie eine Harfe und das mittelgroß bestückte Schlagwerk, nur Mini-Auftritte.
Alles dreht sich um die sechs Sänger-Protagonisten, denen Gast schwungvolle Tempi und nicht nur vokalen Witz abverlangt. Singen mehr als zwei gleichzeitig, wird es oft ganz plötzlich melancholisch, das Sonnige und Leichte macht kurz Pause. Unter die Haut geht vor allem ein zauberisch dahingetupftes Trauersextett. Wirklich neu erfunden hat Gast wenig, im letzten Drittel der Partitur gibt es eigenwillige, eigenständige Momente, zum Beispiel einen nur kurz hereinwehenden Walzer, der von schweren, gegenläufigen Bewegungen geerdet wird. Im Vergleich zu vielen anderen Kollegen der Zeit besitzt Gast jedoch ein perfektes Gespür für den Effekt. An keiner Stelle langweilt einen der bunte Melodienmix, nichts klingt manieriert oder oberflächlich.
Am Pult der Erzgebirgischen Philharmonie Aue sorgt Generalmusikdirektor Naoshi Takahashi für Dynamik und Struktur, dass gelegentlich ein paar Streicher zu spät einsetzen, mag man unter Premierennervosität verbuchen. Schließlich war das Ganze eine Gala zum 120. Geburtstag des pittoresken Eduard-von-Winterstein-Theaters. Das Sängerensemble macht seine Sache größtenteils gut, am überzeugendsten sind Jason-Nandor Tomory als Graf und Frank Unger als Buchhalter Paolino. Tamara Korbers Regie beschränkt sich auf eine pointenreiche Personenführung in einem Bühnenkasten mit offenen Seitenwänden, Stegen sowie einer Venedig-Silhouette samt blinkendem Leuchtturm (Ausstattung: Robert Schrag).
Uraufgeführt wurde Gasts "Löwe von Venedig" übrigens erst zehn Jahre nach seiner Fertigstellung, 1891 in Danzig. Nietzsche war da schon geistig umnachtet und nicht mehr reisefähig. Nur wenige Nachinszenierungen folgten. Vielleicht ist es an der Zeit für eine kleine Renaissance? Überlassen wir Friedrich Nietzsche das letzte Urteil: "Hier ist ein neuer Mozart … Ich mag bereits gar keine andere Musik mehr hören. Wie arm, künstlich und schauspielerisch klingt mir jetzt die ganze Wagnerei." Gut gebrüllt, Löwe!
Wirklich erfolgreich war Gasts Nebentätigkeit indes nicht, den Durchbruch sollte – eigentlich – sein "Löwe von Venedig" bringen. Nein, es handelt sich nicht etwa um eine biografische Nietzsche-Oper, sondern um eine Komödie, deren Handlung fast nichts zur Sache tut. Ein reicher Kaufmann, ein zwielichtiger Graf, diverse Amouren und eine bereits vor Opernbeginn geschlossene, heimliche Ehe sowie das für alle glückliche Ende sind die Zutaten des Stücks, das Domenico Cimarosas "Il matrimonio segreto" inhaltlich arg ähnelt. Der Grund: die Vorlage ist identisch und stammt von Giovanni Bertati. Gast übersetzte das Libretto aus dem Italienischen und schrieb eine überwiegend leichte, nur so dahin fließende Musik ohne Redundanzen und allzu auffällige Stilzitate. Ein bisschen unökonomisch ist der Chor eingesetzt, er hat, ebenso wie eine Harfe und das mittelgroß bestückte Schlagwerk, nur Mini-Auftritte.
Alles dreht sich um die sechs Sänger-Protagonisten, denen Gast schwungvolle Tempi und nicht nur vokalen Witz abverlangt. Singen mehr als zwei gleichzeitig, wird es oft ganz plötzlich melancholisch, das Sonnige und Leichte macht kurz Pause. Unter die Haut geht vor allem ein zauberisch dahingetupftes Trauersextett. Wirklich neu erfunden hat Gast wenig, im letzten Drittel der Partitur gibt es eigenwillige, eigenständige Momente, zum Beispiel einen nur kurz hereinwehenden Walzer, der von schweren, gegenläufigen Bewegungen geerdet wird. Im Vergleich zu vielen anderen Kollegen der Zeit besitzt Gast jedoch ein perfektes Gespür für den Effekt. An keiner Stelle langweilt einen der bunte Melodienmix, nichts klingt manieriert oder oberflächlich.
Am Pult der Erzgebirgischen Philharmonie Aue sorgt Generalmusikdirektor Naoshi Takahashi für Dynamik und Struktur, dass gelegentlich ein paar Streicher zu spät einsetzen, mag man unter Premierennervosität verbuchen. Schließlich war das Ganze eine Gala zum 120. Geburtstag des pittoresken Eduard-von-Winterstein-Theaters. Das Sängerensemble macht seine Sache größtenteils gut, am überzeugendsten sind Jason-Nandor Tomory als Graf und Frank Unger als Buchhalter Paolino. Tamara Korbers Regie beschränkt sich auf eine pointenreiche Personenführung in einem Bühnenkasten mit offenen Seitenwänden, Stegen sowie einer Venedig-Silhouette samt blinkendem Leuchtturm (Ausstattung: Robert Schrag).
Uraufgeführt wurde Gasts "Löwe von Venedig" übrigens erst zehn Jahre nach seiner Fertigstellung, 1891 in Danzig. Nietzsche war da schon geistig umnachtet und nicht mehr reisefähig. Nur wenige Nachinszenierungen folgten. Vielleicht ist es an der Zeit für eine kleine Renaissance? Überlassen wir Friedrich Nietzsche das letzte Urteil: "Hier ist ein neuer Mozart … Ich mag bereits gar keine andere Musik mehr hören. Wie arm, künstlich und schauspielerisch klingt mir jetzt die ganze Wagnerei." Gut gebrüllt, Löwe!