Archiv


Nix studieren - nix zahlen

Guckeisen: Die so genannte Langzeitstudiengebühr hat unerwünschte Nebenwirkungen. Viele Altsemester melden sich nicht mehr zurück und deshalb fehlt den Studentenwerken eine Menge Geld in der Kasse. Allein in Duisburg-Essen rechnet man mit einem Minus von 450.000 Euro. Das sind keine Peanuts mehr. Wie sieht das denn an anderen Unis aus?

    Rinkens: Sie können einfach sagen je größer die Uni, desto schlimmer ist dieser Effekt, klar. Wenn Sie Köln nehmen, wird das sicherlich in die Millionen hineingehen. Damit verglichen ist Duisburg-Essen ja eine relativ kleine Uni.

    Guckeisen: Das ist also kein Einzelfall, sondern ein flächendeckendes Problem.

    Rinkens: Genau.

    Guckeisen: Sind Sie von den Einnahmeverlusten überrascht oder war das zu befürchten?

    Rinkens: Das war zu befürchten, denn es gab diese Effekte ja schon in anderen Bundesländern, wo Langzeitstudiengebühren ja schon vorher eingeführt worden waren. Durch diese Einführung von Langzeitstudiengänge können wir so witzige Effekte erleben, dass Studierende plötzlich von einem Land ins andere wechseln, weil es dort keine Langzeitstudiengebühren gibt.

    Guckeisen: Nun hatten die so genannten Bummelstudenten keinen guten Leumund. Man wollte sie ja von den Unis haben, das tritt jetzt ein, unter dem Strich hat man aber, wie man das hört, im Gegenteil von ihnen profitiert in der Vergangenheit.

    Rinkens: So ist es im Grunde genommen. Das, was man das soziale Umfeld nennt, wurde von diesen Studierenden in der Regel nicht in Anspruch genommen, aber sie leisteten ihren Sozialbeitrag. Gaben also etwas in diesen Topf hinein, aus dem das tägliche Leben etwas günstiger gestaltet werden konnte für solche Studenten, die es nötig haben. Das haben wir ja von Anfang an gesagt. Langzeitstudiengebühren sind im Grunde nur hochschulpolitischer Aktionismus denn es ist eigentlich eine Gebühr, die darauf angelegt ist, nicht gezahlt zu werden. Sie bringt also finanziell nichts außer Verwaltungsaufwand und sie bereinigt Statistiken, wobei man allerdings das Waterloo in der Statistik der Studienabbrecher erleben wird, die wird natürlich enorm nach oben gehen. Das größere Problem ist eigentlich, Sie haben eben die Bummelstudenten angesprochen, sicher, sie gibt es, aber wir wissen aufgrund von genaueren Untersuchungen, dass es sehr vielfältige Gründe gibt, weshalb ein Studium länger sein kann. Ich will nur einen nenne: Eine Frau bekommt ein Kind während des Studiums oder zwei. In der Vergangenheit ist sie weiterhin eingeschrieben gewesen und das führt dazu, dass sie höhere Semesterzahlen bekommt. Nun ist aber ein Kind sicherlich die beste und wertvollste Investition in unserer Gesellschaft, aber sie wird abgestraft. So gibt es ein paar Tatbestände, die zur Verlängerung führen, die jetzt mit abgestraft werden, was ich für nicht sonderlich vernünftig halte.

    Guckeisen: Darüber ist ja auch in den vergangenen Jahren gestritten worden. Nun hat man die Langzeitgebühren aber dennoch eingeführt, die Auswirkungen sind jetzt eben da. Die Frage ist: was kommt jetzt, was hat das für Konsequenzen für die Arbeit der Studentenwerke, wenn sie so ein Riesenminus in der Kasse haben?

    Rinkens: Da gibt es verschiedenen Reaktionen. In einigen der Länder musste beispielsweise schon der Sozialbeitrag der übrigen Studenten erhöht werden, denn es muss auf irgendeine Weise ja rein kommen. Eine andere Sache ist, es gibt höhere Verkaufspreise in den Mensen, also das Alltagsleben für die übrigen Studenten wird teurer. Natürlich kann man auch ein bisschen was durch Kostensenkung oder Personal- und Sachkostenreduzierung machen, aber die ersten beiden Posten sind wahrscheinlich die, über die es dann gehen wird.


    Guckeisen: Die Frage ist natürlich: Wird das reichen, wenn man davon ausgeht, dass die Länder ja auch die Mittel für die Studentenwerke gekürzt haben?

    Rinkens: Das ist genau der Punkt. Man kommt in eine gewaltige Schere rein. Das können Sie ablesen an den Entwicklungen dieser Sozialbeiträge, wie sie in den letzten Jahren waren aufgrund der geringeren Zuschüsse durch den Staat und jetzt kommt dieser Effekt mit den Langzeitstudiengebühren noch dazu. Aber Studentenwerke sind eben auch Unternehmen, zwar mit sozialem Auftrag, sie müssen schauen, dass sie diese guten Kosten halten können, aber sie müssen auch wirtschaftlich rechnen. Aus diesem Dilemma kommen sie nicht raus. Das sehen auch die Studierenden, die ja bei uns in den Studentenwerken immer mitbeteiligt werden. Die sehen auch keine andere Lösung.

    Guckeisen: Nun hat es ja zum vergangenen Semester wieder eine höhere Zahl von Studienanfängern gegeben. Hat das das Problem ein wenig auffangen können?

    Rinkens: Es wird es möglicherweise ein wenig lindern können. Anzeichen gibt es dafür in Baden-Württemberg, wo das ein bisschen ausgeglichen wurde, aber zunächst mal wird es diesen Einbruch geben.

    Guckeisen: Und der kann auch nicht dadurch aufgefangen werden, dass die Gebühr für so genannte Langzeitstudenten relativ hoch ist?

    Rinkens: Das fließt zunächst nicht in die Studentenwerke, sondern erst mal einfach in den Staat. Unter Umständen werden davon nicht mal die Hochschulen profitieren, insofern ist das nicht das, womit wir rechnen können.

    Guckeisen: In Campus und Karriere, Hans-Dieter Rinkens, Präsident des deutschen Studentenwerks.