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Nischen-Player im Gasmarkt

Seit Monaten stöhnen Verbraucher wie Unternehmen über die stark gestiegenen Gaspreise. Tatsächlich liegt das deutsche Gaspreisniveau im internationalen Vergleich mit an der Spitze. Und das liegt nicht nur – wie die Gasversorger immer wieder betonen – an staatlichen Abgaben, die knapp 30 Prozent des Gaspreises ausmachen. Das liegt auch daran, dass es auf dem deutschen Gasmarkt erst wenig Wettbewerb gibt. Die großen Importeure wie Eon-Ruhrgas oder Wingas beherrschen den Markt bis hinunter zu den Endkunden. So bekommen private Haushalte erst im Laufe dieses Jahres erstmals überhaupt die Chance, ihren Gasversorger frei zu wählen. Industriekunden können das schon länger. Und auf diese Kundschaft hat sich ein Unternehmen spezialisiert: Seit fünf Jahren sorgt die Natgas AG aus Potsdam dafür, den Wettbewerb auf dem deutschen Gasmarkt anzuheizen.

Von Theo Geers |
    Es strömt. Erdgas. Kubikmeter um Kubikmeter. Quer durch Deutschland - von der deutsch-belgischen Grenze bei Aachen, wo es ins Land kommt, zu den Kunden.

    "Unser Segment – das ist die mittelständische Industrie, dass sind Kunden zwischen fünf und 200 Millionen Kilowattstunden Jahresverbrauch. Quer durch alle Branchen, wir sind sehr stark im Nahrungsmittelbereich, auch Metallbranche, Papierbranche, Porzellanhersteller, wo ein gewisser Gasverbrauch der Produktion unterliegt."

    Es strömt – das Erdgas. Seit ungefähr fünf Jahren. Da hat mit dem ersten Kunden alles angefangen. Inzwischen sind es etwa 60. Wir sind bei Natgas, dem ersten unabhängigen Gashändler in Deutschland. Nur zu hören ist das Gas am Firmensitz in Potsdam auf einer schicken modernen Büroetage nicht.

    Vertriebschef Detlef Weidemann sitzt hinter seinem Designerschreibtisch und erzählt, wie vor knapp sechs Jahren mittelständische Heizölhändler ihre Felle davon schwimmen sahen, weil Erdgas immer stärker auf dem Vormarsch war. Doch mit der Liberalisierung des Gasmarktes witterten sie ein neues Geschäftsfeld: Gas selbst importieren, gegen Gebühr die Pipelines der etablierten Gasversorger nutzen, deren Versorgungskette aber überspringen und die so entstehenden Preisvorteile an die Kunden weiter geben:

    ""Der Preis ist sicherlich der wichtigste Aspekt, wenn ein Kunde wechselt, aber wenn wir über Preise reden sind es sicherlich fünf bis zehn Prozent, die der Kunde sparen kann."

    Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn wir sind in Deutschland. Und auf dem deutschen Gasmarkt haben 5 Ferngasgesellschaften, 35 Regionalversorger und etwa 750 lokale Betreiber von Gasnetzen das Sagen, die häufig auch noch miteinander verflochten sind. Durch wechselseitige Beteiligungen und natürlich über das engmaschige Pipelinenetz. In diesem bisher weitgehend abgeschotteten schwierigen Markt ist Natgas ein Nischenspieler, dem die etablierten Versorger mancherlei Steine in den Weg legen, klagt Vertriebschef Detlef Weidemann:

    "Hier wird von der etablierten Gasindustrie dafür gesorgt, dass bei Kunden, die ein Angebot von natgas oder anderen freien Anbietern bekommen, dass genau bei diesen Kunden über die Lieferkette bis hin zum Importeur entsprechende Sonderkonditionen geboten werden, die zum Teil auch unter Einstandspreis liegen können und damit der Kunde gezwungen wird, bei dem Vorversorger zu bleiben und nicht zu wechseln. Das Ziel, was man damit erreichen will, ist dass die neuen Anbieter nicht ins Geschäft kommen"…"

    … und das lässt sich auf vielerlei Art und Weise erreichen. Über direkte Preisnachlässe für abwanderungswillige Kunden, über Marketingzuschüsse an ein Stadtwerk für die Kundenbetreuung und die Werbung oder über die Abrechnung von normalerweise teuren Verbrauchsspitzen zum Normalpreis – alles Dinge, die für wechselwillige Gasabnehmer wie etwa eine Großbäckerei, eine Papierfabrik oder gar ein Stadtwerk den Einstandspreis senken und den Wechselgedanken vertreiben, weil Natgas irgendwann nicht mehr mithalten kann. Denn Natgas beliefert nur Industriekunden und keine privaten Endverbraucher. Diese können derzeit noch nicht den Gasversorger wechseln, zahlen mangels Wettbewerb die hohen Gaspreise, mit denen die Rabatte für die Industriekunden dann quersubventioniert werden:

    ""Wir haben hier ein typisches Verhalten, dass wir in vielen Fällen dokumentieren können. In der ersten Preisrunde haben wir das beste Angebot, insbesondere preislich das beste Angebot. Wenn der Vorversorger merkt, dass ein Kunde wirklich gewillt ist zu wechseln, dann kann man feststellen, dass hier von einem Tag auf den andern enorme Preisnachlässe möglich sind, die zum Teil bis 30 bis 40 Prozent reichen, was nicht erklärbar ist, was auch der Kunde nicht versteht, was aber daher rührt, dass der Vorversorger keine Kunden verlieren möchte und deswegen Preisnachlässe gibt, die irrational sind."

    Es gibt weitere Stolpesteine für einen freien Gashändler. Parallel zur Kundenakquisition muss Natgas den Gastransport organisieren, also dafür sorgen, dass das Gas, welches ein Natgaskunde dem Pipelinenetz entnimmt, am anderen Ende, sprich am Grenzübergangspunkten Aachen oder in Emden , in das Netz eingespeist wird:

    "Aber hier liegt ein Problem vor. Das Problem liegt im Wesentlichen darin, dass nicht die Transportkapazitäten an sich zu klein sind. Aber man muss unterschieden zwischen vertraglichen Transportkapazitäten und physisch tatsächlich genutzten Kapazitäten. Es kann durchaus sein, dass vertraglich Kapazitäten auf einer bestimmten Strecke ausgebucht sind, möglicherweise gleichzeitig physisch sind durchaus Transportkapazitäten da."

    Dann kann Natgas liefern, aber nur wenn das mit drei Transportverträgen abgesichert ist. Von der Grenze bis zum Kunden strömt das Gas schließlich durch die Pipeline einer Ferngasgesellschaft, die Rohre eines Regionalversorgers und meistens auch noch eines Stadtwerkes. Und doch hat Natgas in der Branche inzwischen einen Namen. 80 Mio. Euro Jahresumsatz stehen in der Bilanz, und ab diesem Jahr unterm Strich zum ersten Mal auch schwarze Zahlen.

    Das Gas strömt also. Die Jungmanager von Natgas freut's. Und wo steht Natgas in fünf Jahren?

    "Sicherlich wollen wir nicht 20 bis 30 Prozent des deutschen Gasmarktes einnehmen – das wäre vermessen, wir wollen sicherlich einen Marktanteil erreichen, der vorstellbar ist zwischen drei und fünf Prozent."