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Nigeria und das Geschäft mit Wasser

In Nigeria haben viele Menschen schlechte Erfahrungen mit der öffentlichen Wasserversorgung gemacht. Das Problem sind dreckige Leitungen und rostende Rohre. Die Menschen kaufen lieber Tafelwasser. Großkonzerne machen deswegen mit Wasser in Flaschen seit Jahren gute Geschäfte.

Von Anne Allmeling | 07.09.2013
    Noch in den 80er-Jahren war es selbstverständlich, dass die Wasserversorgung in öffentlicher Verantwortung lag. Das neoliberale Credo in den 90er-Jahren aber hieß dann: Rendite für die Privatwirtschaft statt Gemeinwohl für die Armen. In vielen Metropolen des Südens wurde Wasser zur Ware, von Argentinien bis Indonesien, von den Philippinen bis Uganda.

    Ergebnis: Weder sanken, wie versprochen die Preise, noch wurden die Armen erreicht.

    Inzwischen haben sich Bürger überall auf der die Privatisierungen gewehrt. In Indien, zuletzt sogar die Europäer, die in London, Paris und Berlin erleben konnten, dass Trinkwasser in der Hand von Konzernen nicht nur teurer, sondern auch schlechter wurde. Mit der bisher größten europäischen Protestaktion konnte nun die geplante Liberalisierung des europäischen Wassermarktes vorerst aufgehalten werden.

    In einigen afrikanischen Ländern sieht das anders aus. Dort geben haben die Riesen der Trinkwasserbranche freie Hand. Dass der Zugang zu Wasser seit 2010 ein Menschenrecht ist, schert sie nicht. Auch nicht das von der UN ausgerufene Internationalen Jahr der Wasserkooperation oder die Internationale Weltwasserwoche, die erst gestern zu Ende gegangen ist.

    Ein Glas Wasser trinken - für Lilian Adjomonk aus Nigeria kommt das nur infrage, wenn das Wasser direkt aus der Flasche kommt:

    "Tafelwasser ist in diesem Teil der Welt einfach am sichersten. Im Wasser aus der Leitung entdecke ich immer wieder Verunreinigungen."

    Auch Elfarouk Ahmed, der in der Hauptstadt Abuja lebt, macht um das Leitungswasser einen großen Bogen:

    "Ich trinke lieber Wasser aus Flaschen. Denn das wird in einem Unternehmen gereinigt und gefiltert. Meine Gesundheit ist mein Reichtum. Deshalb verzichte ich auf Leitungswasser. Tafelwasser ist zwar teurer, aber dadurch bleibe ich gesund."

    Dreckige Leitungen, rostende Rohre, miserable Qualität: Nicht nur Lilian und Elfarouk haben mit der öffentlichen Wasserversorgung schlechte Erfahrungen gemacht. Dabei gehören die beiden schon zum privilegierten Teil der Bevölkerung. Denn fließendes Wasser gibt längst nicht überall in Nigeria - von Trinkwasser ganz zu schweigen. Ein Grund, warum internationale Großkonzerne wie Nestlé, Danone oder Coca Cola schon seit Jahren gute Geschäfte machen: mit Trinkwasser, das sie in Plastikflaschen verkaufen.

    Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas versorgen die Firmen Millionen von Menschen mit Literflaschen - und das, obwohl in Nigeria eigentlich kein Wassermangel herrsche, meint der Ingenieur und Wasserexperte Sani Nasidi:

    "Es gibt eine Fülle von Wasser in Nigeria. Das Problem sind die Maschinen, mit denen man das Wasser reinigen kann. Die fehlen uns, denn dafür muss man eine Menge investieren."

    Investitionen, um die sich die nigerianische Regierung drückt. Von den Milliarden, die der Staat durch die Förderung von Öl einnimmt, kommt bei der nigerianischen Bevölkerung kaum etwas an. Die Verantwortlichen wirtschaften lieber in die eigene Tasche: Auf dem Korruptionsindex der Nichtregierungsorganisation Transparency International belegt Nigeria gerade einmal Rang 139 von insgesamt 176 Ländern. Das spiele den Großkonzernen in die Hände, meint Nasidi:

    "Die Gesetze in unserem Land sind ein Teil des Problems. Die Unternehmen benehmen sie sich hier wie ein blinder Passagier. Sie haben kapiert, dass die Verantwortlichen die Regeln nicht so eng sehen - und machen einfach, was sie wollen."

    Die Konzerne nutzen zum Beispiel die Quellen des Landes, deren Wasser sie in riesigen Mengen abzapfen, reinigen und verkaufen. Und sie profitieren von den günstigen Bedingungen, die ihnen der korrupte Staat in Nigeria gewährt.

    Die Gewinne aus dem Geschäft mit dem Wasser sind mittlerweile so groß, dass die Unternehmen darauf nicht mehr verzichten wollen. Experte Nasidi kritisiert, dass die Firmen keine Verantwortung übernähmen und dem Land nichts zurückgäben:

    "Coca Cola ist ein globales Unternehmen. In Nigeria ist es schon seit 70 Jahren. Und was hat die Firma getan, um die Armut in Nigeria zu verringern? Gar nichts."

    Bis zu umgerechnet einem Euro kostet eine Ein-Liter-Flasche Wasser in Nigeria - ein Preis, den sich Millionen von Menschen in dem westafrikanischen Land nicht leisten können. Doch diese Kritik prallt an den Konzernen ab. Sie verweisen auf die Verantwortung der Regierung - und darauf, dass die Nachfrage wächst.

    Denn für viele Nigerianer ist es das einzige Trinkwasser, dem sie vertrauen, so wie diese Frau aus Abuja:

    "Selbst wenn es mehr kosten würde, würde ich es kaufen. Einfach weil es sicherer ist. Ich will meine Gesundheit nicht riskieren. Egal wie teuer - ich nehme das Wasser aus der Flasche."