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Nikotinsucht
Entzug für den Glimmstängel

Warnungen, Aufklärung und Ekelbilder: alles umsonst? Immer noch greifen zu viele Menschen nach der Zigarette. Rauchen macht schließlich süchtig. Genau da will die US-amerikanische Gesundheitsbehörde ansetzen. Die Lösung scheint verblüffend einfach, birgt jedoch auch Gefahren.

Von Antje Passenheim | 08.08.2017
    Der Rauch einer brennenden Zigarette aufgenommen am 19.11.2015 in Lauingen.
    Neue Methoden im Kampf gegen die Nikotinsucht. (dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Tief durchziehen muss manch Raucher in den USA, wenn er hört, was in der Pipeline ist.
    "NO!"
    Nein, bevormunden möchten sie sich nicht lassen.
    "Jeder Konsument soll doch selber das wählen, was er will. Er soll selber regulieren und nicht die Geschäftsleute."
    Teer, Giftstoffe - und Nikotin
    Doch es ist die Gesundheitsbehörde FDA, die den Regulierungshebel ansetzen will: Rauchen soll nicht mehr süchtig machen, plädiert FDA-Chef Scott Gottlieb.
    "Wir sind an einem einzigartigen Punkt der Geschichte", kündigt der Arzt an, der schon viele raucherbedingte Krebsopfer behandelt hat. Die FDA will dem Glimmstängel ans Nikotin. Will seinen Gehalt in jeder Zigarette begrenzen. Denn tödlich seien zwar Teer und andere Giftstoffe. Doch das Nikotin sei auf andere Weise gefährlich.
    Nikotin macht erstaunlich süchtig. In einer Zigarette sorgt dieser Stoff für einen Mix aus Chemikalien, Krankheit und Tod.
    In zehn Sekunden über die Lunge ins Gehirn
    Mehr als 35 Millionen Menschen hängen in den USA an der Zigarette. 15 Prozent der Bevölkerung. Jährlich sterben rund eine halbe Million US-Bürger an den Folgen des Tabakkonsums. Die hohen Raten, meint die FDA, seien auf den Suchtfaktor zurückzuführen.
    "Ein Bewertungskriterium für Zigaretten ist die Effizienz, mit der sie Nikotin abgeben. Der Schlüssel ist Inhalation. Eine Zigarette kann kann das Nikotin in weniger als zehn Sekunden über die Lunge ins Hirn befördern."
    "Dann rauchen die Leute einfach mehr"
    Durch die dichten Rauchschwaden von Georgtown Tobacco, einem Tabakladen in Washington, dringt diese Botschaft nur schwer an die Kunden. Gelassen entspannen sie in schweren Ledersesseln und rauchen - an einem der letzten öffentlichen Orte, an denen das hier noch erlaubt ist.
    "Jeder hat doch andere Präferenzen beim Nikotingehalt. Die einen mögen es schwächer, die andern stärker."
    Der Ladeninhaber hält nicht viel von dem Versuch der FDA.
    "Wenn weniger Nikotin in der Zigarette ist, rauchen die Leute einfach mehr."
    Eine Sorge, die auch Gesundheitsexperten äußern: Ein richtiger Raucher würde sich einfach mehr Zigaretten anstecken oder noch tiefer inhalieren, um den nötigen Kick zu bekommen, warnen sie. Die Washingtoner Behörde wartet jetzt auf Reaktionen von Tabakkonzernen und Verbraucherschützern. Erst dann will sie sich zu möglichen Vorschriften für die Hersteller äußern. Doch allein die Ankündigung hat in der Tabakbranche viel Rauch erzeugt: die Kurse großer Hersteller an der New Yorker Wall Street stürzten kurzfristig ab. Zum Teil verloren die Aktien 19 Prozent an Wert. Dabei läge die Lösung doch eigentlich ganz nah - wie ein rauchender Mann vor dem Tabakladen in Washington meint.
    "Wenn wir den Tabak einfach so rollen würden wie in den alten Zeiten, dann würden wir das Nikotin doch drosseln."
    So einfach ginge das.